Staatliche Filmdokumentation

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Die Staatliche Filmdokumentation (SFD) war ein Produktionsbereich der DDR-Filmproduktion – ihre Filmdokumente wurden nicht für die Öffentlichkeit, sondern zur Ergänzung der zensierten DDR-Kino- und -Fernsehproduktion am Staatlichen Filmarchiv der DDR für Archivzwecke produziert.[1] Die Filme waren nicht für die DDR-Gegenwart, sondern für zukünftige Generationen bestimmt. Sie sollten auch den ungeschminkten und unzensierten Blick auf den realen DDR-Alltag zeigen. Das SFD-Archiv umfasst rund 300 Filme, die zwischen 1971 und 1986 gedreht wurden.[2][3]

Entstehung und Tätigkeit

Die Idee eines „Regierungsfilmarchivs“ gab es bereits unmittelbar nach Gründung der DDR im Jahre 1949, ihre Verwirklichung scheiterte jedoch lange Zeit an der Finanzierung.[4] Als Folge des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED 1965 wurden in der DDR Bücher, Stücke, Filme und Musik verboten, die von dem von der Staatsführung vorgegebenen politischen Kurs abwichen (wie etwa Werner Bräunigs Wismut-Roman „Rummelplatz“). Fast sechs Jahre später, mit der Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker, setzte eine Art „Liberalisierung“ in der Kunst ein – in diese Zeit fiel die Gründung der SFD.

Die Arbeitsgruppe gehörte organisatorisch zum Staatlichen Filmarchiv der DDR und bestand aus Redaktion und Produktion mit insgesamt etwa 10 Mitarbeitern, zu denen als freie Mitarbeiter zeitweise auch Peter Badel, Thomas Heise[5] und Thomas Grimm gehörten. 1971 entstand der erste von fast 300 Filmen. Die SFD produzierte zumeist Personen-Dokumentationen und in geringerem Umfang Sach-Dokumentationen. 1986 kam das Ende für die SFD; deren gesamte Technik und ein Teil der technischen Mitarbeiter wurden von der Produktionsgruppe Chronik des DEFA-Studios für Dokumentarfilme übernommen, welche die Dokumentationen – nun nur noch für kulturpolitische Zwecke – grundsätzlich bis zur 1990 erfolgten deutschen Wiedervereinigung fortsetzte.[4]

Zweck und Themen

Zweck der SFD war die systematische, vollständige und umfassende Eigendokumentation des realsozialistischen Staates DDR für nachfolgende Generationen.[6] Die Filme waren nicht für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmt, deshalb bieten sie verhältnismäßig unverstellte Einblicke in das gesellschaftliche, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben der DDR der 1970er und 1980er Jahre. Nahezu propagandafrei bilden die Filme vor allem das Alltags-Leben der DDR ab.[7]

Die SFD-Filme zeigen offen und vielfältig die Defizite des DDR-Alltags: Das Leben in abrissreifen Altbauten, Arbeitsszenen im Straßenbau, die schwierige Situation der freiberuflichen Puppenspieler. Die Kameraleute fangen die wirkliche DDR mit den Nöten und Befindlichkeiten ihrer Bürger ein, die sich in ihr einzurichten versuchten.

Die Aufnahmen entstanden fast ausschließlich in Ost-Berlin, der DDR-Hauptstadt. Grund dafür war wohl das begrenzte SFD-Benzin-Kontingent von 70 Liter pro Monat, so dass vorrangig gleich „um die Ecke“ – wie etwa im Prenzlauer Berg – gedreht wurde.

Gegenwart und Zukunft

Der Filmbestand wird heute von der, dem Einigungsvertrag gemäß, 1990 in Berlin gebildeten, Abteilung Filmarchiv des Bundesarchivs verwahrt. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Institutes für Zeitgeschichte (Forschungsabteilung Berlin) mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv erfolgte eine erste Auswertung des einzigartigen Quellenbestandes zur Gesellschafts- und Alltagsgeschichte der DDR. Mit dem Ziel, die bisher unzugänglichen Filme für spätere Nutzer zu erhalten, begann, mit Förderung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Restaurierung und Digitalisierung des 16-mm-Materials.

Veröffentlichungen

Print

  • Anne Barnert: Filme für die Zukunft. Die Staatliche Filmdokumentation am Filmarchiv der DDR.[8]
  • Anne Barnert: Ein Staat erinnert sich selbst. Die „Staatliche Filmdokumentation“ der DDR.[9]
  • Anne Barnert: Personen, Großstadt, blinde Flecken. Der Bestand „Staatliche Filmdokumentation“ der DDR.[10]
  • Anne Barnert: Alltag zwischen hier und dort. „Berlin-Milieu – Ackerstraße“ (1973) der „Staatlichen Filmdokumentation“ der DDR.[11]
  • Anne Barnert: Erinnerungen eines Archivdirektors. Herbert Volkmann im Personenporträt der „Staatlichen Filmdokumentation“ der DDR.[12]
  • Antonie Rietzschel: Als DDR-Bürger alles sagen durften.[13]
  • Michael Bartsch: Der real gefilmte Sozialismus.[14]
  • Peter Ufer: Das geheime Filmarchiv der DDR.[15]
  • Torsten Klaus: Das wahre Leben. Das vergessene Doku-Tagebuch der DDR dämmerte im Archiv – nun wird es erschlossen.[2]
  • Uta Keseling: Hier spricht die DDR.[16]

Hörfunk

  • „DDR-Realität aus dem Giftschrank. Anne Barnert im Gespräch mit Philipp Schnee.“[17]

Fernsehen

  • Thomas Eichberg und Holger Metzner: „Der heimliche Blick – Wie die DDR sich selbst beobachtet.“[18]

Filmliste

Jahr Titel Redaktion Sonstiges
1973 Berlin-Milieu: Ackerstraße 1973 Veronika Otten s/w
1973 Berlin-Totale: Wochenmarkt in Pankow Gerd Barz s/w
1973 Berlin-Totale: Der letzte O-Bus Dieter Harms s/w
1974 Menschen, Bauten, Kunst Veronika Otten s/w
1976 Berlin-Totale: Steinstraße Veronika Otten s/w
1979 Berlin-Totale: Mulackstraße Veronika Otten s/w
1979 Berlin-Totale: Sophienstraße Veronika Otten s/w
1979 Berlin-Totale: Räumung eines Häuserkomplexes Gerd Barz s/w
1979 Berlin-Totale: Almstadtstraße Veronika Otten s/w
1979 Berlin-Totale: Auguststraße Veronika Otten s/w
1985 Volkspolizei / 1985 Thomas Heise s/w

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Anne Barnert (Hg.): Filme für die Zukunft. Die Staatliche Filmdokumentation am Filmarchiv der DDR. Berlin, Neofelis 2015.
  2. a b Torsten Klaus: Das wahre Leben. Das vergessene Doku-Tagebuch der DDR dämmerte im Archiv – nun wird es erschlossen. In: Leipziger Volkszeitung, 25. Februar 2015, Seite 12
  3. Torsten Klaus: Das wahre Leben - Das vergessene Doku-Tagebuch der DDR erstmals erschlossen - DNN-Online. 10. September 2015, archiviert vom Original; abgerufen am 3. November 2019.
  4. a b DEFA - Stiftung - Filmdokumentation. 30. September 2018, archiviert vom Original; abgerufen am 3. November 2019.
  5. Heise ist heute Dokumentarfilmer, Badel Professor an der Filmuniversität Babelsberg
  6. Anne Barnert: Personen, Großstadt, blinde Flecken. Der Bestand „Staatliche Filmdokumentation“ der DDR. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 63, H. 1 (2015), S. 93–107.
  7. Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur | Veranstaltungen | Veranstaltungen 2015. 26. Februar 2015, archiviert vom Original am 26. Februar 2015; abgerufen am 3. November 2019.
  8. Barnert, Anne.: Filme für die Zukunft - Die Staatliche Filmdokumentation am Filmarchiv der DDR. Neofelis Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-95808-054-6.
  9. González de Reufels, Delia., City 46. Kommunalkino Bremen.: Film und Geschichte : Produktion und Erfahrung von Geschichte durch Bewegtbild und Ton. Bertz + Fischer, Berlin 2015, ISBN 978-3-86505-239-1, S. 34–42.
  10. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 63, H. 1 (2015), S. 93–107.
  11. Filmblatt, Jg. 20, H. 55/56 (2014/2015), S. 115–125.
  12. Rolf Aurich, Ralf Forster: Wie der Film unsterblich wurde : vorakademische Filmwissenschaft in Deutschland. Edition text + kritik, München 2015, ISBN 978-3-86916-407-6, S. 89–96.
  13. Antonie Rietzschel: RBB zeigt TV-Doku über DDR-Alltag. Süddeutsche Zeitung, 17. März 2015, abgerufen am 3. November 2019.
  14. Michael Bartsch: Rare Aufnahmen des Filmarchivs: Geheimsache DDR-Alltag. In: Die Tageszeitung: taz. 17. März 2015, ISSN 0931-9085 (Online [abgerufen am 3. November 2019]).
  15. Peter Ufer: Das geheime Filmarchiv der DDR | Freie Presse - Kultur. Freie Presse, 11. März 2015, abgerufen am 3. November 2019.
  16. Uta Keseling: Hier spricht die DDR - So filmte die Stasi ihre Bürger. Berliner Morgenpost, 17. März 2015, abgerufen am 3. November 2019.
  17. Anne Barnert: Dokumentarfilme - DDR-Realität aus dem Giftschrank. Deutschlandfunk Kultur, 8. April 2015, abgerufen am 3. November 2019.
  18. Filmografie | Filmproduktion und Videoproduktion Dresden – EichbergFilm. Abgerufen am 3. November 2019 (Erstsendung am 17. März 2015, 22.45 Uhr im rbb).