Stefan Gillich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Stefan Gillich (2008)

Stefan Gillich (* 12. September 1932 in Filipowa, Königreich Jugoslawien; † 1. Februar 2019 in Deidesheim)[1] war ein deutscher Kommunalpolitiker (CDU).

Leben und Familie

Gillich wurde am 12. September 1932 in Filipowa (heute Bački Gračac) in der Batschka in Serbien geboren. Seine Eltern hatten einen Landwirtschaftsbetrieb, der in den 1930er Jahren um einen Hanfverarbeitungsbetrieb erweitert wurde. Gillichs Vater, 1939 vom serbischen Militär eingezogen, starb 1940 im Alter von 39 Jahren in einem Feldlager.[2] Nachdem im Zweiten Weltkrieg die serbische Batschka 1941 von der deutschen Wehrmacht erobert und Ungarn zugeschlagen worden war, wurde Gillichs Heimatdorf im September 1944 von der Sowjetarmee und jugoslawischen Partisanen erobert. Ein Bruder Gillichs wurde bei einem Massaker von Partisanen am 25. November 1944 in der Nähe von Filipowa[3] erschossen. Ein weiterer Bruder Gillichs war 1944 von der Wehrmacht eingezogen worden und in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten.[4]

Zusammen mit zwei Schwestern, einem Bruder und seiner Mutter wurde Gillich am 31. März 1945 aus seinem Heimatdorf vertrieben und mit 16.500 weiteren Deutschen in ein Lager bei Sombor gesteckt, wo die Lebensbedingungen sehr hart waren.[5] Am 9. Januar 1947 konnte die Familie das Lager verlassen und die sieben Kilometer entfernte Grenze nach Ungarn passieren. Am 5. September desselben Jahres gelangten sie bei Passau nach Deutschland und wurden in einem Auffanglager für Vertriebene bei Moschendorf in Oberfranken einquartiert.[6] Hier lernte Gillich seine spätere Frau Elisabeth kennen, deren Familie ebenfalls Vertriebene waren.

Sein erstes Geld in Deutschland verdiente Gillich mit Zigarettenhandel, später durch Tätigkeit in einer Weberei.[7] Im September 1950 konnte die Familie Gillich das Auffanglager verlassen und zog in die Pfalz, zunächst nach Landau,[8] 1951 dann nach Haßloch. Am 24. April 1954 heiratete Gillich Elisabeth, mit der er drei Söhne hatte. 1976 zogen Gillich, seine Frau und seine Söhne nach Deidesheim.[9]

Politisches Engagement

Im Jahr 1960 trat Gillich in die CDU ein, zuvor war er bereits Mitglied der Jungen Union.[10] Erste Erfahrungen in der Kommunalpolitik sammelte Gillich als Gemeinderat und Fraktionsvorsitzender in seinem früheren Heimatort Haßloch.[11] 1969 wurde Gillich in den neu gebildeten Kreistag des Landkreises Bad Dürkheim und zu einem Stellvertreter des Landrats Hermann Scherer gewählt. Ebenfalls 1969 wurde Gillich Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes. Er blieb dies 22 Jahre, bis ihm Norbert Schindler 1991 folgte.[12]

Am 7. September 1972 fand die Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der neuen Verbandsgemeinde Deidesheim statt. Die CDU nominierte Gillich für dieses Amt, nachdem der damalige Deidesheimer Ortsbürgermeister Norbert Oberhettinger auf die Kandidatur verzichtet hatte.[13] Am 1. Oktober 1972 trat Gillich das Amt an und hatte dieses bis 1997 inne. 1975 wurde Gillich auch als ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Deidesheim gewählt; er versah dieses Amt bis 2004.[14]

In der Ära Gillich als Ortsbürgermeister Deidesheims wurde unter anderem die Schlossparkanlage beim Deidesheimer Schloss für Besucher geöffnet, ein wenig später der Stadtgarten mit vielen exotischen Pflanzen, und die Turmschreiberei wurde ins Leben gerufen. Gillich unterzeichnete die Urkunden, welche die Partnerschaften Deidesheims mit den Gemeinden Bad Klosterlausnitz, Buochs, Saint-Jean-de-Boiseau und Tihany besiegelte.[15] Auf Einladung Gillichs kamen der deutsche Bundespräsident Karl Carstens zu einer öffentlichen Wanderung und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow bei einem Staatsbesuch nach Deidesheim.[16] Diese und zahlreiche weitere Staatsgäste konnte Gillich als Deidesheimer Stadtbürgermeister empfangen. Für Hannelore Kohl, die verstorbene Frau des Bundeskanzlers und Ehrenbürgers Deidesheims, Helmut Kohl, enthüllte Gillich zusammen mit Kohl einen Gedenkstein im Hof des Deidesheimer Spitals.[17]

Weitere Ämter

Gillich war von 1978 bis 2003 im Landesvorstand des Tourismusverbandes Rheinland-Pfalz, davon von 1987 bis 1994 Vizepräsident, dann bis 2003 Präsident;[18] danach war er Ehrenvorsitzender.[19] Gillich war auch Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz im Deutschen Tourismusverband und im Beirat der Deutsche Zentrale für Tourismus.[20] Viele Jahre war Gillich zudem Vorsitzender des Spitalrats des Deidesheimer Spitals und des Trägervereins des Museums für Weinkultur.[21]

Ehrungen und Auszeichnungen

Schriften

  • Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Mit einem Beitrag von Bernhard Vogel. Gillich, Deidesheim 2008, ISBN 978-3-926775-53-5.

Literatur

  • Heinz Schmitt: Geißbock, Wein und Staatsbesuche. Deidesheim in den letzten 150 Jahren, mit einem Vorwort von Stefan Gillich. Hrsg. v. der Stadt Deidesheim, 2000, ISBN 3-922580-82-3.[26]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. todesanzeige. In: rheinpfalz.de. 2. Februar 2019.
  2. Gillich: Sich trauen, S. 8–9
  3. Die Ereignisse des 25. November 1944 in Filipowa. Verein der Filipowaer Ortsgemeinschaft in Österreich, abgerufen am 16. März 2021.
  4. Gillich: Sich trauen, S. 30–31
  5. Gillich: Sich trauen, S. 32–33
  6. Gillich: Sich trauen, S. 39–40
  7. Gillich: Sich trauen, S. 48, 50
  8. Gillich: Sich trauen, S. 52
  9. Gillich: Sich trauen, S. 62, 64, 74
  10. Gillich: Sich trauen, S. 66
  11. Heinz Schmitt: Geißbock, Wein und Staatsbesuche – Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau 2000, ISBN 3-922580-82-3, Deidesheim im 19. und 20. Jahrhundert, S. 32.
  12. Gillich: Sich trauen, S. 71–72
  13. Heinz Schmitt: Geißbock, Wein und Staatsbesuche – Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau 2000, ISBN 3-922580-82-3, Deidesheim im 19. und 20. Jahrhundert, S. 31,32.
  14. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 144, 147, 159, 162.
  15. Heinz Schmitt: Geißbock, Wein und Staatsbesuche – Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau 2000, ISBN 3-922580-82-3, Deidesheim im 19. und 20. Jahrhundert, S. 32.
  16. Heinz Schmitt: Geißbock, Wein und Staatsbesuche – Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau 2000, ISBN 3-922580-82-3, Hoher Besuch, S. 89.
  17. Jasper Rothfels: Deidesheim ehrt Hannelore Kohl. Kölner Stadt-Anzeiger, abgerufen am 1. Februar 2019.
  18. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 149.
  19. Vorstand. Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, abgerufen am 1. Februar 2019.
  20. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 149, 157.
  21. Viktor Carl: Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten. Arwid Hennig Verlag, Edenkoben 1998, ISBN 3-9804668-2-5, S. 219.
  22. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 151.
  23. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 160.
  24. Stefan Gillich: Sich trauen – den eigenen Weg finden. Erinnerungen. Deidesheim 2008, 35 Jahre erfolgreiche Kommunal- und Tourismuspolitik – Aufzeichnungen von Dr. Heinz Schmitt, 1973–2007, S. 161.
  25. Karl-Heinz Forler: Partnerschaften: Die Stadt Deidesheim und ihre Partnergemeinden. Hrsg.: Stadt Deidesheim. Deidesheim 2002, S. 41.
  26. Rezension zu Schmitt, Geißbock, Wein ..., in: Informationen Volkskunde in Rheinland-Pfalz, Heft 16/2, 2001, S. 81–83.