Steuerzahlergedenktag

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Steuerzahlergedenktag (Tag des Steuerzahlers) ist ein vom Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) ausgerufener symbolischer Gedenktag. Es ist der Tag im Jahr, bis zu dem – nach Angaben des Vereins – der durchschnittliche Steuerzahler nur für die Steuern und Abgaben gearbeitet hat. Der diesem Tag ansonsten entsprechende, im angelsächsischen Bereich verbreitete Tax Freedom Day nutzt anders als sein deutsches Gegenstück als Vergleichsbasis statt des Volkseinkommens meist das größere Nettonationaleinkommen und kommt so zu niedrigeren Quoten bzw. früher im Jahr liegenden Stichtagen. Seit dem Jahr 2019 beruht der deutsche Steuerzahlergedenktag auf Haushaltsbefragungsdaten des Statistischen Bundesamts.[1]

Definition

Der Gedenktag soll die Höhe der Abgabenlast bewusst machen. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler hat jeder durchschnittliche Steuerzahler bis zu diesem Tag theoretisch nur für Steuern und Sozialabgaben gearbeitet; erst der Teil des Jahreseinkommens nach dem Gedenktag bleibt für den Steuerzahler selbst. Seit dem Jahr 2019 beruht der deutsche Steuerzahlergedenktag nicht mehr auf dem Volkseinkommen, sondern auf amtlichen Haushaltsbefragungsdaten des Statistischen Bundesamts.[1] Diese „Laufenden Wirtschaftsrechnungen“ (LWR) des Statistischen Bundesamts enthalten repräsentative Statistiken zu den Einkommen und Ausgaben der Privathaushalte.[2] Das Deutsche Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler rechnet diese LWR-Daten für das laufende Jahr hoch und prognostiziert auf Basis des im laufenden Jahr geltenden Steuer- und Sozialversicherungsrechts durchschnittliche Einkommensbelastungsquoten. Diese Quoten - umgerechnet auf die Zahl der Kalendertage des laufenden Jahres - ergeben dann den jeweiligen Steuerzahlergedenktag.[3] Alle fünf Jahre (zuletzt 2020) veröffentlicht das Statistische Bundesamt keine „Laufenden Wirtschaftsrechnungen“ (LWR), sondern stattdessen die „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ (EVS).[4] In jenen Jahren basiert der Steuerzahlergedenktag dann jeweils auf der EVS statt den LWR.[5]

Beispielsweise betrug demnach die „volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote“ 53,01 Prozent für das Jahr 2007. Der genaue Zeitpunkt des Steuerzahlergedenktags 2007 wurde daher auf den 13. Juli berechnet. Im Jahr 2022 beträgt die Einkommensbelastungsquote voraussichtlich 53,0 Prozent (13. Juli 2022).

Für die Schweiz wurde 2015 der 2. Juli zum Steuerzahlergedenktag erklärt, in Österreich wurde er 2014 am 12. August begangen.[6]

Kritik

Anders als bei der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bezieht sich die vom Bund der Steuerzahler lange Zeit ausgewiesene „volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote“ nicht auf das Bruttoinlandsprodukt, sondern auf das deutlich niedrigere Volkseinkommen. Es ist aber rechnerisch falsch, das Volkseinkommen als Bezugsgröße zugrundezulegen, denn dieses enthält nicht die indirekten Steuern, die im Nenner fehlen, während sie im Zähler enthalten sind.[7] Ebenso gehen in die Rechnung zum Steuerzahlergedenktag auch Steuern ein, die vom Staat selbst gezahlt werden (z. B. Mehrwertsteuer auf von staatlichen Einrichtungen gekaufte Produkte).[8] Daher ist die vom Steuerzahlerbund ausgewiesene Verhältniszahl eine unechte Quote und liegt erheblich über der volkswirtschaftlichen Steuer- und Abgabenquote, die 2006 in Deutschland 35,7 % betrug.[9] In die Rechnung werden auch Körperschaftsteuer und Grunderwerbsteuer einbezogen, also Posten, die die durchschnittlichen Arbeitnehmer kaum oder selten betreffen.[10]

Außerdem wird kritisiert, dass die Beiträge der Arbeitnehmer an die gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung „dem Staat“ zugeschlagen werden und sich die Arbeitnehmer bei einer hypothetischen Auflösung dieser beitragseinnehmenden Versicherungen das zugrunde liegende Risiko selbst adressieren müssten.[8] Zudem geben kritische Stimmen zu bedenken, dass es den durchschnittlichen Steuerzahler gar nicht gebe. Wegen der steuerlichen Progression bei hohen Einkommen falle der Tag auf ein späteres Datum, als er für die meisten Steuerzahlenden anzusetzen sei, und erwecke so den Eindruck einer sehr hohen Steuerbelastung. Ein Vergleich zwischen verschiedenen Staaten berücksichtigt nicht die Tatsache, dass die steuerfinanzierten Leistungen für den Bürger stark differieren. Es wird hierbei nur die Kostenseite betrachtet, die Nutzenseite wird ausgeblendet.[8] Darüber konzentriere sich das Konzept auf das Nettoeinkommen, zeige nur die Steuerbelastung auf und vernachlässige Kapitalgewinne.

Antwort des Bundes der Steuerzahler

Der Bund der Steuerzahler verweist auf eine Statistik der OECD, in ihrer jährlichen Publikation "Taxing Wages"[11] werden die Abgabenquoten in den einzelnen Industriestaaten miteinander verglichen und dabei zusätzlich zu den Steuern Sozialversicherungszahlungen berücksichtigt. Durch den im Jahr 2019 erfolgten Wechsel der statistischen Grundlagen des Steuerzahlergedenktags können nach Angaben des Bund der Steuerzahler neben der Durchschnittsquote aller betrachteten Privathaushalte auch die Durchschnittsquoten der Single-Haushalte sowie der Mehrpersonen-Haushalte separat ausgewiesen werden. Zudem können seit dem Jahr 2022 individuelle Belastungsquoten per Online-Rechner prognostiziert und mit postulierten Durchschnittswerten verglichen werden.[12]

Steuerzahlergedenktage in Deutschland

  • 1960: 1. Juni
  • 1970: 14. Juni
  • 1980: 9. Juni
  • 1990: 30. Juni
  • 1991: 30. Juni
  • 1997: 6. Juni
  • 1998: 3. Juni
  • 1999: 5. Juni
  • 2000: 3. Juni und 24. Juli
  • 2002: 23. Juli
  • 2003: 16. Juli
  • 2004: 15. Juli
  • 2005: 7. Juli
  • 2006: 5. Juli
  • 2007: 13. Juli
  • 2008: 8. Juli
  • 2009: 14. Juli
  • 2010: 4. Juli
  • 2011: 6. Juli
  • 2012: 8. Juli
  • 2013: 8. Juli
  • 2014: 8. Juli
  • 2015: 11. Juli[13]
  • 2016: 12. Juli
  • 2017: 19. Juli
  • 2018: 18. Juli
  • 2019: 15. Juli[1]
  • 2020: 9. Juli (Belastungsquote: 52,1 Prozent)[5]
  • 2021: 13. Juli (Belastungsquote: 52,9 Prozent)[14]
  • 2022: 13. Juli (Belastungsquote: 53,0 Prozent)[3]

Im Jahr 2000 rief der Bund der Steuerzahler nach neuen Berechnungen seinen Steuerzahlergedenktag zweimal aus.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Matthias Warneke: Steuerzahlergedenktag. In: Bund der Steuerzahler e.V. (Hrsg.): Der Steuerzahler. Nr. 7/8, 2019, S. 8–15 (steuerzahler.de [PDF]).
  2. Was beschreiben die Laufenden Wirtschaftsrechnungen?, auf destatis.de
  3. a b Warneke, Matthias: Steuerzahlergedenktag und Einkommensbelastungsquote 2022. Deutsches Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler e. V., 13. Juli 2022, abgerufen am 24. August 2022.
  4. Was beschreibt die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe?, auf destatis.de
  5. a b Warneke, Matthias: Steuerzahlergedenktag und Einkommensbelastungsquote 2020. Deutsches Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler e. V., 9. Juli 2020, abgerufen am 24. August 2022.
  6. Der 12. August ist Tax Freedom Day, Der Standard, 12. August 2014
  7. Stefan Bach: Unsere Steuern. Wer zahlt? Wie viel? Wofür?, Westend, Frankfurt/Main 2016. S. 147 f.
  8. a b c Stefan Bach: Steuerzahler: Die Tea Party lässt grüßen. In: zeit.de. 19. Juli 2017, abgerufen am 20. Juli 2017.
  9. OECD Revenue Statistics 2007
  10. Bund der Steuerzahler sucht neuen Kurs. Südwest Presse. 10. Juli 2012. Abgerufen am 21. Mai 2013.
  11. Taxing Wages. Abgerufen am 24. August 2022 (englisch).
  12. Steuerzahlergedenktag. Abgerufen am 24. August 2022.
  13. Der Steuerzahler: Was uns Bürgern übrig bleibt - Der Steuerzahlergedenktag 2015 war am 11. Juli, 07/08.2015, S. 180
  14. Warneke, Matthias: Steuerzahlergedenktag und Einkommensbelastungsquote 2021. Deutsches Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler e. V., 13. Juli 2021, abgerufen am 24. August 2022.