Bahnstrecke Bad Vilbel–Glauburg-Stockheim

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Stockheimer Lieschen)
Bad Vilbel–Glauburg-Stockheim
BR 218 mit Doppelstockwagen in der Büdesheimer Kurve
Verlauf der Niddertalbahn
Streckennummer (DB):3745
Kursbuchstrecke (DB):634
Streckenlänge:31 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Streckenklasse:C3
Höchstgeschwindigkeit:80 km/h
Zweigleisigkeit:
Oberwaldbahn von Lauterbach Nord
Lahn-Kinzig-Bahn von Gießen
31,0 Glauburg-Stockheim 131 m
Lahn-Kinzig-Bahn nach Gelnhausen
28,9 Glauburg-Glauberg
27,4 Enzheim (Hessen) (bis 1927/39?)
Nidder
26,0 Altenstadt-Lindheim
B 521
A 45
23,3 Altenstadt (Hess)
20,8 Altenstadt-Höchst
Nidder
19,0 Nidderau-Eichen (bis 1988 Bf)
BSicon dSTR2h+r.svgBSicon BS2lc.svgBSicon dBS2c3.svg
Strecke von Friedberg
BSicon BHF.svgBSicon BHF.svg
14,8 Nidderau 127 m
Strecke nach Hanau
Nidder
B 45
13,7 Nidderau-Windecken
Nidder
Büdesheimer Tunnel (200 m)
10,9 Schöneck-Büdesheim (bis 1999 Bf)
8,6 Schöneck-Kilianstädten
Nidder
Nidder
7,2 Schöneck-Oberdorfelden
6,1 Niederdorfelden
B 521
4,1 Bad Vilbel-Gronau
Nidda
Main-Weser-Bahn von Friedberg
0,0 Bad Vilbel 122 m
Main-Weser-Bahn nach Frankfurt

Quellen: [1][2]

Die Bahnstrecke Bad Vilbel–Glauburg-Stockheim, auch: Niddertalbahn, im Volksmund Stockheimer Lieschen genannt, ist eine Nebenbahn in Hessen. Sie verbindet die Main-Weser-Bahn in Bad Vilbel mit der Lahn-Kinzig-Bahn in Stockheim (Gemeinde Glauburg).

Sie wurde als Zulaufstrecke der heute als Oberwaldbahn bezeichneten Vogelsbergbahn zwischen Stockheim und Lauterbach auf dem Abschnitt Heldenbergen-Windecken (heute: Nidderau) – Stockheim am 1. Oktober 1905 sowie zwischen Vilbel Nord (heute: Bad Vilbel) und Heldenbergen-Windecken am 1. Juni 1907 eröffnet. Betreiber war die Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft.

Verlauf

Die eingleisige Strecke der Niddertalbahn zweigt im Bahnhof Bad Vilbel von der Main-Weser-Bahn ab und dreht kurz nach der nördlichen Ausfahrt nach Osten ab, überquert die Nidda und erreicht, ihr grob folgend, nach kurzer Fahrt den Haltepunkt Bad Vilbel-Gronau. Dort ist auch die Mündung des namensgebenden Flüsschens Nidder, dessen Verlauf flussaufwärts entlang die weitere Strecke führt. Nach der Ausweichstelle im Bahnhof Niederdorfelden wird zwischen den Sammelgemeinden Schöneck und Nidderau der ursprünglich kürzere und während der Umbauphase 2004 auf 200 Meter verlängerte Büdesheimer Tunnel durchfahren. Der originale Schlussstein des Tunnelportals mit den eingemeißelten Baujahren 1904–1906 wurde auf Seiten des ursprünglichen Bahnhofs Büdesheim als letztes verbliebenes Relikt des alten Tunnels aufgestellt. Direkt nach dem Tunnel wird das Naturschutzgebiet Nidderwiesen gequert und mit Windecken bald die Stadt Nidderau erreicht.

Nach einer kreuzungsfreien Unterquerung der Bahnstrecke Friedberg–Hanau besteht im Bahnhof Nidderau, der jahrzehntelang die Bezeichnung Heldenbergen-Windecken trug, häufig Anschluss an die Linie nach Friedberg und Hanau. Nach etwa zwei Kilometern Strecke durch Wald wird ein Überschwemmungsgebiet der Nidder auf einem niedrigen Damm gequert, um bei Eichen wieder den Wald zu erreichen. Nach einer Nidderquerung vor Höchst wird bald Altenstadt erreicht. Dort zweigte bis 1984 ein Industriegleis in die knapp vier Kilometer entfernte Waldsiedlung ab. Eine knappe Stunde nach Abfahrt in Bad Vilbel, nach einigen Wiesen und einer weiteren Nidderquerung, erreicht die Bahn schließlich Glauburg und im Ortsteil Stockheim am Bahnhof der Lahn-Kinzig-Bahn das Ende der Strecke. Hier besteht nun die Möglichkeit der Weiterfahrt Richtung Gießen oder in die Barbarossastadt Gelnhausen.

Ein wichtiger Verkehrsfaktor waren bis Anfang der 1990er Jahre die im November täglich verkehrenden „Rübenzüge“, mit deren Hilfe die Zuckerrüben der Region in die Zuckerfabrik Friedberg und nach deren Schließung 1981 nach Groß-Gerau transportiert wurden. Seit der Einstellung der Züge erfolgen diese Transporte auf der Straße per LKW.

Die Strecke ist zwischen den Endbahnhöfen 31 Kilometer lang. Die Streckenhöchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h. Im Verlauf kreuzen 35 Wege oder Straßen die Strecke, davon sind sechs Übergänge nach wie vor nicht technisch gesichert. Einer dieser Übergänge sollte aufgelassen werden, die Stadt Bad Vilbel wollte ihn jedoch behalten. Dort befindet sich nun eine Langsamfahrstelle mit 30 km/h.

Betrieb

Die Niddertalbahn war eine von drei in den Frankfurter Verkehrsverbund (FVV) integrierten, nicht als S-Bahn betriebenen Nahverkehrslinien und wurde als N-Bahn bezeichnet. Heute betreibt die DB Regio Mitte die Kursbuchstrecke 634 im Auftrag des FVV-Nachfolgers Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) als Linie 34. Fast alle Regionalbahnen werktags und etwa zwei Drittel samstags werden bis Frankfurt (Main) Hauptbahnhof geführt, die restlichen beginnen und enden in Bad Vilbel.

Seit dem 4. Mai 2008 existiert auch wieder ein Wochenendverkehr. Dafür wurde an diesem Tag die RMV-Buslinie 5150 (früher Bahnbus 650) zwischen Bad Vilbel und Nidderau komplett eingestellt. Zudem wurde mit dem Sommerfahrplan 2008 die Höchstgeschwindigkeit der Züge von 60 auf 80 km/h heraufgesetzt und der Takt auch werktags verkürzt. Der Vertrag mit der Deutschen Bahn AG läuft von diesem Zeitpunkt über 20 Jahre. Angaben des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des RMV gegenüber einer Lokalzeitung für den Wetteraukreis zufolge sollen zusätzliche 260.000 Zugkilometer auf der Strecke erbracht werden.

Anfang der 2000er-Jahre flossen Millionenbeträge in die Modernisierung der Strecke. So wurde der komplette Oberbau erneuert. Dabei wurden anstelle der hauptsächlich im Abbrennstumpfschweißverfahren recycelten Stahlschwellen (im kleineren Umfang auch Holz- und Betonschwellen) Y-Schwellen, Holzschwellen, Betonschwellen und Steinschwellen verbaut. Ferner wurden alle Haltepunkte sowie die Bahnsteige in den Bahnhöfen Nidderau und Stockheim neu gebaut und auf die Ausstiegshöhe der hier eingesetzten Doppelstockwagen von 76 Zentimetern erhöht. In Nidderau wurde zunächst nur der Bahnsteig der Niddertalbahn ausgebaut, der der Bahnstrecke Friedberg–Hanau wurde erst 2010 erneuert.

Zum 19. Oktober 2007 hat die Strecke ein elektronisches Stellwerk in Altenstadt mit zwei ausgelagerten Modulen in Niederdorfelden und Nidderau erhalten; vorher wurde die Technik in Niederdorfelden und Altenstadt noch mechanisch per Seilzug bedient. Zeitgleich wurden in beiden Bahnhöfen neue Gleise verlegt, neue Signale und neue Bahnsteige gebaut, wobei zur Verkürzung der Vollsperrung zunächst Behelfsbahnsteige angelegt wurden. Zugleich wurde in den Zwischenbahnhöfen von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt. Bis Frühling 2008 wurden die Modernisierungsarbeiten fortgesetzt. Die Streckengeschwindigkeit konnte nach Abschluss der gesamten Arbeiten angehoben werden.

Dennoch hat auf die Ausschreibung des Betriebes im Jahr 2010 zunächst kein Eisenbahnverkehrsunternehmen geboten. Erst nach Zugeständnissen des RMV erklärte sich die DB dazu bereit. Als Grund nennt der RMV die Kosten für das Vorhalten Diesellok-getriebener Doppelstock-Garnituren für die Spitzenlastzeiten und motiviert damit die Ausbaupläne.[3]

Die Strecke hat seit 1985 – als bereits über eine Stilllegung diskutiert wurde – eine Steigerung der Fahrgastzahlen um 330 % von 1800 auf 6000 pro Tag vorzuweisen; der erfolgte Ausbau dürfte sich auch weiterhin positiv auf die Passagierzahlen auswirken. So sind mit Stand 2015 täglich etwa 7000 Fahrgäste unterwegs.[4]

Fahrzeuge

Auf der Niddertalbahn verkehrten bis Ende der 1990er Jahre in der Hauptverkehrszeit mit Lokomotiven bespannte Züge und in Schwachverkehrszeiten Dieseltriebwagen.

Bis in die 50er Jahre kamen zweiachsige Wagen mit offenen Plattformen (Donnerbüchsen und MCi) zum Einsatz, danach bestimmten über Jahrzehnte dreiachsige Umbauwagen das Bild. Nach deren Ausmusterung bewältigte eine bunte Mischung vierachsiger Personenwagen den Verkehr, darunter auch D-Zug-Wagen mit Abteilen. Bis in die 1960er Jahre zogen hauptsächlich Dampflokomotiven der Baureihe 86 die Züge, wobei Lokomotiven der Baureihen 50 (mit Kabinentender), mit Vorlaufachse nachgerüstete G8 und P8 gelegentlich aushalfen. Danach übernahmen dieselhydraulische Loks mit Mittelführerstand (V100) bis diese von dieselhydraulischen Loks mit Endführerständen (Baureihen 216, 215 und 218) abgelöst wurden. Ergänzt wurden die lokbespannten Züge von dreiteiligen Uerdinger Schienenbusgarnituren, wobei der Motorwagen i. d. R. bergseitig fuhr. Ein Zugpaar mit dieser Garnitur fuhr von Stockheim über Heldenbergen-Windecken nach Hanau und zurück. Später übernahmen Triebwagen der Baureihe 628 deren Leistungen auf der Niddertalbahn. Seit 2002 werden mit Lokomotiven der Baureihe 218 bespannte Doppelstockwagen eingesetzt, teilweise auch n-Wagen. Seit Jahresanfang 2006 pendelte eine Garnitur der Baureihe 628 in der Nebenverkehrszeit als Ersatz eines aus 218 und n-Wagen bestehenden Zuges zwischen Stockheim und Bad Vilbel.

Im Dezember 2012 wurde der größte Teil der Verkehrsleistungen auf Dieseltriebwagen der DB-Baureihe 642, meist in Doppeltraktion oder Dreifachtraktion, umgestellt. Die übrig gebliebenen vier Verkehrsleistungen fuhren mit Baureihe 218 und Doppelstockwagen weiter.

Zum Fahrplanwechsel Dezember 2014 wurden die Diesellokomotiven der Baureihe 218 durch Exemplare der Baureihe 245 ersetzt.[5]

Besonderheiten

In den Abendstunden beginnen zwei Züge der Niddertalbahn in Frankfurt (Main) Hauptbahnhof als zusammengefasste Linie 34/48 und werden in Bad Vilbel geflügelt. Während der vordere Teil des Zuges die Strecke nach Stockheim befährt, wird der hintere Zugteil über Friedberg (Hessen) nach Nidda weitergeführt. Da dieser Verbund nur dann funktioniert, wenn die beiden Lokomotiven ganz vorne und ganz hinten platziert sind, verkehrt der Stockheimer Teil „Lok voraus“. Auf dieser Fahrt wird der fünfte Wagen abgeriegelt, da dieser vom Rhein-Main Verkehrsverbund nur auf der morgendlichen Fahrt nach Frankfurt bestellt ist.

Zu Dampflokzeiten verkehrten bei entsprechenden Schneelagen Sonderzüge, die Skifahrer und Wintersportler aus Frankfurt über die Niddertalbahn in den Vogelsberg nach Hartmannshain und zurück beförderten.

Ausbaupläne

Der RMV plant auf Druck der Anrainergemeinden und -kreise den Ausbau der Strecke. Durch Elektrifizierung soll der derzeitige kostenintensive Inselbetrieb mit Dieseltriebwagen bzw. Diesellok-bespannten Doppelstockzügen rechtzeitig zur Neuvergabe des Betriebes im Jahr 2028 der Vergangenheit angehören. Parallel soll durch punktuelle Ausbaumaßnahmen (Kreuzungsbahnhöfe, zweigleisige Abschnitte) die weitere Verdichtung des Taktes ermöglicht werden. Aufgrund der Machbarkeitsstudie wurde beschlossen, dass die Abschnitte Büdesheim – Kilianstädten und Altenstadt – Höchst zweigleisig ausgebaut, die Strecke elektrifiziert und die Höchstgeschwindigkeit angehoben werden soll, damit eine Verdichtung des Taktes möglich ist. Das Land Hessen übernimmt die Planungskosten in Höhe von 11,8 Millionen Euro für den Ausbau und die Elektrifizierung der Niddertalbahn. Bis Mitte 2021 soll der Zeitplan für die Arbeiten stehen, danach beginnen die Ausschreibungen.[6]

Trivia

Seinen landläufigen Namen verdankt das Stockheimer Lieschen der früheren Bahnhofsgaststätte in Stockheim, wo Reisende wie Bahnbedienstete gleichermaßen gerne bei Wirtin Liesel Brand einkehrten. Zunächst unter Bahnern, bald auch unter der Bevölkerung wurde die Fahrt „zum Lieschen“ nach Stockheim zum geflügelten Wort.

Nach langen Jahren des Verfalls wurde das Bahnhofsgebäude 2006 verkauft und in Teilen saniert. Die Bahnhofsgaststätte ist modernisiert und als Bistro wiedereröffnet worden, in den ehemaligen Diensträumen des Bahnhofes kann eine Modellbahnanlage mit einer Darstellung des südlichen Teils der ehemaligen Vogelsbergbahn zwischen Stockheim und Ober-Seemen im Zeitrahmen der Epochen (Modelleisenbahn)#Epoche III von etwa 1945 bis etwa 1970 besichtigt werden.

2006 und 2007 pendelten zum 100-jährigen Jubiläum der Streckenabschnitte ein mit einer Dampflokomotive bespannter Sonderzug der Museumsbahn Hanau sowie 2007 zusätzlich ein kostenloser Personenzug mit Doppelstockwagen sowie eine vierteilige Garnitur Uerdinger Schienenbusse der Oberhessischen Eisenbahnfreunde. Auch zur Abschlussfeier der Modernisierung pendelte ein Sonderzug einmal, und die Benutzung der Planzüge war kostenlos.

Literatur

  • Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Eisenbahn in Hessen. Eisenbahnenbauten und -strecken 1839–1939, 1. Auflage. Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1917-6.
    • Bd. 2.2, S. 906ff (Strecke 095) „Niddertalbahn (I)“
    • Bd. 2.2, S. 936ff (Strecke 099) „Niddertalbahn (II)“
  • Jürgen Röhrig, Stefan Klöppel: 150 Jahre Oberhessische Eisenbahnen. ArGe Drehscheibe e.V., Köln 2020, ISBN 978-3-929082-38-8, S. 227–232.

Weblinks

Commons: Niddertalbahn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. DB Netze - Infrastrukturregister
  2. Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
  3. Bad Vilbeler Neue Presse (Hrsg.): RMV plant Ausbau der Strecke: Niddertalbahn soll bald elektrisch fahren. RMV plant Ausbau der Strecke: Niddertalbahn soll bald elektrisch fahren (Memento vom 2. September 2016 im Internet Archive)
  4. Jochen Dietz: Main-Kinzig/Wetterau – Aufbruchsignal fürs „Lieschen“. In: FR-Online. Frankfurter Rundschau GmbH, 12. Juli 2015, abgerufen am 11. Mai 2016.
  5. NN: DB-Baureihe 245 auch in Hessen im Einsatz. In: Eisenbahn-Revue International 3/2015, S. 145.
  6. Wetterauer Zeitung: Niddertalbahn: Ausbau startet. Mittelhessische Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG, 24. November 2020, abgerufen am 18. Januar 2021.