Anna Strohsahl

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Anna Strohsahl, ca. 1905
Anna Strohsahl, ca. 1905
Anna Strohsahl 1950 mit Enkel Götz Strömsdörfer

Anna Emilie Strohsahl, geb. Franze (* 2. Oktober 1885 in Seifhennersdorf; † 1. Januar 1953 in Cuxhaven), war eine deutsche Politikerin (SPD) und die erste Ratsfrau im Cuxhavener Stadtparlament. Aus Protest gegen die Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ sie im Mai 1933 mit der gesamten SPD-Fraktion den Rat.

Leben

Anna Franze kam als Tochter des Maurers Ernst Wilhelm Franze und der Weberin Christiane Auguste Franze am 2. Oktober 1885 in Seifhennersdorf in der Oberlausitz zur Welt. Ohne höhere Schul- oder Berufsausbildung arbeitete sie zunächst als Hausmädchen in Zittau, Bayern und Hamburg, bevor sie 1907 nach Cuxhaven kam.[1] Am 3. Juli 1914 heiratete sie den Buchdrucker John Eduard Strohsahl.[2] Aus der Ehe gingen die Töchter Ruth (1915), Erika (1917) und Sonja (1927, starb kurz nach der Geburt) hervor.[1]

Politische Anfänge

Anna Strohsahls politisches Engagement begann nach dem Ersten Weltkrieg. Ihr Mann war Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung Alte Liebe, für die sie später ebenfalls Beiträge schrieb. Zusammen mit anderen Sozialdemokratinnen gründete sie am 23. April 1920 die Cuxhavener Frauengruppe der SPD, deren 1. Vorsitzende sie am 2. Juni 1921 wurde.[3]

Bürgervertretung und Rat

Anna Strohsahl wurde bei der Stadtvertreterwahl am 2. März 1924 in die Cuxhavener Bürgervertretung gewählt. Damit waren sie und Olga Geerken (DDP) die einzigen Frauen des Gremiums.[4] Anna Strohsahl wurde in den Schulvorstand, den Fortbildungsschulausschuss und in das Wohlfahrtsamt gewählt.[5] Sie engagierte sich für die Schulausbildung von Arbeiterkindern und die Unterstützung von Rentnern, Arbeitslosen und Obdachlosen. Im gleichen Jahr wurde sie zur Delegierten im Bezirksfürsorgeverband bestimmt, 1925 folgte die Wahl in das Wohnungsamt.[6] Im Frühjahr 1927 verließ sie die Bürgervertretung, wurde aber am 23. Oktober 1927 als einzige Frau erneut gewählt.[7][8] Erneut wurde sie in den Bezirksfürsorgeverband gewählt.[9] Anna Strohsahl forderte mehr politisches Engagement der Frauen. In einem Artikel schrieb sie: „Auch die weiblichen Wähler müssen es sich angewöhnen, die Tätigkeit der Vertreter in den Parlamenten zu verfolgen.“[10] Nach der Stadtvertreterwahl am 19. Oktober 1930 zog sie wieder als einzige Frau in die Bürgervertretung ein. In der Sitzung am 31. Oktober 1930 wurde sie zur ersten und einzigen Ratsfrau im Cuxhavener Stadtparlament gewählt.[11][4] Sie wurde als Vertreterin ins Jugendamt gewählt.[12] Als der Rat 1931 „Reinmachefrauen in den Schulen, deren Männer ein auskömmliches Einkommen haben“ als „Doppelverdiener“ entließ, erklärte sich Anna Strohsahl als einziges Ratsmitglied gegen die Entlassung.[13] Am 3. September 1931 trat sie aus der evangelisch-lutherischen Kirche aus.[14]

Politische Arbeit nach dem 30. Januar 1933

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Arbeit der Cuxhavener Sozialdemokraten erschwert. Mit der Begründung, Rat und Stadtvertretung entsprächen „in ihrer Zusammensetzung nicht mehr dem Willen der Bevölkerung“, beurlaubte die NSDAP den gewählten Bürgermeister Werner Grube (DVP), der nun von Baurat Schätzler (NSDAP) kommissarisch vertreten wurde.[15] Am 9. Mai 1933 wurden die Ratsmitglieder der SPD aus sämtlichen Ausschuss-Vorsitzen entfernt. Anna Strohsahl erklärte daraufhin, dass es „wohl nicht der Sinn der Gleichschaltung sei, die Linke, die 4000 Wähler vertrete, ganz von der Mitarbeit auszuschließen“.[16] Der Rat beschloss am 19. Mai 1933, die Aufwandsentschädigung von 50 Reichsmark zukünftig nur noch Ratsmännern zu zahlen, die ein Ressort leiten.[17] In der Sitzung der Stadtvertreter erklärte Ratsmann Morisse, dass man auf die Mitarbeit der Sozialdemokraten keinen Wert mehr lege: „Sie haben hier weiter nichts zu tun als sich zu schämen und zu schweigen.“[18] Daraufhin verließen Anna Strohsahl und die gesamte SPD-Fraktion die Stadtvertretung. Nach dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933 endete ihre politische Arbeit vorerst.[19] Auch die persönliche Situation der Familie Strohsahl verschlechterte sich, Schikane-Kontrollen durch die Nationalsozialisten häuften sich. Die Oberschulbehörde Hamburg änderte nachträglich die bestandene Abitur-Prüfung ihrer Tochter Ruth von „gut“ in „mangelhaft“, woraufhin diese nach England floh.[20] Seit dem Verbot der „Alten Liebe“ am 16. März 1933 war John Strohsahl arbeitslos.[21] Anna Strohsahl ernährte die Familie bis Ende des Zweiten Weltkriegs als Haushaltshilfe und Näherin.[8]

Nachkriegszeit und Tod

Am 22. November 1945 beauftragte die Britische Militärregierung Anna Strohsahl und 29 andere unbelastete Stadtvertreter, die Leitung Cuxhavens bis zu den freien Wahlen am 13. Oktober 1946 zu übernehmen. Wieder engagierte sie sich im Wohlfahrtsamt, im Schulausschuss sowie ab Juni 1946 im Bau- und Wohnungsausschuss.[22] Am 29. Oktober 1948 wurde Anna Strohsahl formal entnazifiziert.[23] Durch lange Krankheit war eine politische Arbeit nach 1946 nicht mehr möglich. Am 1. Januar 1953 starb Anna Strohsahl.

Literatur

  • Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000.
  • Hans-Jürgen Kahle: Die Arbeiterbewegung in Cuxhaven 1918–1933. Wilhelm-Heidsiek-Verlag: Cuxhaven 1991, ISBN 978-3-93545-903-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000, S. 33.
  2. Standesamt der Gemeinde Seifhennersdorf: Heiratsurkunde Nr. 24/1914, 29. Januar 1953.
  3. Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000, S. 34.
  4. a b Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000, S. 11.
  5. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Montag, den 10. März 1924, abends 6 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 3–4.
  6. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Donnerstag, den 18. September 1924, abends 8 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 6.
    Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am 10. Oktober 1925, abends 6 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 5.
  7. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Freitag, dem 4. März 1927, abends 8 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 5.
  8. a b Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000, S. 37.
  9. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Freitag, dem 4. November 1927, abends 8 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 3.
  10. Anna Strohsahl: Frau und Presse. In: Alte Liebe. Jubiläums-Ausgabe zum 70-jährigen Bestehen. Cuxhaven 1. Dezember 1929.
  11. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Freitag, dem 31. Oktober 1930, 20 Uhr, im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 7.
  12. Protokoll Ratssitzung am Montag, den 3. November 1930, 10 Uhr, im Rathaus, Zimmer 7, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 4.
  13. Protokoll Ratssitzung am Montag, den 27. Juli 1931, 15 1/2 Uhr, im Rathaus, Zimmer 7, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 5.
    Protokoll Ratssitzung am Donnerstag, dem 15. Oktober 1931, 15 1/2 Uhr, im Rathaus, Zimmer 10, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 3.
  14. Hamburgisches Standesamt Nr. 18: Kirchenaustrittsbescheinigung Anna Strohsahl, 3. September 1931.
  15. Protokoll Ratssitzung am Freitag, dem 10. März 1933, 16 Uhr, im Rathaus, Zimmer 22, Stadtarchiv Cuxhaven
    Protokoll Ratssitzung am Montag, dem 20. März 1933, 16 Uhr, im Rathaus, Zimmer 22, Stadtarchiv Cuxhaven
  16. Protokoll Ratssitzung am Dienstag, dem 9. Mai 1933, 16 Uhr, im Rathaus, Zimmer 22, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 2.
  17. Protokoll Ratssitzung am Freitag, dem 19. Mai 1933, 17 Uhr, im Rathaus, Zimmer 22, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 3.
  18. Protokoll Öffentliche Sitzung der Stadtvertretung am Freitag, dem 26. Mai 1933, 20 Uhr, im Rathaus, Sitzungssaal, Stadtarchiv Cuxhaven, S. 2.
  19. 22.06.1933: Faktisches Verbot der SPD. Friedrich-Ebert-Stiftung, abgerufen am 14. Januar 2017.
  20. Ruth Arndt: A Teenager in Nazi Germany. In: Gymnasium Abendrothstraße Cuxhaven (Hrsg.): Mitteilungen 1983. Cuxhaven 1983, S. 109–112.
  21. Engagiert im Sozialen. Anna Strohsahl (1885–1953), Ratsfrau der „ersten Stunde“. In: Cuxhavener Nachrichten. Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft, Cuxhaven 3. Juli 1999, S. 8.
  22. Stadt Cuxhaven, Der Oberstadtdirektor, Frauenbeauftragte (Hrsg.): Powerfrauen Frauenpower. Ratsfrauen in der Stadt Cuxhaven seit 1919. Cuxhaven 2000, S. 37, 39.
  23. Der öffentliche Kläger bei dem Entnazifizierungs-Hauptausschuß der Stadt Cuxhaven: Bescheid VE 1320/48 C, 29. Oktober 1948.