Synagoge (Gersheim)

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Ehemalige Synagoge: Giebel und Seite

Die ehemalige Synagoge von Gersheim befindet sich in der Ludwigstraße 8 in Gersheim. Sie ist heute ein Wohnhaus. Das 1889/1890 erbaute Gebäude steht seit 2003 unter Denkmalschutz.[1]

Geschichte

Ehemalige Synagoge: Seitenansicht

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Gersheim einen Betsaal für die jüdische Gemeinde. Nachdem die Gemeinde 1885 den Status einer eigenen Kultusgemeinde erhalten hatte, wurde 1889/1890 eine eigene Synagoge mit Religionsschule errichtet. Die für den Bau erforderlichen Mittel wurden durch die Gemeindemitglieder aufgebracht. Die feierliche Einweihung fand am 13. und 14. Juni 1890 statt.[2] Die Nutzung für Gottesdienste wurde bereits 1908, aufgrund der stark zurückgegangen Gemeindemitgliederzahl, eingestellt. Dies führte dazu, dass die Kultusgemeinde 1917 aufgelöst wurde. Zu diesem Zeitpunkt war über die weitere Verwendung der Synagoge noch nicht entschieden worden. 1919 übernahm ein Maurermeister die ehemalige Synagoge. Der Kaufpreis betrug 1800 Mark. Seither wird sie als Wohnhaus genutzt. 1965 wurden umfangreiche Umbaumaßnahmen am Gebäude vorgenommen. Durch die baulichen Veränderungen (Fassade verkleidet, Fenster und Eingänge teilweise baulich verändert, Anbau etc.) ist von dem ursprünglichen Aussehen der Synagoge heute fast nichts mehr zu erkennen. Einzig die Rundbogenform einiger der Fenster wurde erhalten und ist heute noch zu sehen. Möglich war dieser Umbau, da das Gebäude erst 2003 unter Denkmalschutz gestellt wurde.[3][4][5]

Jüdische Gemeinde Gersheim

Die Ansiedlung jüdischer Familien ab dem 17. Jahrhundert geht auf die Erlaubnis der Grafen von der Leyen für das Oberamt Blieskastel (zu dem Gersheim gehörte) zurück. Diese hatten zahlreiche Verordnungen zum Zusammenleben von Juden und Christen erlassen und den jüdischen Schutz-Familien, im Gegensatz zu anderen Grundherrschaften, auch Privilegien eingeräumt. So durften Juden Häuser, Ställe, Scheunen und Gärten erwerben, ohne einem besonderen Abtrieb unterworfen zu sein. Dies bedeutete, dass es sich um gesichertes Eigentum handelte. Zudem durften sie jährlich 20 Stück Großvieh schlachten. Ebenso wurde ein sogenannter Judenschultheiß ernannt, der bei Streitigkeiten zwischen der Obrigkeit und Mitgliedern der jüdischen Gemeinde vermittelte.[6][3] Bis die Gemeinde 1885 den Staus einer eigenen Kultusgemeinde erhielt, wurden die Einrichtungen der Kultusgemeinde Blieskastel genutzt. Die Beisetzungen erfolgten aber weiterhin auf dem jüdischen Friedhof in Blieskastel. 1893[7] und 1894[8] wurde ein eigener Religionslehrer, Schächter, Vorbeter und Kantor gesucht und für einige wenige Jahre angestellt. Eine Besonderheit ist der Umstand, dass im Jahre 1834 in Gersheim 20 Mitglieder der benachbarten jüdischen Kultusgemeinde Bliesbruck ansässig waren. Das hatte zur Folge, dass der Vorbeter von Bliesbruck kein Gehalt vom französischen Staat erhielt.[9] Bis ca. 1900 hatte die Gemeinde ca. 30 Mitglieder. Dann setzte, wie auch im benachbarten Blieskastel, ein starker Wegzug ein, der dazu führte, dass ab 1908 kein Gottesdienst mehr abgehalten wurde. 1917 wurde die Gemeinde dann aufgelöst. Im Jahr 1935 wurden noch sechs Einwohner jüdischen Glaubens in Gersheim gezählt.[5]

In der Zeit von 1920 bis 1935 befand sich das Saargebiet aufgrund der Versailler Verträge unter der Verwaltung des Völkerbundes. Da durch die Regierungskommission des Saargebietes nach der Machtergreifung Hitlers 1933 ähnliche Ausschreitungen wie im Deutschen Reich befürchtet wurden, erging an die Polizeibehörden der Erlass, jüdische Bürger, deren Eigentum und deren Einrichtungen zu schützen. Nach dem Volksentscheid 1935 wurde das Saargebiet an das Deutsche Reich angegliedert. Damit begann auch hier die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung.[3]

Folgende in Gersheim geborene Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft wurden während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet:[10][11]

Name Vorname Todeszeitpunkt Alter Ort des Todes Bemerkung Quellen
Wust Charles[Anmerkung 1] 16. Juli 1942 44 Konzentrationslager Dachau, Deutschland Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 7703671)
Weill Jules 27. März 1944 57 Konzentrationslager Auschwitz, Polen Deportation vom Durchgangslager Drancy (Frankreich) nach Auschwitz A) Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11652017)

B) Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland

Löb Joseph[Anmerkung 2] 1. Mai 1941 58 Internierungslager Recebedou, Frankreich Deportation von Belgien ins Internierungslager Saint Cyprien (Frankreich). 22. Oktober 1940 Verlegung in das Internierungslager Recebedou (Frankreich) A) Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 3199660)

B) Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland

Löb Simon 10. November 1938 64 Nürnberg, Deutschland Getötet durch Mitglieder der SA in der Reichspogromnacht A) Yad Vashem (Datenbank, Datensatz Nr. 11582291)

B) Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland

Israel Marguerite 13. April 1944 47 Konzentrationslager Auschwitz, Polen Deportation vom Durchgangslager Drancy (Frankreich) nach Auschwitz Gedenkbuch für die Opfer der NS-Judenverfolgung in Deutschland
  1. Der Name auf dem Stolperstein in Gersheim lautet Karl Wust. Charles ist die französische Form von Karl. In der Datenbank von Yad Vashem wird Karl Wust als Charles Wust geführt. Nicht nachprüfbar ist, ob er sich den Namen bei seiner Flucht nach Frankreich selbst zugelegt hat oder ob er ihn durch die franz. Behörden erhielt.
  2. Der Name auf dem Stolperstein in Gersheim lautet Josef Löb. Sowohl in der Datenbank von Yad Vashem, als auch im Onlineversion des Gedenkbuches für die Opfer der NS-Judenverfolgung wird Josef Löb als Joseph Löb geführt. Das namensgebende hebräische Wort für Josef und Joseph ist jasaf. Beide Namen sind eine untereinander gebräuchliche Form. Nicht nachprüfbar ist, ob er sich den Namen bei seiner Flucht selbst zugelegt hat oder ob er ihn durch die französischen oder belgischen Behörden erhielt.

Stolpersteine

Am 9. April 2011 verlegte der Künstler Gunter Demnig in Gersheim zwei Stolpersteine zum Gedenken an die Brüder Simon und Josef Löb in der Hauptstraße 22 sowie einen in der Hauptstraße 40 zum Gedenken an Karl Wust.[12]

Einzelnachweise

  1. Teildenkmalliste Saarpfalz-Kreis (PDF). Auf: www.saarland.de, abgerufen am 22. September 2018
  2. Der Israelit: ein Centralorgan für das orthodoxe Judenthum. Komplettausgabe Heft 49 vom 23. September 1890 (PDF-Download) – Artikel auf Seite 890 – auf: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de, abgerufen am 22. September 2018
  3. a b c Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde im deutschen Sprachraum – Blieskastel. Auf: www.jüdische-gemeinden.de, abgerufen am 22. September 2018
  4. Jüdische Kultusgemeinschaft der Rheinpfalz. Auf: www.jkgrp.de, abgerufen am 22. September 2018
  5. a b Gersheim (Saar-Pfalz-Kreis) Jüdische Geschichte / Synagoge Auf: www.alemannia-judaica.de, abgerufen am 22. September 2018
  6. Cilli Kasper-Holtkotte: Juden im Aufbruch: Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800 (Forschungen zur Geschichte der Juden: Abt. A, Abhandlungen; Bd. 3). Verlag Hahnsche Buchhandlung Hannover, 1996, Seite 72, ISBN 3-7752-5612-1
  7. Der Israelit: ein Centralorgan für das orthodoxe Judenthum, Komplettausgabe Heft 58 vom 20. Juli 1893 (PDF-Download) – Anzeige auf Seite 1121 – auf: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de, abgerufen am 22. September 2018
  8. Der Israelit: ein Centralorgan für das orthodoxe Judenthum, Komplettausgabe Heft 61 vom 2. August 1894 (PDF-Download) – Anzeige auf Seite 1142 – auf: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de, abgerufen am 22. September 2018
  9. Das religiöse Leben der jüdischen Gemeinde in Lothringen und der preußischen Rheinprovinz im 19. Jahrhundert. Auf: www.europa.clio-online.de, abgerufen am 22. September 2018
  10. Namensverzeichnis der Onlineversion des Gedenkbuches für die Opfer der NS-Judenverfolgung. Auf: www.bundesarchiv.de, abgerufen am 22. September 2018
  11. Yad Vashem – Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer. Auf: yvng.yadvashem.org, abgerufen am 22. September 2018
  12. "Stolpersteine" in Gersheim erinnern an Opfer der Nazi-Zeit. Auf: www.saarbruecker-zeitung.de, abgerufen am 22. September 2018