Synchromethode

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Die Synchromethode (kurz: SM, auch „Schlüssel“ genannt) ist eine selbstregulative körperlich-mentale Technik. Sie gilt als eine leicht erlernbare Kurzentspannungstechnik auf der Basis der bifokalen Achtsamkeit und zugleich als Mentaltraining sowie eine Art Meditation in Bewegung.

Ursprünglich wurde sie 1981–1983 zwecks Optimierung der menschlichen Ressourcen durch verbesserte Anpassung an extreme Arbeitsbedingungen und an die Schwerelosigkeit für Weltraumfahrer beim Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrum in Moskau (UdSSR) vom Psychiater Hasai Aliev entwickelt und später für die allgemeine Anwendung adaptiert.

Das Besondere der Technik ist, dass man den Zustand zuverlässig, schnell und effizient mithilfe von gleichzeitigen bewussten mentalen und einfachen körperlichen Handlungen steuern kann. Das achtsame Modellieren von instinktiven individuellen Bewegungen, die man z. B. bei einer aufregenden Aufgabe macht, baut den Stresspegel ab und optimiert den Zustand. Dieses Modellieren stimuliert die Synchronisierungsprozesse des Gehirns und die Selbstregulation. Durch Anwendung von SM fördert man mühelos Stressabbau und -prävention, Regeneration, Selbstheilung von stressbedingten Gesundheitsstörungen, Ausdauer, Resilienz, Burnout-Prävention, mentale Stärke, Emotion- und Aufmerksamkeitsregulation, Lern- und Leistungsprozesse, Motivation, Kreativität und gewünschte Verhaltensänderungen.

Grundlagen

Die SM ist EMDR ähnlich und gehört auch zu den bifokalen multisensorischen Techniken. Man nimmt an, die afferenten Impulse des Vestibularsystems, des optischen Apparats und der Propriozeption könnten die Gehirnstimulation bei SM begünstigen.[1] Forscher vermuten, dass diese Techniken die integrativen selbstregulativen Fasern im Corpus callosum stärken. Das fördert die Regulation der Emotionen, der Aufmerksamkeit, der Gedanken, des Verhaltens und der sozialen Funktionen.[2]

Forschungen zeigen, dass rhythmische Bewegungen wie Schaukeln, Zappeln u. Ä. eine regulative Wirkung auf die Psyche haben.[3][4] H. Aliev hat festgestellt, dass Menschen den Rhythmus dieser Bewegungen dem Erregungsgrad unbewusst anpassen. Beim Modellieren dieser Synchronisierung wird die Anpassungsfähigkeit trainiert, d. h. man reguliert den Zustand bewusst.[5] Die angewendete Bifokalität ist eine hocheffiziente Art der emotionalen Selbstregulation.[6]

Die modellierende Handlung entlastet die Psyche und entspannt bei der Übererregung. So entsteht der neutrale „Null-Zustand“, der H. Aliev zufolge analog dem Leerlauf im Getriebe ein Übergang zwischen den funktionellen Zuständen ist. Dabei empfindet man wohliges Loslassen, angenehme meditative Leere und Leichtigkeit. Es wirkt erholsam sowie gesundheits- und kreativitätsfördernd.[1] Der „Null-Zustand“ korreliert mit dem Begriff „Ruhestandartnetzwerk“.[7]

Die Steuerung von Zuständen ist auf der Dominanten-Lehre aufgebaut. Im „Null-Zustand“ erfolgt die Umstrukturierung von Dominanten – neuronalen Netzwerken. Das dominierende Netzwerk (z. B. eine belastende Stress-Dominante) wird entmachtet und stattdessen das angestrebte (z. B. leistungssteigernde) Netzwerk durch die mentale Einstellung aktiviert. Dabei trainiert man das Umschalten von dem unkontrollierten Stress-Fokus auf den unfokussierten „Null-Zustand“ und dann auf eine gewünschte Fokussierung.[8] Der dadurch optimierte körperlich-mentale Zustand ermöglicht bessere Konzentration auf beliebige Tätigkeiten und den leichteren Zugang zum Flow.[9]

Neben den ideomotorischen Übungen zu Stressabbau und -prävention beinhaltet die SM eine spezielle fünfminütige Übungsgruppe „Synchrogymnastik“. Bei anspruchsvollen und stressigen Aufgaben rekrutiert man damit innere Ressourcen: bleibt in einer guten körperlich-geistigen Verfassung, löst Blockaden und Verkrampfungen, stärkt das Selbstvertrauen, stimuliert mentale Stärke und minimiert menschliche Fehler.[10]

Die SM benötigt minimalen Lernaufwand. In einer Studie wurde ihre stressreduzierende Wirkung mit der von der Progressiven Muskelentspannung verglichen und die Überlegenheit der SM in puncto schnelleres Lernen bestätigt.[11] Der Grund dafür ist, dass man bei SM trainiert individuelle selbstregulative Automatismen aufzuspüren, während man bei den anderen Techniken Übungen in einer festgelegten Reihenfolge solange macht, bis sie zu Automatismen werden. Die zuverlässige Wirkung beim Stress sichert das Training unter üblichen Bedingungen bevorzugt im Stehen.[12]

Anwendung

Die SM wurde beim Juri-Gagarin-Kosmonautentrainingszentrum in Moskau 1981–1983 von H.Aliev entwickelt mit dem Ziel, die Vorbereitung von Weltraumfahrern zu verbessern. Danach fand sie Anwendung in der Wirtschaft, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen und die menschlichen Fehler bei der Bedienung der Technik zu verringern (z. B. bei Stromversorgung) sowie zum Stressabbau bei Managern.[13] Die Anwendung SM wurde in zahlreichen Studien erforscht, etwa als Mittel zu Konzentrationssteigerung, Ressourcenmodulation, Rehabilitation usw.[11][1]

Sie wird in der Medizin angewandt, z. B. bei der Vorbereitung vor Augenoperationen, in der HNO-Heilkunde u. Ä. 1987 empfahl das Gesundheitsministerium der UdSSR die Methode als Mittel der Wahl zu Stressabbau und -prävention, psychophysiologischer Rehabilitation, Behandlung von neurotischen und psychosomatischen Störungen sowie als Zusatzmodul zur Optimierung von Lern- und Trainingsprozessen.[13] Die Innovation wurde patentiert.[14]

Die SM wurde beim zweiten Experiment „Mars-500“ benutzt.[5] Sie fand Anwendung beim Katastrophenschutz, etwa bei der Schulung des Rettungspersonals vor dem Einsatz in dem gesunkenem Atom-U-Boot „K-141-Kursk“.[11] 2004 hat eine Katastrophenschutz-Schulung im Rahmen des NATO-Programms „Partnerschaft für den Frieden“ stattgefunden.[13]

Die SM wurde bei den Kriseninterventionen nach Terroranschlägen am Anfang der 2000er eingesetzt. Dessen Opfer wurden damit vom akuten Stress in Kislar, Kaspijsk, Essentuki, Moskau und anderen Orten behandelt. Einfache monotone Bewegungen rufen keinen Widerstand hervor, sie stimulieren schnelle Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen und emotionale Regulation. Das erlaubt nach kurzer Zeit den Zugang zu den verschlossenen Personen, die über Erlebtes nicht sprechen wollen.[11][1]

1999 wurde das Buch „Woraus schöpft man die Kraft für den Erfolg?“ mit Video-Anleitung zum Selbstlernen der SM in Moskau herausgegeben und gratis verbreitet, um die Bevölkerung bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise zu unterstützen.[15] Die Synchrogymnastik ist in den Sportunterricht des staatlichen Schulprogramms integriert.[16]

Die SM wurde beim vom IIAS organisierten II Weltsymposium für Informatik, Kybernetik und Systemforschungen in Baden-Baden 1989 für ihren einfachen Lernprozess, schnelle Ergebnissicherung und universelle Einsetzbarkeit anerkannt.[17]

Die SM ist bei einigen psychischen Störungen kontraindiziert.

Einzelnachweise

  1. a b c d Tamara Kunze, Hassai Aliev: Katastrophen "im Leerlauf" bewältigen: ASSURE. Ein russisches, körperorientiertes Entspannungsverfahren. In: Psychodynamische Psychotherapie, Band 1, Schattauer, Stuttgart, 2006, ISSN=1618-7830
  2. Eva Pollani: Hypnose - Ego-State-Therapie - Eye Movement Integration: Drei wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeiten in der Traumatherapie. In: Michael Bohne, Matthias Ohler, Gunther Schmidt, Bernhard Trenkle (Hrsg.): Reden reicht nicht!? 1. Auflage. Carl-Auer, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8497-0098-0, S. 162.
  3. https://www.welt.de/print/die_welt/wissen/article13832445/Schaukeln-ist-Magie-und-Medizin.html
  4. https://theconversation.com/popping-toys-the-latest-fidget-craze-might-reduce-stress-for-adults-and-children-alike-158746
  5. a b Hasai Aliev: Metod "Klüch" ot komnaty straha tvoego mozga. Zastavj stress rabotatj na tebja. AST, Moskva 2021, ISBN 978-5-17-126780-3, S. 49–53 (russisch).
  6. Dirk Eilert: Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt. Junfermann Verlag GmbH, 2021, ISBN 978-3-7495-0131-1, S. 473.
  7. Hasai Aliev: Novye priemy metoda "Klüch": belye storony chernoj dyry straha". AST, Moskva 2022, ISBN 978-5-17-146455-4, S. 188 (russisch).
  8. Hasai Aliev: Metod "Klüch" ot komnaty straha tvoego mozga. Zastavj stress rabotatj na tebja. AST, Moskva 2021, ISBN 978-5-17-126780-3, S. 174–178 (russisch).
  9. Hasai Aliev: Novye priemy metoda "Klüch": belye storony chernoj dyry straha". AST, Moskva 2022, ISBN 978-5-17-146455-4, S. 185–186 (russisch).
  10. Hasai Aliev: Metod "Klüch" ot komnaty straha tvoego mozga. Zastavj stress rabotatj na tebja. AST, Moskva 2021, ISBN 978-5-17-126780-3, S. 112–115 (russisch).
  11. a b c d Thomas H.Loew; Phillip Kutz: Short Universal Regulative Exercise (SURE). Eine randomisierte kontrollierte Studie zum Nachweis der Stressreduktion und Prävention bei Einsatzkräften durch ein neues Entspannungsverfahren im Vergleich zur Progressiven Muskelrelaxation. In: Psychodynamische Psychotherapie. Band 2. Schattauer GmbH, 1. Oktober 2010, ISSN 1618-7830, S. 86–95.
  12. Hasai Aliev: Metod "Klüch" ot komnaty straha tvoego mozga. Zastavj stress rabotatj na tebja. AST, Moskva 2021, ISBN 978-5-17-126780-3, S. 93,197 (russisch).
  13. a b c Elena Korpacheva: Sistema samoregulazii "Sinhrometod Klüch" Hasaja Magomedovicha Alieva. Chastj 1. Ridero, 2018, ISBN 978-5-4493-2653-9, S. 10–11.
  14. https://www.freepatent.ru/patents/2041721
  15. Hasai Aliev: Gde vzjat sily dlja uspecha. Sistema psichofisiologicheskoj samoreguljazii "Klüch". Izdateljskij dom "Rost", Sankt-Peterburg 1999, ISBN 5-93510-001-0.
  16. A.P.Matveev: Fisicheskaja Kultura. 10-11 klassy. Uchebnik dlja obscheobrasovateljnych organisazij: basovyj urovenj. Prosveschenie, Mockva 2019, ISBN 978-5-09-071626-0.
  17. Hasai Aliev: Zaschita ot stressa. Kak sochranitj i realizovatj sebja v sovremennych uslovijach. Martin, Moskva 1996, ISBN 5-88105-028-2, S. 7.