Neotantra

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Unter Neotantra (auch navatantra zu Sanskrit नव, nava „neuer“) versteht man westliche Popularisierungen der hinduistischen und buddhistischen esoterischen Lehre des Tantra.[1]

Der Begriff bezeichnet eine seit Ende der 1970er Jahre in der Westlichen Welt und heute auch in Lateinamerika verbreitete Lehre und Lebenspraxis, in der die sexuellen Aspekte des Tantra im Vordergrund stehen. Sie wird sowohl über einschlägige Literatur als auch von kommerziellen Tantraschulen vermittelt und verbreitet.[2]

Elemente von tantrischer Sexualmagie kommen auch in anderen modernen esoterischen und neureligiösen Strömungen vor, etwa in der Wicca-Religion.[3]

Entstehung und Gedankengut

Anfänge

Unter den westlichen Autoren, die das indische Tantra bereits früh rezipiert hatten, ist vor allem der britische Jurist und Amateur-Orientalist John Woodroffe zu nennen, der unter dem Pseudonym Arthur Avalon mehrere Bücher über den tantrischen Shaktismus (The Serpent Power, 1918) veröffentlicht hat und für Europäer und Nordamerikaner, die zum Hinduismus und Buddhismus konvertierten, ein einflussreiches Vorbild wurde.[4] Woodroffe war in den 1910er Jahren der erste westliche Autor, der tantrische Schriften in die eigene Sprache übersetzte und ihren Aussagen positiv gegenüberstand. Andere zeitgenössische Orientalisten, wie etwa Lionel D. Barnett, hatten Tantra als bizarre Verirrung des Ostens verabscheut.[5]

Im deutschen Sprachraum findet sich eine beifällige Rezeption des indischen Tantra bereits in der an der Wende zum 20. Jahrhundert nach freimaurerischen Muster gegründeten okkulten Organisation Ordo Templi Orientis (O. T. O.), deren Programm seit einer Überarbeitung durch Aleister Crowley im Jahre 1915 auch homosexuelle Sexualmagie implementierte. Theodor Reuß (Lingam-Yoni, 1906)[6], der die Organisation seit 1905 leitete, verband diese Sexualmagie klar erkennbar mit einem Programm der sozialen Transformation und der Befreiung von einer unterdrückerischen christlichen Welt.[7]

Als Pionier des nordamerikanischen Tantra gilt Pierre Bernard, der die Lehre in Lincoln, Nebraska bei dem syrisch-indischen tantrischen Yogi Sylvais Hamati studiert hatte. Um 1905 gründete Bernard die erste Tantra-Organisation der USA (Tantrik Order in America) und begann die erste Tantra-Zeitschrift des Landes zu publizieren, das International Journal of the Tantric Order. Weiteren Einfluss gewann Bernard, nachdem er um 1919 in New York City ein Studio eröffnete, das auch von Mitgliedern der gesellschaftlichen Elite, wie der Ehefrau und den Töchtern von William K. Vanderbilt, besucht wurde.[8][9]

Bhagwan und die Folgen

In den 1970er Jahren propagierte der indische Philosoph Bhagwan Shree Rajneesh (seit 1989 genannt „Osho“) unter der Bezeichnung „Tantra“ eine Verbindung von Spiritualität und Sexualität als eine zeitgemäße Form der indischen Lehre. Bhagwan veröffentlichte über sein Verständnis von Tantra mehrere Bücher: Tantra: The Supreme Understanding (1974)[10], The Tantra Vision (1977),[11][12], Tantra Spirituality and Sex (1977)[13] und From Sex to Superconsciousness.[14] Seine unter anderem vom Yoga inspirierte Lehre besagt, dass mittels Meditation die sexuelle Energie des Beckenbereiches (Kundalini) geweckt und zu einem „kosmischen Bewusstsein“ transformiert werden könne.[15] Trotz seiner Verwendung der hinduistischen Begrifflichkeit war Bhagwan kein Hindu; den „Therapien“, die in seinem Aschram in Pune praktiziert wurden, lagen, wenn es um Sexualität ging, vielmehr die Lehren Wilhelm Reichs zugrunde.[16][17] Im Anschluss an Reich (Die sexuelle Revolution, 1935) nahm Bhagwan an, dass die meisten persönlichen Probleme, die Menschen haben, darauf zurückzuführen seien, dass ihre sexuelle Energie unterdrückt werde.[18][19] Seinen Schülern hatte er insbesondere Reichs 1945 publizierten Essay Rede an den kleinen Mann zur Lektüre empfohlen.[20] Weitere Anregungen haben die in Pune praktizierten „Therapien“ aus der esoterischen Lehre der ganzheitlichen Körpertherapie (Rolfing) bezogen.[21][22]

In Deutschland, wo Tantraschulen vereinzelt bereits seit den späten 1970er Jahren und in größerer Zahl in den 1990er Jahren entstanden, waren die Initiatoren oft Schüler Bhagwans (Neo-Sannyas), die mit ihren Seminaren und Büchern Neotantra im Esoterikmilieu bekannt machten, darunter besonders Andreas Rothe („Andro“) und Margot Anand.

Der Heilpraktiker Rothe gründete 1976, im Anschluss an einen Aufenthalt in Pune, in Berlin die erste Tantra-Schule in Deutschland.[23][24] Rothe lehrte „rotes“ („linkshändiges“) Tantra, das – anders als das „weiße“ und das „schwarze“ Tantra – sexuelle Handlungen einschließt, weshalb Rothe in Deutschland auch als Begründer der Tantramassage gilt.[25][26] Obwohl er viel schrieb und – hauptsächlich im Selbstverlag – auch veröffentlichte, erreichte als Autor aber nie die Bedeutung, die Anand erlangte.

Die Französin Anand, die ihre Autorenlaufbahn 1970 mit einer journalistischen Arbeit über Hippies begonnen und dann Tantra bei Bhagwan in Pune studiert hatte, veröffentlichte ihre Einsichten 1981 unter dem Titel Le chemin de l'extase : tantra, vers une nouvelle sexualité, ein Werk, das 1982 erstmals auch in deutscher Sprache verlegt wurde.[27][28][29] Um die internationalen Leser leichter zu erreichen, schrieb und publizierte Anand, die bis 2007 auch in den USA gelebt hat, ihre weiteren Neotantra-Bücher in englischer Sprache. Anand ist die Begründerin einer Richtung innerhalb des Neotantra, für die sie den Begriff SkyDancing geprägt hat und die an verschiedenen ScyDancing Tantra Institutes in Nordamerika und in Europa praktiziert wird.[30] Das Love and Ecstasy Training (LET), das an diesen Einrichtungen angeboten wird, verspricht nicht nur lebensverändernde sexuelle und spirituelle Erfahrungen sowie Anleitung, wie man „ein großartiger tantrischer Liebhaber“ (a great tantric lover) wird, sondern auch die Möglichkeit einer Heilung „alter sexueller Wunden“.[31][32][33] In Deutschland besteht eine enge Verknüpfung von SkyDancing-Programmen mit Seminaren für „Gewaltfreie Kommunikation“.[34][35]

Ein weiterer indischer Yoga-Guru, der westlichen Schülern in den 1970er und frühen 1980er Jahren Tantra vermittelte und damit zur Verbreitung von Neotantra beitrug, war Swami Muktananda (1908–1982).[36] Muktananda (1908–1982) gilt als Begründer des Siddha Yoga; seine Nachfolgerin Gurumayi Chivalasananda (* 1955) steht an der Schnittstelle zwischen indischem Tantra und Westlichem New Age.[37]

Neotantra in den Vereinigten Staaten

Die Popularisierung von Neotantra in den USA hatte 1964 mit der Publikation von Omar Garrisons Buch Tantra. The Yoga of Sex begonnen, das die Generation der Baby-Boomer, die im Begriff war, die sexuelle Revolution auszurufen, mit dem Konzept von Sex als religiösem Ritus bekannt machte.[38][39]

Als eigentlicher Pionier der neueren amerikanischen Tantra-Bewegung gilt indessen Charles Muir. Muir war nicht über Osho, sondern als Yogalehrer zum Tantra gekommen.[40] Mit der Source School of Tantra Yoga hatte er 1978 die erste amerikanische Tantra-Einrichtung gegründet.[41][42][43] Sein gemeinsam mit seiner Frau Caroline geschriebenes Buch Tantra. The Art of Conscious Loving (1989) war so erfolgreich, dass es in verschiedene weitere Sprachen übersetzt wurde und so auch in Europa Verbreitung fand.[44] Viele wichtige Veranstaltungen der amerikanischen Tantra-Bewegung finden im Esalen-Institut im kalifornischen Big Sur statt.

Schon 1974 hatte der aus Tibet eingewanderte ehemalige buddhistische Mönch Chögyam Trungpa in Boulder, Colorado unter anderem die Naropa University gegründet, eine kleine Privatuniversität, die sich selbst als buddhistisch inspiriert bezeichnet. Trungpa hat über Tantra in den USA und in Kanada mehrere Bücher publiziert. Ein weiterer prominenter spiritueller Lehrer, der in den USA eine tantrisch inspirierte Sexuallehre vertreten hat, war Adi Da (1939–2008).[45]

Der Terminus Neotantra

Der Terminus Neotantra – als tendenziell soziologische Bezeichnung der neueren tantrischen Lehren (deren Anhänger verwenden das Kompositum eher nicht) – lässt sich seit mindestens 1979 nachweisen.[46]

Unterschiede zwischen traditionellem Tantra und Neotantra

Zwischen Tantra im Sinne der indischen Tradition und Neotantra bestehen einige charakteristische Unterschiede:

  • Während traditionelles Tantra eine Geheimlehre ist, in die nur wenige Menschen eingeweiht werden, die darin einen langwierigen Prozess mühsamer spiritueller Selbstverbesserung zu absolvieren haben – ernsthaftes Tantra erfordert jahrelanges intensives Studium –, werden neotantrische Einsichten niederschwellig und für jedermann zugänglich gemacht, sei es in Publikationen des allgemeinen Buchmarktes, sei es in Tantrakursen.[1][47][3]
  • Während der Orgasmus (insbesondere der männliche Orgasmus) im traditionellen Tantra nicht Teil des zentralen Repertoires ist und zurückgehalten wird, gilt er im Neotantra im Gegenteil als akzeptabel, wenn nicht sogar als wünschenswert – zielt doch das Ritual selbst primär auf Lustgewinn.[1]
  • Im traditionellen Tantra besteht das ultimative Ziel darin, spirituelle Erhöhung, einen transzendentalen Zustand der Vereinigung des männlichen und des weiblichen Prinzips zu erreichen; beim Mithuna-Ritual geht es weniger um Lust, als vielmehr darum, Glückseligkeit (engl. bliss) dadurch zu erreichen, dass alles Denken zum Verstummen gebracht und das Bewusstsein ausschließlich noch von der Tatsache der Existenz selbst ausgefüllt wird.[48][49] Im Neotantra dagegen wird die Glückseligkeit des Nur-Seins oft mit einem erhöhten Zustand sinnlichen Vergnügens verwechselt, mit „heiligem“ oder „ozeanischem“ Sex, bei dem im orgiastischen Zustand – sei es mit oder ohne Orgasmus – das Bewusstsein der eigenen Körpergrenzen vorübergehend aufgehoben wird. Obwohl dies konventionellem Sex, bei dem es eventuell nur um ein hastiges genitales Erleben geht, überlegen sein mag, handelt es sich hier nicht um tantrische Sexualität im ursprünglichen Sinne.[1][50][51]

Tantraszene

Spätestens seit den 1990er Jahren wird in Deutschland von einer gut vernetzten Tantraszene gesprochen, die sich um die Tantraschulen herum gebildet hat. In diesem Raum gibt es ca. 15 bis 20 Anbieter, die eine Vielzahl unterschiedlicher Workshops durchführen.

Soziale Einordnung

Die Tantraszene steht geschichtlich in der Tradition der Esoterik. Auch ist eine Einordnung in die New-Age-Kultur der neuen sozialen Bewegungen zulässig. Im weiteren Sinn käme eine Nähe zur alternativen Szene, zur Polyamory-Subkultur und entfernt zum ZEGG (Zentrum für Experimentelle Gesellschaftsgestaltung) in Frage: Tantra bleibt jedoch unpolitisch. Obwohl erotische bis sexuelle Rituale im Neotantra eine kaum zu überschätzende Rolle spielen (s. u.), ist die Überschneidung mit der Swingerszene gering. Im Vergleich zu dieser ist die Tantraszene kleiner.

Themen

Die genauen Themen der Seminare sind für Außenstehende nur schwer fassbar. Viele Tantrainstitute formulieren einen therapeutischen Anspruch. Die Seminare versprechen, insbesondere bei partnerschaftlichen und sexuellen Problemen zu helfen und Traumatisierungen bis hin zu Auswirkungen sexuellen Missbrauches lindern zu können. Vor allem soll jedoch natürlicherem Erleben der Sinnlichkeit sowie Bewusstwerdungsprozessen Raum gegeben werden. Die Lehren des traditionellen Tantra, aber auch die Grundlagen des Neotantra selbst, werden in den Seminaren nicht zum theoretischen Lehrthema gemacht, sondern in verschiedenen praktischen Übungen vermittelt.

Programm und Ablauf der Seminare

Im Vordergrund der Seminare, die häufig in Kur- oder Wellnesshotels mit entsprechenden Gruppenräumen stattfinden, steht oft das Gruppenerlebnis. Die Veranstaltungen werden sowohl von Singles als auch von Paaren gemeinsam besucht, wobei seitens der Veranstalter meist auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet wird. Es gibt aber auch reine Paar-, Single-, Männer- oder Frauenseminare und Veranstaltungen speziell für Anfänger oder Fortgeschrittene. Das Angebot reicht von Abendgruppen über einzelne Wochenenden über mehrtägige Veranstaltungen, Jahrestrainings, Urlaubsreisen bis hin zu Ausbildungen zum Tantralehrer. Jahrestrainings sind dabei Veranstaltungen, die mehrmals im Jahr jeweils mehrere Tage lang dauern und deren Teilnehmer meist eine abgeschlossene Gruppe bilden. Tantraseminare sind von den Krankenkassen nicht als Therapie anerkannt und müssen daher privat finanziert werden.

Der Ablauf der Seminartage wird hauptsächlich von Meditationen (insbesondere Chakra-Meditationen), Begegnungsübungen, Körperarbeit und Partnerübungen bestimmt. Eine einzelne Übung kann mitunter mehrere Stunden andauern. Oft kulminiert ein Seminar in einem erotischen Partnerritual, das zwei Menschen nackt miteinander ausführen. Es gibt auch Tantra für gleichgeschlechtlich orientierte Menschen (Schwule und Lesben). Sexuelle Vereinigung wird – zumindest in Anfängergruppen – nicht angeleitet. Dennoch ist festzustellen, dass die erotische Begegnung zwischen den Teilnehmern Hauptthema vieler Seminare darstellt.

Tantra-Massagen

Eine Besonderheit im Zusammenhang mit Neotantra stellen die sogenannten Tantra-Massagen dar, wie sie seit den 1990er Jahren bezeichnet werden. Einerseits sind sie im Umfeld der Szene entstanden und wurden als Teil von Seminaren der Tantraschulen geübt, andererseits werden sie auch als kommerzielle Dienstleistung angeboten. Ziel der Massage war ursprünglich eine spirituelle Erfahrung, mittlerweile wird zudem mitunter auch Heilung versprochen. Tantra-Massagen beziehen meist auch die weiblichen (Yoni) beziehungsweise männlichen (Lingam) Geschlechtsorgane mit ein, wofür die Bezeichnungen Yoni-Massage und Lingam-Massage verwendet werden. Bei der Lingam-Massage kann auf Wunsch des Empfangenden auch eine Prostatamassage gegeben werden.

Es besteht kein direkter Zusammenhang zum traditionellen Tantra. Der Begriffsinhalt ist nicht allgemein gültig geklärt; Anregungen stammen etwa von Joseph Kramer[52] und Annie Sprinkle[53] sowie dem Berliner Tantra-Lehrer Andreas Rothe („Andro“).[54] Der Förderverein Tantramassage Schweiz sowie der Tantramassage-Verband Deutschland (TMV) setzen sich für die gesellschaftliche Akzeptanz von Tantramassagen und eine übergreifende Berufsethik professioneller Tantramassage-Anbieter ein und definieren in diesem Zusammenhang den Umfang professioneller Tantramassagen. Diese beinhalten gemäß Definition der beiden Organisationen weder Geschlechts- noch Oralverkehr. Die Rollen der gebenden aktiven Person und der empfangenden passiven Person sind dabei klar getrennt.

Motivation der Teilnehmer

Sexuelle Motivationen sind oft ein wichtiger Beweggrund der Teilnehmer. Daneben rangieren Sehnsüchte nach Spiritualität, Gemeinschaftserlebnissen und Geborgenheit. Das Geschehen unterscheidet sich deutlich von dem eines Swingerclubs. Der angeblich leichte Zugang zum anderen Geschlecht und der lockere Umgang mit Nacktheit, Erotik und Sexualität ist jedoch ein bedeutender Anreiz – insbesondere für Männer, die noch nie ein Tantra-Seminar besucht haben. In einem Tantra-Seminar geht es vorrangig um Meditation, Bewusstwerdung, innere Verbindung sowohl sexueller als auch spiritueller Energie, Atemübungen, Entwickeln von Mitgefühl, spirituelle Vereinigung. Die sexuelle Vereinigung wird erfahrungsgemäß nur in einem sehr geschützten Rahmen in Fortgeschrittenengruppen angeleitet.

Befürworter der Seminare sagen, dass Tantra den Seminarteilnehmern Anregungen für ein intensiveres Erleben von Meditation, Bewusstheit und Sexualität liefern könne. Außerdem trage Tantra positiv zur Persönlichkeitsentwicklung, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bei. Die entspannte, lockere und gesellige Atmosphäre der Seminare mag darüber hinaus zum Stressabbau dienen.

Kritik

Kritiker merken an, dass die therapeutischen Belange oftmals nur ein Vorwand seien, der das Ausleben sexueller Bedürfnisse in den Seminaren verschleiere. Zudem seien die angewandten Methoden und deren Begründung unter Rückgriff beispielsweise auf Osho und Wilhelm Reich Pseudowissenschaft. Problematisch sei insbesondere, dass es sich bei etlichen Angeboten um fragwürdige oder mittlerweile beispielsweise aus Sicht der Traumatherapie veraltete „therapeutische“ Konzepte handle. Jedenfalls sei die therapeutische Wirkung von Neotantra-Seminaren bisher nicht belegt worden. Qualifikation und therapeutische Eignung der Seminarleitung seien daher fragwürdig. Dies sei insbesondere kritisch, da in den Seminaren nicht selten starke Gefühlsschwankungen und psychische Belastungen der Teilnehmer aufträten. Zudem könne es zu einer Abhängigkeit der Seminarteilnehmer von den kostspieligen Seminaren beziehungsweise von den Leitern kommen.[55]

Teilnehmern von Neotantra-Seminaren werden Versprechungen gemacht wie: „du wirst nie wieder allein sein“, „liebende, unterstützende Freunde haben“, „einen Sinn im Leben haben“ und „vollständige Gleichheit mit dem anderen Geschlecht erlangen“.[56] Der Indologe Georg Feuerstein hat bemerkt, dass dies zwar für viele Menschen wünschenswerte Ideale seien, dass sie mit Spiritualität aber nichts zu tun haben. Bei Spiritualität gehe es vielmehr darum, dem Leben so zu begegnen, wie es nun einmal sei, sich vor dem Alleinsein, nicht vorhandenen Freunden, einem Mangel an einem besonderen Sinn oder Ungleichheit in verschiedenen Lebensbereichen also nicht zu fürchten.[1]

Literatur

  • Thorsten Laue: Tantra im Westen. Eine religionswissenschaftliche Studie über „Weißes Tantra Yoga“, „Kundalini Yoga“ und „Sikh Dharma“ in Yogi Bhajans „Healthy, Happy, Holy Organization“ (3HO) unter besonderer Berücksichtigung der „3H Organisation Deutschland e. V.“ (= Religionen in der pluralen Welt, Band 11), Lit, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11447-1 (Dissertation Universität Tübingen 2012, 287 Seiten).
  • Sthaneshwar Timalsina: Tantra and the West. In: Sutra Journal. 2015 (Online).
  • Christopher D. Wallis: Tantra illuminated: The philosophy, history, and practice of a timeless tradition. 2. Auflage. Mattammayura Press, Boulder, Colorado 2013, ISBN 978-0-9897613-0-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Georg Feuerstein: Traditional Tantra and Contemporary Neo-Tantrism. Traditional Yoga Studies, 1995 (Online [PDF]).
  2. Helmut Poller: Tantra, Neo-Tantra und die Synthese. Wien 2013, Seite 1–10
  3. a b Loraine Hutchins: A Taste of Erotic Rites Part 1. In: Electronic Journal of Human Sexuality. Band 5, 16. Juli 2002 (Online).
  4. Kathleen Taylor: Sir John Woodroffe, Tantra and Beganl: ‘An Indian Soul in a European Body?’ Roudledge Curzon, London, New York 2001, ISBN 0-7007-1345-X, S. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Kathleen Taylor: Sir John Woodroffe, Tantra and Beganl: ‘An Indian Soul in a European Body?’ Roudledge Curzon, London, New York 2001, ISBN 0-7007-1345-X, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. (anonym): Lingam-Yoni oder die Mysterien des Geschlechts-Kultus. Willson, Groß-Lichterfeld-Berlin 1906 (Online [PDF]).
  7. Hugh B. Urban: The Yoga of Sex: Tantra, Kama Sutra, and Other Exotic Imports from the Mysterious Orient. In: Hugh Urban (Hrsg.): Magia Sexualis. Sex, Magic, and Liberation in Modern Western Esotericism. University of California Press, 2006, ISBN 978-0-520-24776-5, S. 81–108, doi:10.1525/california/9780520247765.003.0005.
  8. Jeffrey J. Kripal: Esalen: Ameria and the Religion of No Religion. The University of Chicago Press, Chicago, London 2007, ISBN 978-0-226-45369-9, S. 236 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. About Tantra in America and the Tantrik Order. Abgerufen am 26. September 2022.
  10. Tantra: The Supreme Understanding. Abgerufen am 25. September 2022 (Online-Ausgabe).
  11. The Tantra Vision, Vol 1. Abgerufen am 25. September 2022 (Online-Ausgabe).
  12. Deutsch: Osho: Die Tantrische Vision. Weisheit, Liebe, Spontaneität und Sex. Edition Innenwelt, Köln 2006, ISBN 978-3-936360-97-4.
  13. Deutsch: Osho: Tantra, Spiritualität & Sex. Edition Innenwelt, Köln 2004, ISBN 978-3-936360-75-2.
  14. Deutsch: Osho: Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein. 2. Auflage. Osho-Verlag, Köln 1995, ISBN 3-925205-76-4 (Das Buch erschien bereits 1969 auf Hindi unter dem Titel Sambhog se samadhi ki aor.).
  15. Osho: The Path of the Mystic, Kapitel 21, Rebel Publishing House, Edition 31. Dezember 2007
  16. Osho: Making Love is a Sacred Experience. In: parasuniversal.com, 10. August 2011.
  17. Lewis F. Carter: Charisma and Control in Rajneeshpuram. Cambridge University Press, Cambridge 1990, ISBN 978-0-521-13513-9, S. 41, 84, 112–14.
  18. 3. Rajneesh and Wilhelm Reich. Abgerufen am 25. September 2022.
  19. Franz Winter: Der "Sex-Guru" und sein gescheitertes Experiment. In: Der Standard. 1. August 2018, abgerufen am 25. September 2022.
  20. Osho on Wilhelm Reich. Abgerufen am 25. September 2022.
  21. Osho, Tantra, and Sacred Sexuality/Bhagwan Shree Rajneesh. Abgerufen am 25. September 2022.
  22. Lewis F. Carter: The "New Renunciates" of the Bhagwan Shree Rajneesh: Observations and Identification of Problems of Interpreting New Religious Movements. In: Journal for the Scientific Study of Religion. Band 26, Nr. 2, Juni 1987, S. 148–172, JSTOR:1385791.
  23. Diamond Lotus Tantra in Berlin. Abgerufen am 24. September 2022.
  24. Andro. Abgerufen am 24. September 2022.
  25. (Tantra-)Begriffe. Abgerufen am 24. September 2022.
  26. Andro Rothe. Autor und Begründer der Tantramassage. Abgerufen am 24. September 2022.
  27. Insights on Margot Anand's Love, Sex, and Awakening. Everest Media, 2022, ISBN 979-88-2252683-9, S. 12 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  28. Mariah McKenzie: More: Journey To Mystical Union Through The Sacred And The Profane. O-Books, 2016, ISBN 978-1-78535-262-1, S. 158 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  29. Tantra. Weg der Ekstase. Meinhard-Schwebda, Sannyas Verlag, 1982, ISBN 978-3-922458-93-7.
  30. Margot Anand. Founder of SkyDancing Tantra. LET Facilitator. Abgerufen am 24. September 2022.
  31. The Love and Ecstasy Training (LET). Abgerufen am 24. September 2022.
  32. The Love and Ecstasy Training®, (LET Cycle 1): The Body Ecstatic & Sexual Healing. Abgerufen am 24. September 2022.
  33. Love & Ecstasy Training (LET) Cycle 2: Celebrating Love & Orgasm. Abgerufen am 24. September 2022.
  34. SkyDancing Tantra Institut Deutschland. Abgerufen am 24. September 2022.
  35. WortLust / Gewaltfreie Kommunikation und Tantra. Abgerufen am 24. September 2022.
  36. Tantra and Neo-Tantra in the West. Abgerufen am 25. September 2022.
  37. Sydni Meyer: Embodied Transcendence: Tantric Practice in Web 2.0. Oktober 2016 (Online – Paper presented at the Annual Conference on South Asia at the University of Wisconsin. Madison, WI).
  38. Omar Garrison: Tantra. The Yoga of Sex. Julian Press, New York 1964, ISBN 978-0-88356-015-0.
  39. Carl Llewellyn Weschcke: Foreword. In: John Mumford (Hrsg.): Ecstasy Through Tantra. Llewellyn Publications, 2002, ISBN 978-0-87542-494-1, S. 10–15, hier: S. 10 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  40. Charles Muir. Abgerufen am 24. September 2022.
  41. Charles Muir & Leah Alchin in „Methods of Female Sacred Spot. Abgerufen am 23. September 2022.
  42. Faculty at Esalen. Abgerufen am 23. September 2022.
  43. How the wellness industry exaggerated Tantra’s sexual aspects. Abgerufen am 23. September 2022.
  44. Charles Muir, Caroline Muir: Tantra. The Art of Conscious Loving. Mercury House, 1989, ISBN 978-0-916515-55-3.
  45. (als Bubba Free John): Love of the Two-Armed Form: The Free and Regenerative Function of Sexuality in Ordinary Life and the Transcendence of Sexuality in True Religious or Spiritual Practice. Dawn Horse Press, 1978, ISBN 978-0-913922-37-8.
  46. N. N. Bhattacharya: Neo-tantric Movements in the Nineteenth and Twentieth Centuries. In: S. P. Sen (Hrsg.): Social and Religious Reform Movements in the Nineteenth and Twentieth Centuries. Institute of Historical Research, Kolkata 1979, S. 48.
  47. D.E. Osto: An Indian Tantric Tradition and Its Modern Global Revival: Contemporary Nondual Shaivism. Routledge, New York 2020, ISBN 978-1-00-300779-1, S. 19 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  48. Hugh B. Urban: Tantra. Sex, Secrecy, Politics, and Power in the Study of Religion. University of California Press, 2003, ISBN 978-0-520-23656-1.
  49. David Gordon White: Kiss of the Yoginī. “Tantric Sex” in its South Asian Context. The University of Chicago Press, Chicago 2003, ISBN 978-0-226-89484-3.
  50. Stanislov Grof: Birth, Death, and Transcendence in Psychotherapy. SYNY Press, Albany, New York 1985, ISBN 978-0-87395-953-7, S. 228–229.
  51. Alan Watts: Nature, Man and Woman. Vintage Books, New York 1970, ISBN 978-0-394-70592-7, S. 187–188.
  52. Joseph Kramer: Fire on the Mountain. An Intimate Guide To Male Genital Massage. 1992.
  53. Joseph Kramer, Annie Sprinkle: Fire In The Valley. An Intimate Guide To Female Genital Massage. 1999.
  54. Andro: Berühre mich … Anregungen für erotische Massagen. Verlag Gesundheit, Berlin 1993, ISBN 3-333-00716-9.
  55. Osho: Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein. 2. Aufl., Osho-Verlag, Köln 1995, ISBN 3-925205-76-4
  56. Gavin Frost, Yvonne Frost: Tantric Yoga: The Royal Path to Raising Kundalini Power. Weiser Books, 1989, ISBN 978-0-87728-692-9, S. xix.