Tanya M. Luhrmann

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Tanya Marie Luhrmann (* 1959) ist eine US-amerikanische Ethnologin, die in der psychologischen Ethnologie[1] arbeitet. Sie hat einen Watkins-Lehrstuhl an der Stanford University inne.[2]

Werdegang

Luhrmann promovierte 1986 in Cambridge im Fach Sozialanthropologie.[3] 1998 wurde sie Full Professor an der University of California, San Diego. Sie wechselte 2000 zur University of Chicago, und dann 2007 nach Stanford.[4]

2003 wurde sie Mitglied der American Academy of Arts and Sciences,[5] 2022 Mitglied der American Philosophical Society. Sie wurde 2007 mit einem Guggenheim-Stipendium[6] und 2014 mit dem Grawemeyer Award für Religion[7] ausgezeichnet.

Forschung

Für ihre Dissertation nahm sie als teilnehmende Beobachterin an einem Londoner Hexenzirkel teil.[8][9] Eine Studie über die Gefühle, die ihre Studierende für deren Smartphones entwickelten,[10] wurde auch im deutschsprachigen Raum breit rezipiert.[11][12][13]

Die Gebets- und Lobpreispraktiken charismatischer evangelikaler Christen stellen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit dar.[1] Bei den Vorbereitungen für ihr Buch When God talks back verbrachte sie vier Jahre als teilnehmende Beobachterin an Vineyard-Gemeinden in Chicago und Palo Alto. Sie erlebte, wie Gemeindemitglieder das Beten zielstrebig eintrainierten. Bei der Anwendung dieser Gebetstechnik berichteten einige Gemeindemitglieder, Gottes Stimme wahrnehmen zu können.[14][15] Manche erlebten gutartige Halluzinationen, die Luhrmann auch „sensorische Überreaktion“ nennt.[16][17] Luhrmann hatte selbst eine sensorische Überreaktion während ihrer Feldforschung bei den Hexen.[18] In der Psychologie redet man hier von Absorption.[19]

Während Persuasions of the witch's craft Verletzungsgefühle bei den studierten Hexen hinterließ,[8] war Luhrmann auch nach Veröffentlichung von When God talks back ein gern gesehener Gast bei den Vineyard-Christen.[20]

Luhrmann befasst sich auch mit den Stimmen, die Schizophrene hören. Ob diese Stimmen bös- oder gutartig sind, hängt stark von der jeweiligen Kultur ab.[21]

Werke (Auswahl)

  • Persuasions of the witch's craft. Ritual magic and witchcraft in present-day England. B. Blackwell, Oxford 1989, ISBN 0-631-15197-4.
  • The good Parsi. The fate of a colonial elite in a postcolonial society. Harvard University Press, Cambridge, MA 1996, ISBN 0-674-35675-6.
  • Of two minds. The growing disorder in American psychiatry. Knopf, New York 2000, ISBN 0-679-42191-2.
  • When God talks back. Understanding the American evangelical relationship with God. Alfred A. Knopf, New York 2012, ISBN 978-0-307-26479-4.
  • T. M. Luhrmann, Jocelyn Marrow (Hrsg.): Our most troubling madness. Case studies in schizophrenia across cultures. University of California Press, Oakland, CA 2016, ISBN 978-0-520-29108-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Monique Scheer: Von Herzen glauben. Performanzen der Aufrichtigkeit in protestantischen Gemeinden. In: Anja Schöne, Helmut Groschwitz (Hrsg.): Religiosität und Spiritualität. Fragen, Kompetenzen, Ergebnisse. Waxmann, Münster 2014, ISBN 978-3-8309-3061-7, S. 111–130 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  2. Luhrmann, Tanya Marie. Stanford University, Department of Anthropology, abgerufen am 23. April 2016.
  3. Tanya Marie Luhrmann: Scions of Prospero. Ritual magic and witchcraft in present day England. Dissertation, University of Cambridge 1986 (Katalogeintrag in der Cambridge University Library).
  4. Curriculum Vitae: Tanya Marie Luhrmann. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Stanford University, Department of Anthropology, archiviert vom Original am 21. Juni 2015; abgerufen am 23. April 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/web.stanford.edu
  5. List of active members by class. (PDF) American Academy of Arts and Sciences, abgerufen am 23. April 2016 (Sektion III.5).
  6. Tanya Marie Luhrmann. John Simon Guggenheim Memorial Foundation, abgerufen am 23. April 2016.
  7. Tanya Luhrmann Wins Grawemeyer Religion Prize. Grawemeyer Awards, 5. Dezember 2013, abgerufen am 24. April 2016.
  8. a b Isabel Laack: Religion und Musik in Glastonbury. Eine Fallstudie zu gegenwärtigen Formen religiöser Identitätsdiskurse (= Critical Studies in Religion/Religionswissenschaft. Band 1). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-54011-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  9. Victoria Hegner: Wo Hexen hexen. Die neuheidnische Hexenreligion und Orte ihrer Praxis in Berlin. In: Anja Schöne, Helmut Groschwitz (Hrsg.): Religiosität und Spiritualität. Fragen, Kompetenzen, Ergebnisse. Waxmann, Münster 2014, ISBN 978-3-8309-3061-7, S. 321–338 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  10. Tanya Luhrmann: What students can teach us about iPhones. My anthropology class studied the gadget's use on campus and uncovered anxiety, addiction and gushing love. Salon, 30. Mai 2010, abgerufen am 23. April 2016.
  11. Sebastian Matthes: Telefon im Bett. In: WirtschaftsWoche. Nr. 24. Ressort: Technik & Wissen, 14. Juni 2010, S. 78 (Zugangsberechtigung erforderlich [abgerufen am 22. April 2016]).
  12. Ulli Pesch: Zwischen Überlast und Sucht. In: Personalmagazin. Nr. 8, 2011, S. 40–42.
  13. S. 137 in Jochen Mai, Daniel Rettig: Ich denke, also spinn ich. Warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen. dtv, München 2012, ISBN 978-3-423-34763-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  14. S. 83 in Peter L. Berger: Altäre der Moderne. Religion in pluralistischen Gesellschaften. Campus, Frankfurt (Main) 2015, ISBN 978-3-593-50342-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  15. S. 306 in Florian Sprenger: Divisionen des Individuums. Selbstgespräche am Ende der Zeit. In: Michael Andreas, Natascha Frankenberg (Hrsg.): Im Netz der Eindeutigkeiten. Unbestimmte Figuren und die Irritation von Identität. transcript, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-8376-2196-9, S. 291–313 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  16. Klaus Wilhelm: Stimmen aus heiterem Himmel. Manche sprechen mit Vögeln, andere mit Gott – Halluzinationen müssen nicht immer auf psychische Krankheiten hindeuten. In: SonntagsZeitung. Ressort: Wissen, 2. September 2012, S. 67 (Zugangsberechtigung erforderlich [abgerufen am 22. April 2016]).
  17. Susanne Mauthner-Weber: Wie sich der Herr in Hirn und Herz breitmacht. Glaube und Wissenschaft. Hirnforscher, Psychologen, Soziologen und sogar Evolutionsforscher fahnden nach Spuren Gottes im Menschen. Und finden Hormone, Halluzinationen und hoch ansteckende Messen. In: Kurier. Ressort: Sonntag, 23. Dezember 2012, S. 4.
  18. S. 191 in T. M. Luhrmann: When God talks back. Understanding the American evangelical relationship with God. Alfred A. Knopf, New York 2012, ISBN 978-0-307-26479-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  19. Seiten 144–147 in Anne Koch, Karin Meissner: Imagination, Suggestion und Trance. Suggestionsforschung und Religionsästhetik zu Heilung. In: Lucia Traut, Annette Wilke (Hrsg.): Religion – Imagination – Ästhetik. Vorstellungs- und Sinneswelten in Religion und Kultur. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, ISBN 978-3-525-54031-2, S. 131–154 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. April 2016]).
  20. Jill Wolfson: Hearing the Voice of God. Anthropologist Tanya Luhrmann studies how American evangelicals experience the friend they have in Jesus. Stanford alumni, 2012, abgerufen am 23. April 2016.
  21. Julia Merlot: Aggressiv in den USA, göttlich in Afrika. Was Schizophrene in ihrem Kopf hören, hängt von der Kultur ab, in der sie leben. In der westlichen Welt sind die Stimmen meist bedrohlich und böse, in Indien und Afrika freundlich bis göttlich. In: Spiegel Online. 27. Juli 2014 (Online [abgerufen am 23. April 2016]).