Technikskepsis

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Als Technikskepsis (bzw. Technikfeindlichkeit oder Technikkritik) bezeichnet man eine Sichtweise, welche den gegenwärtigen Zustand oder die Zukunft der Menschheit durch Fortschritte in Wissenschaft, Technik und Forschung gefährdet oder bedroht sieht.

Prominente Vertreter

Prominente Vertreter der Technikkritik sind u. a. Friedrich Georg Jünger, Günther Anders, Jacques Ellul, und Lewis Mumford. In einem weiteren Sinn kann man auch Teile des Werks von Martin Heidegger und die kritische Technikgeschichte (David F. Noble) der Technikkritik zurechnen.

Friedrich Georg Jünger

1946 veröffentlichte Friedrich Georg Jünger seinen technikkritischen Essay Die Perfektion der Technik. Jünger zufolge sind mit der Technisierung mehrere Illusionen verbunden: Die Illusion, dass durch die Technik dem Menschen Arbeit abgenommen wird und er dadurch an freier Zeit gewinnt und die Illusion, dass die Technik Reichtum schafft.

Technikkritik und Technikphilosophie

Die Technikkritik überschneidet sich teilweise mit der Technikphilosophie. Aber während die Technikphilosophie sich als akademische Disziplin zu etablieren versucht, ist die Technikkritik vor allem ein politisches Projekt. Sie nimmt u. a. im Neomarxismus (Herbert Marcuse), Ökofeminismus (Vandana Shiva) und im Postdevelopment (Ivan Illich) eine zentrale Stellung ein.

Computerkritik

Computergegner, die nicht viel von den neuen Entwicklungen im Computermarkt hielten und verstanden, gibt es schon seit dem Beginn der Computertechnik. So wurde der Computermarkt noch in Anfangszeiten für einen sehr kleinen Nischenmarkt gehalten, und für viele ergaben sich noch nicht viele Anwendungsmöglichkeiten. Auch die Anwender und Befürworter wurden häufig und werden teilweise immer noch mit den negativen Vorurteilen von dem Bild eines Computerfreaks belastet. Ein Kritiker, der sich bereits früh mit den Auswirkungen und der Verantwortung von der Nutzung von Computern befasste, war Joseph Weizenbaum. Mit der ständigen Weiterentwicklung entstanden auch immer mehr Probleme und Risiken für Anwender und Organisationen, und dies führte zu immer neuen geistes- und sozialwissenschaftlichen Debatten. Folgende Gründe können zum Beispiel zu einer Ablehnung von Computern führen:

  • Angst vor einer Gefährdung der Sicherheit (z. B. Datendiebstahl oder Überwachung)
  • allgemeine Kritik an der Qualität oder Nutzen einzelner Software und Hardware
  • Technostress und Wunsch auf ohne die Technologien arbeiten zu können; Abhängigkeit Computer privat und beruflich nutzen zu müssen
  • digitale Risiken durch Verlust oder Missbrauch von Daten und Informationen
  • Angst vor Wegfall von Arbeitsplätzen und Aufgaben durch künstliche Intelligenz und Digitalisierung
  • Benutzerunfreundlichkeiten und Schwierigkeiten bei der Bedienung und dem Umgang mit Computern
  • Angst vor sozialen Benachteiligungen, sozialer Isolierung und gesellschaftlichen Veränderungen
  • Zweifel am ethisch richtigen Verhalten (z. B. bei Schaffung künstlicher Intelligenzen, erkennbaren Grenzen von Berechnungsfähigkeit und Determinierbarkeit von Systemen, Sammeln und Auswerten von Big-Data-Mengen usw.) und Kritik an der Ethik und Sozialverhalten in digitalen Räumen
  • Veränderung der Sprache und des Kommunikationsverhalten durch Computersprachen, die Nutzung von Abkürzungen und Emoticons usw.
  • Angst vor psychischen und kognitiven Folgen
  • Bevorzugung von anderen Technologien
  • Angst vor Abhängigkeits- und Suchtpotenzialen
  • Umweltrisiken
  • Kostengründe und finanzielle Risiken
  • mangelnde Kenntnisse und Wissen und/oder Klischees und Vorurteile

Als gesellschaftliche Bewegung

Als Protestbewegung trat Technikfeindlichkeit bei den Maschinenstürmern (Luddismus) im 19. Jahrhundert auf.

Im 20. Jahrhundert löste die Technikskepsis in Europa den mit dem Boom der Nachkriegszeit bis etwa 1975 herrschenden euphorischen Fortschrittsglauben ab. Allergien, Gentechnik, Kernenergie, Medizin, Technik im Krankenhaus und Umwelt sind Felder, denen sich die Technikskepsis bevorzugt widmet. Dabei steht aber nicht nur die Technik selbst im Zielpunkt, sondern auch die Tatsache, dass niemals ausgeschlossen werden kann, dass die für Planung, Installation und Überwachung riskanter Technik verantwortlichen Menschen Fehler machen.

Bis vor einigen Jahren hatte auch die Umweltbewegung stark technikfeindliche Elemente, die jedoch durch „sanfte Technik“, elektronisches Monitoring von Gefahren, Erneuerbare Energie und Entwicklungen in der Biologie (z. B. Abfallbeseitigung durch Bakterien) in eine positivere Sicht wandelten.

Im Zuge der Interneteuphorie der 1990er Jahre war die Technikskepsis, die sich noch in den 1980er Jahren (z. B. im Kontext der geplanten Volkszählung) besonders an Computern festmachte, in Deutschland aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden. Sie wird jedoch seit Anfang des 21. Jahrhunderts verstärkt genährt durch die Sorge um die gewachsenen Möglichkeiten technischer Überwachung sowie die Klimafolgen des technischen Handelns (Neo-Luddismus). Ein „Neo-Maschinenstürmer“ ist z. B. Alain Finkielkraut mit seiner Kritik an Internet und weltweitem Tourismus.

Literatur

  • Jörg Bergstedt, Annette Schlemm und Jan-Hendrik Cropp: Technik: Für ein gutes Leben oder für den Profit? SeitenHieb-Verlag, Reiskirchen 2012, ISBN 978-3867470490. Download (PDF; 39 MB)
  • Michael Adas: Machines as the Measure of Men. Science, Technology, and Ideologies of Western Dominance. Cornell University Press, Ithaca NY u. a. 1990, ISBN 0-8014-2303-1 (Cornell Studies in comparative History).
  • Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. 2 Bände. Beck, München 1956.
  • Harry Braverman: Die Arbeit im modernen Produktionsprozess. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1980, ISBN 3-593-32699-X.
  • Rudolf Buntzel, Suman Sahai: Risiko. Grüne Gentechnik. Wem nützt die weltweite Verbreitung gen-manipulierter Nahrung? Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86099-814-5 (WeltThemen 5).
  • Cynthia Cockburn: Die Herrschaftsmaschine. Geschlechterverhältnisse und technisches Know-how. Argument Verlag, Hamburg u. a. 1988, ISBN 3-88619-372-1.
  • Jacques Ellul: Le bluff technologique. Hachette, Paris 2004, ISBN 2-01-279211-1.
  • Andrew Feenberg: Transforming Technology. A Critical Theory Revisited. Revised edition. Oxford University Press, Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-514615-8 – Feenberg gibt einen „coherent starting point for anticapitalist technical politics“[1].
  • Sigfried Giedion: Mechanization Takes Command. A Contribution to anonymous History. Oxford University Press, New York NY 1948 (dt.: Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte.) Mit einem Nachwort von Stanislaus von Moos. Herausgegeben von Henning Ritter. Sonderausgabe, Lizenzausgabe. Athenäum, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-00729-X.
  • Ivan Illich: Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-498-03201-1 (rororo aktuell 4629).
  • Friedrich Georg Jünger: Die Perfektion der Technik, Frankfurt am Main: Klostermann, 8. Auflage 2010 [geschrieben 1939, EA 1946]
  • Wolfgang Klems: Die unbewältigte Moderne. Geschichte und Kontinuität der Technikkritik. GAFB – Gesellschaft zur Förderung Arbeitsorientierter Forschung und Bildung, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-925070-50-8 (Serapion. Leben und Erkenntnis).
  • David F. Noble: Maschinenstürmer oder die komplizierten Beziehungen der Menschen zu ihren Maschinen. Wechselwirkung-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-924709-00-9.
  • Wolfgang Sachs: Die Liebe zum Automobil. Ein Rückblick in die Geschichte unserer Wünsche. Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-498-06166-6.
  • Joseph Weizenbaum: Computer Power and Human Reason. From Judgement to Calculation. W. H. Freeman and Company, Freeman, San Francisco CA 1976, ISBN 0-7167-0464-1 (Deutsch als: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-27874-6 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 274); zahlreiche Auflagen).

Quellen

  1. Neil Turbull: At Modernity's Limit. Technology as World and Idea. In: Theory, Culture & Society. Vol. 23, nr. 7–8, Dezember 2006, Skriptfehler: Das Modul gab einen nil-Wert zurück. Es wird angenommen, dass eine Tabelle zum Export zurückgegeben wird., S. 135–150, Zitat S. 40.

Siehe auch