Testex
TESTEX AG
| |
---|---|
Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 22. September 1846 |
Sitz | Zürich, Schweiz |
Leitung | Rainer Roten, CEO |
Mitarbeiterzahl | > 300 |
Branche | Textilprüfung, Zertifizierung |
Website | www.testex.com |
Stand: 2021 |
Testex (Eigenschreibweise TESTEX) ist ein global tätiges und unabhängiges Schweizer Prüf- und Zertifizierungsunternehmen mit Schwerpunkt in der Textilprüfung. Die Testex AG ging aus der 1846 gegründeten Seidentrocknungsanstalt Zürich hervor und unterhält heute weltweit rund 30 Niederlassungen.[1]
Testex Gruppe
Die Gruppe mit Hauptsitz in Zürich besteht aus der Testex AG, der ÖTI GmbH (Österreich), der PT. Testex (Indonesien), der Swiss Textile-Testing Ltd. Hong Kong und der Testex Textile Testing Co. Ltd. Beijing. Testex ist der offizielle Repräsentant der Oeko-Tex-Gemeinschaft in China (inklusive Hongkong), Taiwan, Indonesien, Südkorea, Australien, Kanada, Malaysia, den Philippinen, Mauritius, Madagaskar und der Schweiz.
Geschäftsbereiche
Analytische Prüfungen
Das nach ISO 17025 akkreditierte[2] analytische Labor der Testex führt zahlreiche analytische Prüfungen auf Schadstoffe, Rückstände und Spuren durch. Geprüft und auditiert wird auch nach Vorgaben der Oeko-Tex Gemeinschaft. Diese umfassen unter anderem den Oeko-Tex-Standard 100, STeP, MADE IN GREEN, ECO PASSPORT und LEATHER by Oeko-Tex. Die Produktpalette wird kontinuierlich ausgebaut und richtet sich nach den aktuellen Marktbedürfnissen.
Textilphysikalische und -chemische Prüfungen
Testex führt textilphysikalische und textilchemische Prüfungen an Fasern, Garnen/ Zwirnen, Geweben, Maschenwaren, Vliesstoffen und Fertigprodukten durch. Die Dienstleistungen beinhalten zusätzlich bekleidungsphysiologische Prüfungen an Flächengebilden, fertig konfektionierten Textilien und die Prüfung der Anforderungsnormen nach ISO 17065[2][3] von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA). Hierzu gehören auch diverse Brand- und Bodenprüfungen.
Geschichte
Die Seidenindustrie in Zürich
Bereits um 1237 wurde Rohseide von Como aus via Walenstadt nach Zürich gebracht. Damals wurde die Fracht in primitiven Fahrzeugen, über schlecht gepflasterte Strassen, enge Saumpfade und gefährlich schwankende Stege transportiert.[4] Die Überführung der Seide war zu jener Zeit noch viel aufwändiger und gefährlicher als heutzutage. Es galt den Septimer-Pass und die alte Reichsstrasse zu überwinden um nach Chur und schliesslich Walenstadt zu gelangen. Von da an transportierten Schiffer die Ware auf dem Seeweg direkt nach Zürich. Bei ihrer Ankunft in Zürich wurde die Ware unweit der Helmhausbrücke verladen und schliesslich in einem Kaufhaus beim Fraumünster verkauft.[4]
Die Seidentrocknung
Um das “Leergewicht” der Seide bestimmen zu können, muss diese vollständig getrocknet werden. Dieses hängt jedoch stark von der Luftfeuchtigkeit ab. Das Material entzieht der Luft ihre Feuchtigkeit, saugt sich voll und gewinnt dadurch an Gewicht.[5] Diese Eigenschaften erschweren die Gewichtsbestimmung bei der Rohseide, wodurch sich die Notwendigkeit einer unabhängigen „Wäge Anstalt“ ergab. Die unabhängigen Institutionen trockneten die Seide aller Händler nach denselben Verfahren und ermöglichten so einen gerechten Seidenhandel. Die Seidentrocknungsanstalt ist also per Definition: „Eine neutrale Stelle, deren Prüfungsergebnisse von beiden Vertragsparteien als bindend anerkannt werden.“[6]
So kam es, dass die erste Seidentrocknungsanstalt am 8. April 1724 in Turin ihre Pforten öffnete.[6] Sie blieb lange die einzige ihrer Art. Erst 1779 eröffnete der Lyoner Kaufmann Rast-Maupas ein Pendant mit verbesserten Verfahren in Lyon. Während der Französischen Revolution wurde die „Condition“ von Rast-Maupas während rund zwei Jahren geschlossen. Während dieser Zeit wurden in Lyon drei Konkurrenzinstitute gegründet und es brach ein wilder Wettbewerb aus. Im Jahre 1805 erteilte Napoleon deshalb der Lyoner Handelskammer ein Monopol zur Seidentrocknung, worauf 1814 ein Staatsinstitut eröffnet wurde.[7] Seit der Eröffnung der Turiner-, Lyoner- und Mailänder-Anstalten folgten rasch weitere Gründungen in Elberfeld, Krefeld, Saint-Étienne, Wien, die schweizerischen Anstalten und schliesslich auch in New York, Yokohama, Kobe, Shanghai und Guangzhou.[6]
Die Gründung
Um 1846 erlebten Seidenhandel und Seidengewerbe einen grossen Aufschwung. Es war daher naheliegend, dass man nicht länger von ausländischen Trocknungsanstalten abhängig sein wollte. So kam es, dass ein „provisorisches Comité“ die Gründung einer Seidentrocknungsanstalt in Zürich beschloss. Am 22. September 1846 genehmigte die konstituierte Generalversammlung schliesslich die Statuten. Rund 50 Seidenfachleute fanden sich im „Zunfthaus zum Zimmerleuten“ ein, um den Vorstand für die neugegründete Institution zu bestimmen. Als Verwaltungsratspräsident wurde Oberst Heinrich von Muralt-Stockar gewählt, zum Direktor wurde Herr Schwarzenbach-Imhof ernannt.[8] Der Verwaltungsrat tagte erstmals drei Tage später und der Betrieb wurde am 1. Juni 1847 aufgenommen. Damals verfügte man noch über keine Erfahrung auf dem Gebiet der Seidentrocknung.[9]
Für die Gründung der Seidentrocknungsanstalt sind drei Personen hauptverantwortlich. Sie wurden durch Auslandsaufenthalte auf das System der Seidentrocknung aufmerksam und wollten dieses auch in der Schweiz etablieren, um weniger vom Ausland abhängig zu sein. Alle Beteiligten waren politisch aktiv und stadtweit bekannt.
Oberst Heinrich von Muralt-Stockar fungierte 14 Jahre lang als Verwaltungsratspräsident und war der Sohn des damaligen Zürcher Bürgermeisters Hans Conrad von Muralt. Er übernahm bereits im Alter von 27 Jahren das väterliche Seidenhandelsgeschäft Heinrich de Daniel Muralt und fungierte unter anderem als Präsident des Baukollegiums und der Dampfschifffahrtgesellschaft.
Rittmeister Conrad Bürkli war als oberster Feuerwehrkommandant mit von Muralt eng befreundet. Zudem war er seit 1811 Inhaber der Siedenhandlung Johann Georg Bürkli und Teil des grösseren Stadtrates.
Johann Heinrich (Henry) Bodmer-Pestalozzi entstammte der Familie Bodmer zur Arch und war Inhaber des gleichnamigen Seidenfabrikationsgeschäfts. Die Unternehmung zählte zu den ersten, die in der Schweiz Seidengazen herstellten.
Räumlichkeiten
In den Jahren zwischen 1846 und 1863 residierte die Seidentrocknungsanstalt im „äusseren Tiefenhof“, wo heute der Firmenhauptsitz der Zürcher Kantonalbank liegt. Dabei handelte es sich um eine rund 5525 Quadratfuss grosse Räumlichkeit mitten im Zentrum Zürichs.[10] Am 1. Oktober 1849 wurde bereits eine Zweigniederlassung in Basel eröffnet, die sich 1872 bereits organisatorisch und finanziell von der Zürcher Muttergesellschaft loslöste.[11] Aufgrund raschen Wachstums und akuter Platznot wurde um 1861 die neue Räumlichkeit, dem „weissen Bären“ an der Ecke Bärengasse und Talstrasse, erworben. Nach zweijährigen Umbauten und der Einrichtung erfolgte 1863 der Umzug. Diese Lokalität blieb bis 1932 in Betrieb und wurde dann durch den heutigen Firmenhauptsitz in Zürich Enge abgelöst. Dieser wurde am 14. April 1932 offiziell eingeweiht. Obwohl bereits 1889 eine Vergrösserung der Geschäftsfläche diskutiert wurde, konnte diese aufgrund des Ersten Weltkrieges erst verzögert umgesetzt werden.[12]
Blütezeit der Zürcher Seidenindustrie
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts läuteten die Freihandelspolitik und technische Fortschritte, wie das Telefon oder der Telegraf, eine Blütezeit für den Seidenhandel ein. Der Anschluss an die Gotthardbahn von 1882 und die Fertigstellung des Sueskanals im Jahre 1869 erleichterten den Internationalen Handel zudem immens. Durch die konstante Weiterentwicklung der Seidentrocknungstechniken und die verbesserte Logistik und Lagerung der Seide avancierte Zürich zum Dreh- und Angelpunkt des internationalen Seidenhandels.
Kriegs- und Nachkriegsjahre
Diese Position manifestierte sich während dem Ersten Weltkrieg noch zusätzlich, auch wenn die erschwerten Bedingungen einige Unterbrüche und Ertragseinbrüche zur Folge hatten. Viele Banken und andere Geschäfte schlossen bei Kriegsausbruch ihre Schalter. Dies hatte eine Knappheit an Barmitteln zur Folge, die sich bald bemerkbar machte. Die Heimatländer der Anstalten in Mailand, Turin, Lyon, Krefeld und später auch Tokio und New York befanden sich alle im Krieg. Dies begünstigte die Seidenindustrie in Zürich immens und sie verzeichnete zwischen 1915 und 1917 Rekordumsätze.[12]
Der Zweite Weltkrieg
Der Übergang von der Friedens- zu Kriegswirtschaft verlief im Zweiten Weltkrieg reibungsloser als im Ersten, die Kriegsjahre waren dafür umso härter. Die Schweiz wurde als Volkswirtschaft weitgehend von ausländischen Absatzmärkten getrennt. Der Seidenhandel war von Rationierungsmassnahmen zwar ausgenommen, wurde aber wie alle anderen Textilbranchen dem Schweizerischen Textil-Syndikat unterstellt. Einzig die Ausfuhr wurde durch die vom Bundesrat erlassene Exportgarantie erleichtert.[13] Ab 1944 erfuhr die Seide einen gewissen Aufschwung, da Wolle und Baumwolle vorübergehend knapp wurden. Nach Kriegsende begann das Seidengeschäft wieder aufzublühen. Große italienische Seidenvorräte wurden in die Schweiz exportiert und kurbelten so die hiesige Wirtschaft an.
Gegenwart
Rückgang der schweizerischen Seidenindustrie
Durch das Aufkommen moderner Kunstfasern, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde in der Zürcher Seidenindustrie immer weniger reale Seide verarbeitet.[14] Der Bedarf an klassischen Seidentrockungsverfahren nahm in der Folge deutlich ab. Das Unternehmen reagierte 1970 auf die veränderten Rahmenbedingungen, wandte sich der allgemeinen Textilprüfung zu und gab sich einen neuen Namen: Testex AG.[1] Damit wurde der Grundstein für die Neuausrichtung zum modernen Prüfbetrieb gelegt. Im Jahre 1993 folgte der Beitritt zur Oeko-Tex Gemeinschaft und somit auch die Aufnahme von humanökologischen Textilprüfungen.[1]
Testex heute
Viel zeugt heute nicht mehr von der Seidentrocknung. Die seidenen Zeiten Zürichs gehören der Vergangenheit an und auch die gesamtschweizerische Textilindustrie ist längst rückläufig. Die Seidentrocknungsanstalt ist dem Untergang jedoch entkommen. Heute zählt die Testex AG zu den weltweit grössten Prüfinstituten für Textilien. Insbesondere seit der Jahrtausendwende erfuhr sie ein grosses Wachstum. Zählte die Testex AG Ende 2006 noch 66 Mitarbeitende,[15] so sind es 2017 über 300 Beschäftigte an über 30 Standorten weltweit.[1]
Literatur
- Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich (1846–1946). Orell Füssli AG, Zürich 1946 [1]
- Hochschule Luzern, Silk Memory: Testex
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Über uns. testex.com, abgerufen am 2. November 2021.
- ↑ a b Schweizerische Akkreditierungsstelle SAS: Suche akkreditierte Stellen SAS. Abgerufen am 20. April 2017.
- ↑ EUROPA – European Commission – Growth – Regulatory policy – NANDO. Abgerufen am 20. April 2017 (englisch).
- ↑ a b Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 7.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 19.
- ↑ a b c Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 24.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 22.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 28.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 29.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 31.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 33.
- ↑ a b Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 77.
- ↑ Hans Jenny: Hundert Jahre Seidentrocknungs-Anstalt Zürich, 1846–1946. Orell Füssli AG, Zürich 1946, S. 65.
- ↑ Liliane Mottu-Weber: Seide. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 23. Mai 2013, abgerufen am 7. Juli 2019.
- ↑ Von der «Sidetröckni» zum Hightech-Betrieb – das Textilprüfinstitut Testex: Ist der Teddybär resistent gegen Speichel? In: Neue Zürcher Zeitung. 29. Dezember 2006, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 27. April 2017]).