Tetrahydroxydiboron

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Strukturformel
Strukturformel von Tetrahydroxydiboron
Allgemeines
Name Tetrahydroxydiboron
Andere Namen
  • Diboronsäure
  • Hypoborsäure
  • Unterborsäure
Summenformel B2(OH)4
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 13675-18-8
EG-Nummer 694-407-6
ECHA-InfoCard 100.222.662
PubChem 10986154
Eigenschaften
Molare Masse 89,6514 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,657 g·cm−3 (−173 °C)[1]

Schmelzpunkt

143–148 °C (Zersetzung)[2]

Löslichkeit

sehr gut löslich in Wasser,[3] löslich Ethanol, DMF, DMSO, DMA[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302+332​‐​315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338 [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tetrahydroxydiboron ist eine anorganische chemische Verbindung, die der Gruppe der Diboronverbindungen zugeordnet sowie auch als eine Borsäure betrachtet werden kann. Diboronverbindungen können formal als Bor(II)-Verbindungen gesehen werden.

Geschichte

Die Verbindung wurde erstmals 1937 von Egon Wiberg und Wilhelm Ruschmann als neue Borsäure (Unterborsäure) beschrieben.[5] Die Synthese ging vom Bortrichlorid aus, welches durch eine Umsetzung mit einer unterstöchiometrischen Menge an Methanol in den Diester umgewandelt wurde.[6]

In der folgenden Reduktion mit Natrium wurde analog zu einer Wurtzschen Synthese im gebildeten Tetramethoxydiboron die Bor-Bor-Bindung geknüpft.

Das Tetrahydroxydiboron wurde dann durch die Verseifung des Tetramethoxydiborons erhalten.

Gewinnung und Darstellung

Neben der Herstellung aus ihren Estern[7][5] wurden in den 1950er Jahren von T. Wartik und E.F. Apple Synthesen aus Tetrachlordiboron[1][8][9] und von R. Brotherton aus Tetra(dimethylamino)diboron[10][11] beschrieben.

Tetrahydroxydiboron synthesis01.svg

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Tetrahydroxydiboron bildet farblose Kristalle, die in einem monoklinen Kristallgitter mit der Raumgruppe P21/c (Raumgruppen-Nr. 14)Vorlage:Raumgruppe/14 auftreten.[1] Im Kristallgitter sind die Moleküle über Wasserstoffbrücken zweidimensional verknüpft.[1]

Chemische Eigenschaften

Analog zur Borsäure B(OH)3, deren Entwässerung das Bortrioxid B2O3 ergibt, führt die Entwässerung von Tetrahydroxydiboron zum Bor(II)-oxid (BO)x.

Die Wasserabgabe startet schon bei 90 °C, wobei für eine vollständige Umsetzung ein mehrstündiges Erhitzen auf 220 °C notwendig ist.[8]

Die Verbindung wirkt als starkes Reduktionsmittel.[12] So wird eine Kaliumpermanganatlösung entfärbt bzw. aus einer Silbernitratlösung Silber abgeschieden.[5] Die wässrige Lösung ist nicht stabil. Schon bei Raumtemperatur erfolgt ein langsamer Zerfall zur Borsäure unter Wasserstoffentwicklung.[5][4]

In Gegenwart von Luftsauerstoff wird innerhalb von zwei Stunden direkt Borsäure gebildet.[5]

Verwendung

In der organischen Synthese wird die Verbindung zur Einführung einer Borsubstitution am aktivierten Kohlenstoff im Molekül benutzt.[4] Eine direkte Boronierung von Aromaten mit Palladium-Katalyse unter Bildung der entsprechenden Phenylboronsäuren ist möglich.[13][14]

Tetrahydroxydiboron reaction01.svg

In Gegenwart von Kaliumhydrogendifluorid bildung der entsprechenden Trifluorphenylboraten[13]

Tetrahydroxydiboron reaction02.svg

Die Phenylboronsäuren sowie die Trifluorphenylborate dienen als Edukte bei Suzuki-Kupplungen.

Einzelnachweise

  1. a b c d e R. A. Baber, N. C. Norman, A. G. Orpen, J. Rossi: The solid-state structure of diboronic acid, B2(OH)4. In: New J. Chem. 27, 2003, S. 773–775, doi:10.1039/B302496M.
  2. a b c Datenblatt Tetrahydroxydiboron bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 28. Februar 2014 (PDF).
  3. R. J. Brotherton: The chemistry of compounds with B–B bond. In: H. Steinberg, A. L. McCloskey (Hrsg.): Progr. Boron Chem. Vol. 1, Pergamon 1964, ISBN 978-1-4832-1146-6, S. 1–82.
  4. a b c e-EROS Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis, 1999–2013, John Wiley and Sons, Eintrag für Tetrahydroxydiboron, abgerufen am 28. Februar 2014.
  5. a b c d e E. Wiberg, W. Ruschmann: Über eine neue Borsäure (‚Unterborsäure’) der Formel H4B2O4 und ihre Ester. In: Chem. Ber. 70, 1937, S. 1393–1402, doi:10.1002/cber.19370700636.
  6. E. Wiberg, H. Smedsrud: Zur Kenntnis einiger Verbindungen vom Typus BCl3–n(OR)n. (Über alkoxyl-substituierte Borchloride). In: Z. anorg. allgem. Chem. 202, 1931, S. 1–21, doi:10.1002/zaac.19312020102.
  7. H. Noeth, W. Meister: Beiträge zur Chemie des Bors, VI: Über Subverbindungen des Bors. Hypoborsäure-tetrakis-dialkylamide und Hypoborsäure-ester. In: Chem. Ber. 94, 1961, S. 509–514, doi:10.1002/cber.19610940234.
  8. a b T. Wartik, E. F. Apple: A new modification of boron monoxide. In: J. Am. Chem. Soc. 77, 1955, S. 6400–6401, doi:10.1021/ja01628a116.
  9. T. Wartik, E. F. Apple: The reactions of diboron tetrachloride with some hydrogen compounds of non-metallic elements and with dimethyl sulfide. In: J. Am. Chem. Soc. 80, 1958, S. 6155–6158, doi:10.1021/ja01556a002.
  10. R. J. Brotherton: Method for preparing tetrahydroxydiboron. Patent US 3130009 A, Prioritätsdatum 21. September 1959.
  11. N. S. Hosmane: Icons of Boron Chemistry. In: Chem. Int. Band 34, Nr. 4, 2012, S. 14–18, Link.
  12. N. Turova: Inorganic Chemistry in Tables. Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2011, S. 71, doi:10.1007/978-3-642-20487-6_23.
  13. a b S. M. Kennedy, G. A. Molander, S. L. J. Trice, S. D. Dreher, M. T. Tudge: Scope of the Palladium-Catalyzed Aryl Borylation Utilizing Bis-Boronic Acid. In: J. Am. Chem. Soc. 134, 2012, S. 11667–11673, doi:10.1021/ja303181m.
  14. B. G. Davis, Z. Gao, V. Gouverneur: Enhanced Aqueous Suzuki–Miyaura Coupling Allows Site-Specific Polypeptide 18F-Labeling. In: J. Am. Chem. Soc. 135, 2013, S. 13612–13615, doi:10.1021/ja4049114.