Theatrum sacrum
Theatrum sacrum (lat. „heiliges Theater“) bezeichnet im Zusammenhang mit den kunstgeschichtlichen Stilepochen des Barocks und des Rokokos die bildliche Darstellung der christlichen Heilsgeschichte unter Einbeziehung „theatralischer“ Effekte, die beim Betrachter gefühlsbetonte Wirkungen wie Staunen, Überraschung und Überwältigung hervorrufen sollten.
Dahinter stand das Bemühen, angesichts des zu jener Zeit noch hohen Anteils von Analphabeten in der Bevölkerung die Heilslehre auch unmittelbar visuell-sensitiv und durch nachvollziehendes Erleben zu vermitteln. Als bevorzugte künstlerische Mittel wurden zu diesem Zweck äußerste Prachtentfaltung, bewegte Komposition, eine warme Farbigkeit und dramatisches Mienen- und Gebärdenspiel eingesetzt. Das darzustellende Geschehen wurde in starker Bewegung und mit theatralischer Lichtführung ausgeführt.
Die höchste Steigerung erfuhr das theatrum sacrum in der Verschmelzung von Architektur, Plastik und Malerei zum Gesamtkunstwerk, etwa bei Deckenfresken und Hochaltären in Kirchenneu- oder -umbauten aus jener Zeit; siehe z. B.: Erfurter Dom.
Literatur
- Ursula Brossette, Die Inszenierung des Sakralen. Das theatralische Raum- und Ausstattungsprogramm süddeutscher Barockkirchen in seinem liturgischen und zeremoniellen Kontext, Weimar 2002
- Ralf van Bühren Kirchenbau in Renaissance und Barock. Liturgiereformen und ihre Folgen für Raumordnung, liturgische Disposition und Bildausstattung nach dem Trienter Konzil, in: Operation am lebenden Objekt. Roms Liturgiereformen von Trient bis zum Vaticanum II, hrsg. von Stefan Heid, Berlin 2014, S. 93–119 - Volltext online
- Hans Tintelnot, Barocktheater und barocke Kunst. Die Entwicklungsgeschichte der Fest- und Theater-Dekoration in ihrem Verhältnis zur barocken Kunst, Berlin 1939