Theodor Habicht
Theodor August Otto Wilhelm Habicht (* 4. April 1898 in Wiesbaden; † 31. Januar 1944 in Newel (Pskow)) war ein deutscher Politiker (NSDAP). Er war von 1937 bis 1938 Oberbürgermeister von Wittenberg und 1939 von Koblenz sowie Mitglied des Reichstags. Habicht gilt als wichtigster Drahtzieher des Juliputsches der Wiener SS-Standarte 89, bei dem der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß am 25. Juli 1934 ermordet wurde.
Leben
Habicht, Sohn eines Schriftsetzers, wechselte nach dem Besuch der Mittelschule in Wiesbaden 1908 auf das dortige reformierte Realgymnasium. 1910 zog er mit seinen Eltern nach Berlin, erwarb im September 1914 die mittlere Realschulreife und begann eine kaufmännische Ausbildung.
Am 2. November 1915 meldete sich Habicht im Alter von 17 Jahren freiwillig zum Militär, wo er in das Feld-Artillerie-Regiment 74 kam, das im Februar 1916 an die Westfront verlegt wurde. Im Februar 1917 wurde er in das Feld-Artillerie-Regiment 500 nach Italien versetzt, wo er im Dezember 1917 verunglückte. Seine Verletzungen heilte er bis Januar 1918 im Lazarett aus und wurde dann zum Fuß-Artillerie-Regiment 129 an die Westfront verlegt. Durch die Demobilisierung am 4. Januar 1919 kehrte er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet als Leutnant der Reserve nach Berlin zurück, wo er deutsch-nationalistisches Gedankengut kennenlernte, und begab sich 1920/21 zurück nach Wiesbaden. Dort wurde er kaufmännischer Angestellter und heiratete am 20. Mai 1922 Margarethe Meyer. Er führte daraufhin ein bürgerliches Leben und wurde in einem Warenhaus Abteilungsleiter für Parfümerieartikel.
Anfänglich war Habicht Marxist[1] und Mitglied der kommunistischen Partei[2], trat aber am 29. Juli 1926 in die NSDAP ein. Im April 1927 wurde er stellvertretender Ortsgruppenleiter der NSDAP in Wiesbaden. Im Juli 1927 gab Habicht seine kaufmännische Anstellung auf, gründete die Wochenzeitschrift Nassauer Beobachter und im Dezember 1927 als dessen Ableger den Pfälzer Beobachter, der zum offiziellen Organ des Gaues wurde. Aufgrund von Vergehen gegen das Pressegesetz wurde Habicht zu 200 RM Geldstrafe verurteilt. Er rechtfertigte sein Vergehen im Nassauer Beobachter. Habicht wurde bald Ortsgruppenleiter der NSDAP Wiesbaden und gehörte ab dem 20. Mai 1928 dem Stadtparlament von Wiesbaden an. 1930 zog Habicht in den Provinziallandtag Hessen-Nassau ein und war daneben im evangelischen Landeskirchentag Nassau vertreten. Aufgrund innerparteilicher Auseinandersetzungen erfolgte am 11. Juni 1930 die Umbenennung des Nassauer Beobachter in Rheinwacht; die Zeitung meldete am 20. Juni 1931 Insolvenz an.
Am 21. Juli 1931 flüchtete Habicht zunächst vor den Folgen des Bankrotts und wurde Landesinspekteur der NSDAP in Österreich. Mit dem Einzug in den deutschen Reichstag am 16. September 1931 fiel Habicht unter die Immunitätsregelung für Parlamentarier. Auf Wunsch Adolf Hitlers setzte Habicht seine Arbeit in Österreich weiter fort. Der Rücktritt des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Karl Buresch wurde Habicht als Erfolg angerechnet. Nach einem Anschlag auf Richard Steidle durch deutsche Nationalsozialisten am 11. Juni 1933 wurde Habicht des Landes verwiesen.[3] Habicht unterstützte nach dem niedergeschlagenen Februaraufstand der Sozialdemokraten den mit nationalsozialistischer Hilfe aus dem Gefängnis entwichenen und nach Deutschland geflohenen Richard Bernaschek. Bureschs Nachfolger, Engelbert Dollfuß, versuchte die wachsende Macht der Nationalsozialisten durch Einschnitte zu verhindern. Daraufhin wurde der Plan gefasst, Dollfuß zu beseitigen. Das Attentat gelang, der nationalsozialistische Putsch schlug jedoch fehl. Habicht wurde seiner nationalsozialistischen Ämter enthoben, fiel bei Hitler in Ungnade und verschwand zunächst in der Versenkung.
Das Hauptamt für Kommunalpolitik bei der Reichsleitung der NSDAP hatte 1936 Interesse daran, Habicht in kommunale Dienste zu übernehmen. In der Folge wurde er Oberbürgermeister in Wittenberg. 1938, während seiner Amtszeit, wurden die Gemeinden Teuchel und Labetz angeschlossen. Nachträglich wurde der Beschluss des Magistrats von 1922, dass Wittenberg offiziell die Bezeichnung „Lutherstadt Wittenberg“ führen solle, ministeriell genehmigt.
Auf Drängen des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Josef Terboven und Gauleiter Gustav Simon musste der Koblenzer Oberbürgermeister Otto Wittgen am 20. März 1939 in den Ruhestand treten. Die NSDAP bestimmte Habicht zum Nachfolger, der seit 4. Juli 1939 im Amt war. Nach seiner Mobilisierung am 27. August rückte er zur Wehrmacht ein. Hier kam er zunächst in das 1. Feldersatzbataillon, Abteilung 14 in Oschatz/Sachsen. Er wurde zwar im Oktober 1939 beurlaubt, um das Amt des Oberbürgermeisters in Koblenz annehmen zu können. Stattdessen bewarb er sich im Herbst 1939 um eine Stelle im Auswärtigen Amt in Berlin, wo ihn Hitler zum Unterstaatssekretär und Leiter der Informations-, Presse- und Rundfunkabteilung ernannte. Die Koblenzer lösten daraufhin sein Anstellungsverhältnis als Oberbürgermeister im Dezember 1939 auf.
Im September 1940 ging Habicht wieder zum Militär, wo er dem Infanterie-Regiment 27 zugeordnet wurde. Bei Kampfhandlungen in der Nähe des Flüsschens Pola am 12. September 1941 wurde er verwundet. Er kurierte diese Verletzungen im Reservelazarett III in Königsberg, dem Reservelazarett 123 Berlin-Zehlendorf und dem Reservekurlazarett Bad Reichenhall bis zum 4. Dezember 1941 aus. Im Frühjahr 1942 kehrte er wieder zur kämpfenden Truppe als Kompaniechef zurück, wurde im Februar 1943 zum Hauptmann befördert und erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Er wurde im Herbst 1943 zum Bataillonsführerlehrgang geschickt und wurde am 25. November 1943 Bataillonskommandeur in der 83. Infanterie-Division.
Bei Kampfhandlungen dieser Division fiel Habicht am 31. Januar 1944, vermutlich im Gebiet um Newel. Die Beförderung zum Major erfolgte postum.
Literatur
- Ronny Kabus: Juden der Lutherstadt Wittenberg im III. Reich. Ausstellung für die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und das Luther-Zentrum e. V. in der Lutherstadt Wittenberg im Jahr 2003. Nach einer Exposition in der Lutherhalle Wittenberg von 1988. Drei-Kastanien-Verlag, Wittenberg 2003, ISBN 3-933028-75-2. 3. neu bearbeitete und erweiterte Ausgabe BoD Norderstedt 2012. ISBN 978-3-8448-0249-8
- Gerhard Keiper, Martin Kröger: Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. G–K. Hrsg.: Auswärtiges Amt – Historischer Dienst. Band 2. Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-71841-X.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Heinrich Kühne: Eingemeindung von Teuchel und Labetz. In: Heinrich Kühne erzählt Wittenberger Geschichten. Teil 3. Fläming-Verlag, Kropstädt 1994.
- Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 160.
- Nassauische Parlamentarier. Teil 2: Barbara Burkardt, Manfred Pult: Der Kommunallandtag des Regierungsbezirks Wiesbaden 1868–1933 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau. Bd. 71 = Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen. Bd. 17). Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 2003, ISBN 3-930221-11-X, Nr. 123.
- Felix Römer: Die narzisstische Volksgemeinschaft. Theodor Habichts Kampf 1914 bis 1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-10-397284-9.
- Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Band 69). Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-7585-4, S. 492.
- Hans Schafranek: Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934. Czernin, Wien 2006, ISBN 3-7076-0081-5.
- Wolfgang Schütz: Koblenzer Köpfe. Personen der Stadtgeschichte. Namensgeber für Straßen und Plätze. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag für Anzeigenblätter GmbH, Mülheim-Kärlich 2005.
- Stephanie Zibell: Oberbürgermeister Theodor Habicht – Werdegang eines Nationalsozialisten. In: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur. NF 9/10 (1999/2000), ISSN 1617-7053, S. 72–100.
Weblinks
- Literatur von und über Theodor Habicht im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Theodor Habicht in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Theodor Habicht in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Felix Römer: NS-Funktionär Theodor Habicht – Selbstverliebt wie der „Führer“ In: Spiegel Online, 8. September 2017
- Habicht, Theodor August Otto Wilhelm. Hessische Biografie. (Stand: 4. April 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Eintrag zu Theodor Habicht in der Rheinland-Pfälzischen Personendatenbank
Einzelnachweise
- ↑ Gottfried-Karl Kindermann: Österreich gegen Hitler. Europas erste Abwehrfront 1933–1938. Langen Müller, München 2003, ISBN 978-3-7844-2821-5, S. 40.
- ↑ Gerhard Jagschitz: Der Putsch: Die Nationalsozialisten 1934 in Österreich. Styria, Graz 1976, ISBN 3-222-10884-6, S. 24.
- ↑ Robert Kriechbaumer: Die grossen Erzählungen der Politik: politische Kultur und Parteien in Österreich von der Jahrhundertwende bis 1945 (= Robert Kriechbaumer, Hubert Weinberger, Franz Schausberger [Hrsg.]: Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek. Band 12). Böhlau, Wien 2001, ISBN 978-3-205-99400-8, S. 695.
Personendaten | |
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NAME | Habicht, Theodor |
ALTERNATIVNAMEN | Habicht, Theo; Habicht, Theodor August Otto Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (NSDAP), MdR |
GEBURTSDATUM | 4. April 1898 |
GEBURTSORT | Wiesbaden |
STERBEDATUM | 31. Januar 1944 |
STERBEORT | Newel |