Theodor Schieffer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Grab von Theodor Schieffer und seiner Ehefrau Annelise geborene Schreibmayr im Familiengrab Rieck auf dem Burgfriedhof Bad Godesberg in Bonn

Theodor Schieffer (* 11. Juni[1] oder 11. Juli[2] 1910 in Bad Godesberg; † 9. April 1992 ebenda) war ein deutscher Historiker und Diplomatiker, der die Geschichte des frühen und hohen Mittelalters erforschte. Er bekleidete Lehrstühle für Mittelalterliche Geschichte an den Universitäten Mainz (1951–1954) und Köln (1954–1975). Schieffer gehörte als Urkundeneditor zu den bedeutendsten Diplomatikern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Leben und Wirken

Theodor Schieffer, Sohn eines Volksschulrektors und späteren Stadtschulrates, studierte von 1929 bis 1935 Geschichte, Romanistik und Klassische Philologie in Bonn, Berlin und Paris. In Bonn wurde er Mitglied des K.St.V Arminia und in Berlin des K.St.V. Semnonia im Kartellverband.[3] Anschließend wurde er 1934 bei Wilhelm Levison promoviert über das Thema: „Die päpstlichen Legaten in Frankreich vom Vertrage von Meersen (870) bis zum Schisma von 1130“. 1935 wurde er Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica (MGH). Von deren Präsidenten Paul Fridolin Kehr und seinem Nachfolger Edmund E. Stengel wurden ihm die selbstständige Bearbeitung der Diplomata Lothars I., Lothars II., Zwentibolds, Ludwigs des Kindes und der burgundischen Könige übertragen; aus dieser Beschäftigung ging 1942 seine Habilitationsschrift „Das Urkundenwesen der Könige von Burgund“ hervor. Er wechselte in den Archivdienst, da er eine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus hatte. Um eine beschleunigte Verbeamtung nach dem Ende der Archivarausbildung zu erreichen, beugte sich Schieffer und trat zum 1. Dezember 1939 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 7.280.318).[4] 1939 legte er die Archivprüfung ab und wurde Staatsarchivassessor am Geheimen Staatsarchiv, 1942 dort Staatsarchivrat. Vom Sommer 1940 bis Anfang 1942 gehörte er der Archivschutzkommission in Paris an und leitete umfangreiche Verfilmungsmaßnahmen in nordfranzösischen und belgischen Archiven.[5] 1942 heiratete Schieffer in Berlin. Aus der Ehe stammten zwei Töchter und ein Sohn. Sein 1947 geborener Sohn Rudolf Schieffer war von 1994 bis 2012 Präsident der Monumenta Germaniae Historica.

Nach dem Krieg stand einer Universitätslaufbahn nichts mehr im Wege und so wurde er 1946 zunächst Dozent mit dem Titel eines außerplanmäßigen Professors an der neugegründeten Universität Mainz, 1951 wurde er dort ordentlicher Professor. Einen zwischenzeitlichen Ruf auf den Münchener Lehrstuhl von Rudolf von Heckel lehnte er ab. Als Nachfolger von Gerhard Kallen wechselte er 1954 auf den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte sowie Geschichtliche Hilfswissenschaften nach Köln. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1975. Eine Berufung nach Wien lehnte er ab. Zu Schieffers akademischen Schülern gehörten unter anderem Egon Boshof, Ludwig Falkenstein, Hermann Jakobs, Hans Heinrich Kaminsky und Josef Semmler.

Von 1952 bis 1955 war er Präsident der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte. Er wurde 1956 Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica in München, ebenso 1957 in der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und 1964 dann auch in der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und ebenfalls 1964 als korrespondierendes Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften und seit 1969 als ordentliches Mitglied. Schieffer war von 1968 bis 1974 Mitherausgeber der Historischen Zeitschrift. Seinem eigenen Wunsch entsprechend erhielt Schieffer keine Festschrift.[6] Am 9. April 1992 ist Schieffer in seiner Geburtsstadt Bad Godesberg gestorben. Nach seinem Tod erschien eine kleine von der MGH herausgegebene Gedenkschrift. Nach dem Tod seines Sohnes wurde sein wissenschaftlicher Nachlass dem Archiv der MGH übergeben.

Schieffer veröffentlichte 1954 zum 1200. Gedenktag von Bonifatius die bahnbrechende Studie Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas. Dabei vermied Schieffer eine Heroisierung des angelsächsischen Missionars und stellte nüchtern fest: „Der Heidenprediger, der Bistums- und Klostergründer, der Märtyrer ist nicht zu lösen von dem autoritätsgläubigen, scheinbar schwunglosen, ängstlich-kleinlichen, unselbständigen, ja engherzigen Repräsentanten der römischen Amtskirche“.[7] Auf einem Vortrag bei den Bonifatius-Feierlichkeiten in Mainz im Juni 1954 zeichnete Schieffer ein schnörkelloses Bild des Missionars. Für Bonifatius lehnte Schieffer den Titel „Apostel der Deutschen“ ab. Vielmehr wurde Bonifatius zum Architekten des christlichen Europas im Sinne des Abendlandes umgedeutet. Doch auch für Schieffer war Bonifatius „ein bahnbrechender Mitbegründer unseres Kulturkreises“.[8] Für die von Peter Rassow herausgegebene Darstellung „Deutsche Geschichte im Überblick“ verfasste Schieffer den Beitrag über „Das Zeitalter der Salier 1024–1125“.

Schriften (Auswahl)

  • Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas. Herder, Freiburg 1954.
  • Angelsachsen und Franken. Zwei Studien zur Kirchengeschichte des 8. Jahrhunderts (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse. Jahrgang 1950, Band 20). Verlag der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (in Kommission bei Franz Steiner Verlag, Wiesbaden), Wiesbaden 1951.

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Konrad Fuchs: Schieffer, Theodor. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 16, Bautz, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4, Sp. 1420–1426.
  2. Mitarbeiterseite bei der Monumenta Germaniae Historica.
  3. Wolfgang Löhr: Theodor Schieffer. In: Siegfried Koß, Wolfgang Löhr (Hrsg.): Biographisches Lexikon des KV. 3. Teil (= Revocatio historiae. Band 4). SH-Verlag, Schernfeld 1994, ISBN 3-89498-014-1, S. 91 f.
  4. Ulrich Pfeil: Eugen Ewig – »Créer un ordre transnational«. Von einem Mittler zwischen Deutschland und Frankreich. In: Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. München 2007, S. 293–322, hier: S. 298 (online).
  5. Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger. Bearbeitet von Theodor Schieffer unter Mitwirkung von Hans Eberhard Mayer. München 1977 (Monumenta Germaniae historica. Diplomata. 2. Regum Burgundiae e stirpe Rudolfina diplomata et acta), S. VIII f.
  6. Rolf Große: Theodor Schieffer. Ein rheinischer Historiker und seine „Begegnung mit der romanisch-französischen Welt“. In: Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. München 2007, S. 119–137, hier: S. 120.
  7. Theodor Schieffer: Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas. Freiburg 1954, S. 286.
  8. Theodor Schieffer: Des Winfrid-Bonifatius geschichtliche Sendung (Vortrag bei den Bonifatius-Feierlichkeiten in Mainz am 21. Juni 1954). In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte. Bd. 6, 1954, S. 9–23. Vgl. dazu Matthias Pape: Das Bonifatius-Gedenkjahr 1954 im allgemeinpolitischen und gesamtkirchlichen Kontext. In: Franz Felten (Hrsg.): Bonifatius – Leben und Nachwirken. Die Gestaltung des christlichen Europa im Frühmittelalter. Mainz 2007, S. 375–410, hier: S. 378.