Tholos
Die Tholos (altgriechisch ἡ θόλος hē thólos, daher fachsprachlich Femininum, allgemeinsprachlich auch Maskulinum;[1] Plural Tholoi) war in der griechisch-römischen Antike ursprünglich ein sakraler Rundbau mit oder ohne Säulenumgang. Der Begriff wurde später auf jeden Rundbau und insbesondere das runde Dach ausgedehnt. Daher konnten runde Profanbauten ebenfalls Tholos genannt werden. In römischer Zeit konnte Tholos (lateinisch tholus) auch den runden Grabbau bezeichnen.
Das Wort taucht zuerst bei Homer (Odyssee 22, 442 ff.) auf. Daher werden in der Forschung auch bronzezeitliche Rundbauten, vor allem sogenannte Kuppelgräber des mediterranen Raumes und Rundbauten mit Kraggewölbe, als Tholos angesprochen.
Vorgeschichte
Wegen der Verwendung des Begriffs bei Homer wurde er zunächst auch für mykenische Rundbauten benutzt. In Anlehnung hieran wurde der Begriff dann in der Folge auf Rundbauten anderer vorgeschichtlicher Kulturen übertragen.
Verbreitung vorgeschichtlicher Tholoi
Als älteste Tholoi oder tholosartige Bauten werden die zypriotischen Anlagen von Chirokitia angesprochen, die ihrerseits aber levantinische Vorläufer zu haben scheinen (Jerf el Ahmar). Es sind bienenkorbartige Bauten (Bienenkorbgräber; engl. 'Beehive tombs', oder Beehive-huts in Irland), deren Kuppel aus Kraggewölben in Trockenmauerwerkstechnik bestehen. Tholosartige Bauwerke kommen in fast allen mediterranen Kulturen der Metallzeit vor, von der Levante über die Provence (Tholos de la Lauve) bis zur Iberischen Halbinsel und atlantiknah nordwärts bis auf die Britischen Inseln.
Das kupferzeitliche iberische Kuppelgrab ist ein Rundbau mit mehr oder weniger langem, Dromos genanntem Gang. Bei der Kuppel handelt es sich um eine falsche Kuppel. Die Kuppeln können vom Boden ausgehen wie bei der Tholos do Barro und dem Kuppelgrab von Monge oder sie gehen wie bei Alcalar 3 und Huerta Montero von einem Sockel aus Steinplatten aus, der die in den Untergrund eingetiefte, untere Wand auskleidet.
Die Toten der iberischen Kupferzeit wurden auch in natürlichen oder künstlichen Höhlen bestattet. Eine künstliche Höhle wurde meist in Form eines Iglu mit einem Gang aus dem anstehenden Kalksteinfelsen herausgearbeitet. Von Georg und Vera Leisner wurde diese Anlagenform als Felskuppelgräber bezeichnet. Die ersten Felskuppelgräber wurden zwischen 1868 und 1878 von C. Ribeiro bei Palmela untersucht (Quinta do Anjo, Casal do Pardo).
Auf Kreta wurden Tholosgräber gefunden, die aus der frühen Bronzezeit stammen. Meistens befinden sich diese im Süden der Insel, große Funde wurden insbesondere in der Messara-Hochebene und deren Umgebung gemacht. Dort wurden 75 (auf der ganzen Insel sind es 94) Tholosgräber entdeckt. 25 der im Süden Kretas gefundenen Tholosgräber (dort wurden etwa 50 datierbare Tholoi gefunden) wurden in die Zeitstufe Frühminoisch I datiert. Es handelt sich dabei um relativ kleine Kuppelgräber, die etwa 5,50 Meter im Durchmesser haben.[2]
Ein größeres mykenisches Beispiel in fortgeschrittener Stein- und Gewölbetechnik ist das Schatzhaus des Atreus. Es handelt sich um das älteste Beispiel eines Deckenausbaus unter ausschließlicher Verwendung von (mittelformatigen) Steinen. Ähnlich monumentale Grab-Tholoi wurden z. B. in Orchomenos und in den 1990ern bei Tzanata auf Kefalonia entdeckt.
Antike
Die antike Tholos weist meist eine kreisrunde Cella und einen die Cella konzentrisch umgebenden Säulenumgang auf. Man spricht dann von peripteraler Tholos. Sie kann im Innern einen weiteren Säulenring oder eine Halbsäulengliederung der Innenwand umfassen. Doch gibt es auch schlichte Lösungen ohne Säulenumgang wie die Tholos auf der Agora von Athen, die antiken Lexigraphen meist als Referenz für ihre Definition des Begriffs Tholos diente.
Die Bauform der peripteralen Tholos war besonders im 4. Jahrhundert v. Chr. beliebt. Als besonders schönes Beispiel der griechischen Klassik gilt die Tholos der Marmaria im Athena-Heiligtum in Delphi. Sie ist zugleich auch eine der bekanntesten. Berühmt ist auch die Tholos von Epidauros, die auch innerhalb der Cella einen Säulenring aufweist. Von diesem inschriftlich Thymele genannten Bau unbekannter Funktion sind zahlreiche Inschriften mit Bauabrechnungen erhalten. Weitere bekannte Tholoi waren das Arsinoeion in Samothrake und der Rundtempel für Philipp II. von Makedonien und seine Familie, das sogenannte Philippeion in Olympia.
Eines der besterhaltenen Beispiele ist der Rundtempel am Tiber auf dem Forum Boarium in Rom, zudem der Vestatempel auf dem Forum Romanum, der ebenfalls als peripterale Tholos anzusprechen ist. Gleiches gilt für Tempel B (Tempel der Fortuna Huiusce Diei) in der Area Sacra di Largo Argentina in Rom.
Ein der peripteralen Tholos oberflächlich ähnelndes Bauwerk ist der Monopteros, dem jedoch der entscheidende Rundraum, die Cella fehlt. In der antiken Literatur konnte der Begriff Monopteros dennoch gleichbedeutend mit Tholos verwandt werden.
Gegenwart
Auf dem Lande wurden und werden nahezu deckungsgleich mit dem Verbreitungsraum der Tholoi bis in die Gegenwart Feldställe, Hütten oder Unterstände mit Kraggewölben errichtet. Ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert in Europa ist der Jussowtempel (genannt Apollontempel) im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel.
Weitere Bilder
- Tholos.png
Schema einer Tholos
Ansicht von unten in die Tholos der Nuraghe Is Paras
Substruktionen der Tholos von Epidauros (1969)
Siehe auch
Literatur
- Joachim Losehand: Häuser für die Herrscher Roms und Athens? Überlegungen zu Funktion und Bedeutung von Gebäude F auf der Athener Agora und der Regia auf dem Forum Romanum (= Schriftenreihe Antiquitates. 42). Kovač, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8300-3397-4.
- Stephen G. Miller: Circular Roofing Systems and the Athenian Tholos. In: Πρακτικά του ΧΙΙ Διεθνούς Συνεδρίου Κλασικής Αρχαιολογίας, Αθήνα, 4–10 Σεπτεμβρίου 1983. Band D. Ταμείο Αρχαιολογικών Πόρων και Απαλλοτριώσεων, Αθήνα 1988, S. 134–139, (Akten des Internationalen Kongresses für Klassische Archäologie in Athen 4.–10. September 1983).
- Florian Seiler: Die griechische Tholos. Untersuchungen zur Entwicklung, Typologie und Funktion kunstmässiger Rundbauten. von Zabern, Mainz 1986, ISBN 3-8053-0918-X.