Thorsten Weiß

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Thorsten Weiß (2021)

Thorsten Weiß (* 13. Oktober 1983 in Berlin) ist ein deutscher Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) und seit 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Seit November 2021 ist er stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion.[1]

Leben

Weiß wuchs im Bezirk Steglitz-Zehlendorf auf. Er war sechs Jahre Zeitsoldat und Offizier in der Panzertruppe. Im Anschluss nahm er ein BWL-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin auf. Weiß ist verheiratet und hat mit seiner Frau zwei Kinder.[2]

Parteilaufbahn

Weiß trat im Jahr 2014 in die AfD ein, er ist Mitglied im Bezirksverband Reinickendorf. In den Jahren von 2016 bis 2020 war Weiß Beisitzer im Landesvorstand der AfD Berlin.

Junge Alternative Berlin

Weiß übernahm 2014 den Vorsitz der damals noch nicht offiziell anerkannten Jugendorganisation des Landesverbandes, der Jungen Alternative Berlin. Er baute den Jugendverband mit auf und konnte 2015 durchsetzen, dass dieser von der Mutterpartei als offizielle Jugendorganisation anerkannt wurde. 2017 kandidierte er nicht erneut für das Amt des Landesvorsitzenden.

Als Vorsitzender der Berliner JA sprach Weiß Mitte 2016 auf einer Kundgebung vor dem Roten Rathaus. Darin agitierte er gegen eine „realitätsfremde, volksfeindliche und überhebliche Politikerkaste“. Angela Merkel habe „Teppichknüpfer und Ziegenhirten“ nach Deutschland geholt. Wie, so fragte Weiß, solle man jemanden integrieren, der es gewohnt sei, „dass Christen am besten die Köpfe abgeschlagen gehören“. Die bisherige Entwicklung müsse umgehend rückgängig gemacht werden, forderte er. Sonst werde Deutschland „als Kulturnation nach 3000 Jahren Geschichte verschwinden“. Ulrich Kraetzer von der Morgenpost urteilte, Weiß’ Rede habe durch eine Überhöhung der Zugehörigkeit zum „deutschen Volk“, die Dämonisierung eines vermeintlichen Feindes und die Beschwörung des nahenden Unterganges den Eindruck hinterlassen, als hätte er seine Worte aus einem „Handbuch für Demagogie“ für abgeschrieben. Der FU-Politologe und AfD-Experte Carsten Koschmieder bezeichnet die AfD deswegen als Partei „geistiger Brandstifter“.[3]

Nach Recherchen von Kai Biermann, Astrid Geisler und anderen fungiert Weiß „in der Fraktion offenbar als Scharnier zu radikalrechten Nachwuchsgruppen wie der Identitären Bewegung“, die seit ihrer Gründung 2012 vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Unter anderem trat Weiß mehrfach gemeinsam mit Mitgliedern der Identitären Bewegung auf Kundgebungen auf. Der Verfassungsschutz bestätigt, dass es personelle Überschneidungen zwischen der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung gibt. Im Januar 2017 bestätigte Weiß schließlich diese personellen Überschneidungen und eine Zusammenarbeit der JA mit der Identitären Bewegung. Die AfD hatte dies zuvor stets bestritten und sich von der Identitären Bewegung distanziert. Weiß verteidigte die Zusammenarbeit als „überhaupt nicht verwerflich“. Die Mitglieder der Identitären Bewegung „ticken gar nicht so unterschiedlich zu uns, sie drücken sich nur anders aus“.[4]

„Der Flügel“

Weiß gilt als Vertrauensmann des thüringischen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke.[5] und war von 2016 bis zu dessen Selbstauflösung im April 2020 Landesobmann der rechtsnationalen Parteiströmung „Der Flügel“ in Berlin, der 2020 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Am 7. März 2022 urteilte das Kölner Verwaltungsgericht, dass die Einstufung des Flügels als „gesichert rechtsextremistisch“ zwar unzulässig war, der Flügel aber als Verdachtsfall eingestuft werden kann.[6]

Politische Mandate: Einzug ins Abgeordnetenhaus

Zur Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016 war Weiß AfD-Direktkandidat im Wahlkreis 1 Reinickendorf-Ost. Er erhielt auf Anhieb 19,4 % der Erststimmen und damit Platz drei, das Direktmandat gewann Burkard Dregger (CDU). Über den 9. Platz der Landesliste zog Weiß als Abgeordneter ins Abgeordnetenhaus von Berlin ein.[7]

18. Wahlperiode

Weiß war Mitglied des Hauptausschusses, sowie der Unterausschüsse für Haushaltskontrolle und für Personal und Verwaltung/Produktionshaushalt und Personalwirtschaft. Zudem war er Mitglied im Ausschuss Bildung Jugend und Familie.[8] Er war Vorsitzender des Ausschusses für Personal und Verwaltung/Produktionshaushalt und Personalwirtschaft.[9] Zugleich war er der jugendpolitische Sprecher seiner Fraktion.[10][11]

Auf der Europawahlversammlung am 11. Januar 2019 in Riesa (Sachsen) wurde Weiß auf den 14. Platz der Kandidatenliste zur Wahl des Europaparlaments gewählt, die AfD erhielt mit 11,0 % der Stimmen elf Sitze.

Auf der Landeswahlversammlung am 5. Juni 2021 wurde Weiß auf den 7. Platz der Kandidatenliste für das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Er war ebenso erneut Direktkandidat im Wahlkreis 1 Reinickendorf-Ost. Weiß zog über die Landesliste in das Abgeordnetenhaus von Berlin ein.

19. Wahlperiode

Weiß ist Mitglied im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, sowie im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Er ist bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion und seit November 2021 stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion.

Parlamentarische Arbeit

Jugend und Familie

Jugendfördergesetz

Im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen trat Weiß als Kritiker des Jugendfördergesetzes auf. Weiß argumentierte, statt Programme zur politischen Indoktrination der Jugend aufzulegen müsse man den Mangel an Sozialarbeitern beheben, um auf konkrete Kindeswohlgefährdungen zu reagieren und sozial schwache Familien unterstützen. Man dürfe nicht zusehen, wie angesichts einer Überlastung der Jugendämter Kinder und Jugendliche unter häuslicher Gewalt und Vernachlässigung leiden und statt an dieser Stelle die nötige Abhilfe zu schaffen die Mittel für die ‚Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken‘ erhöhen.[12][13]

Berliner Päderastie-Skandal

Weiß setzte sich wiederholt für die Opfer des Berliner Päderastie-Skandals („Kentler-Experiment“) ein. In einem ersten Verstoß kritisierte Weiß, die Senatsverwaltung zeige sich phlegmatisch bezüglich der Schaffung der praktischen und juristischen Voraussetzungen für die Aufarbeitung. Akten seien nicht erschlossen worden oder der Zugriff werde verwehrt.[14][15][16] Im zweiten Schritt forderte Weiß als Wiedergutmachung „eine Entschädigung der Opfer der staatlich unterstützten Päderastie“. Nur von Bekundungen, wie schrecklich alles gewesen sei, hätten die Opfer keinen Nutzen.[12]

Islamisches Jugendzentrum Berlin

Weiß forderte, die Verfassungskonformität des Islamischen Jugendzentrums Berlin auf den Prüfstand zu stellen. Die vier Moscheevereine, deren Jugendarbeit vom Islamischen Jugendzentrum Berlin organisiert wird, stünden für eine Radikalisierung und einen religiösen Fanatismus. Finanzstrukturen, Unterrichtsinhalte und organisatorische Verflechtungen des Islamischen Jugendzentrums müssten vollumfänglich offengelegt werden.[17]

Gegen Extremismus und Gewalt

Aussteigerprogramm für Linksextremisten

Weiß kritisiert, im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, in dem zwar richtigerweise der Kampf gegen Rechtsextremismus hervorgehoben werde, kommt der Begriff Linksextremismus kein einziges Mal vor. Um ein Gleichgewicht zu schaffen, regte Weiß an, ein staatliches Aussteigerprogramm gegen linken Extremismus aufzulegen. Linksradikale Strukturen dürften nicht relativiert werden, so Weiß, die Regierungskoalition sei in der Frage des politischen Extremismus auf dem linken Auge blind.[18]

Kita und Schule

Schulische Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr

Mit Verweis auf die Praxis in Bayern und Baden-Württemberg forderte Weiß, die Bundeswehr stärker für die politische Bildung an Berliner Schulen einzubinden und regte dazu den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung an. Jugendoffiziere, die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit leisten, dürften nicht mit Wehrdienstberatern verwechselt werden, die für den Dienst in der Bundeswehr werben, so Weiß.[19]

Schulkleidung

Unter Hinweis auf bestehende Umfragen und positive Beispiele setzte sich Weiß dafür ein, Berliner Schulen bei der Einführung von Schulkleidung zu unterstützen. Schulkleidung, so argumentiert der Abgeordnete, würde zu einem besseren Sozialklima an Schulen beitragen. Die Vorstellung, nach der eine uniforme Kleidung etwas mit Unterdrückung der Persönlichkeit und autoritären Regimes zu tun hätte, sei eine falsche Assoziation.[20]

Kita-Broschüre „Ene, Mene Muh“

Weiß forderte die Verbreitung der von der Amadeu-Antonio-Stiftung herausgegebenen Broschüre „Ene mene muh – und raus bist du!“ in staatlichen Kindertagesstätten zu untersagen. Die Broschüre leite Erzieher dazu an, die politische Gesinnung der Eltern zu kontrollieren. Dabei würden „völlig absurde Indizien“ zum Anlass genommen, um auf eine vermeintlich rechtsextreme Gesinnung der Eltern zu schließen, beispielsweise wenn Mädchen Zöpfe tragen oder Jungen stark körperlich gefordert werden.[21]

Lernrückstände durch Corona

Weiß widmete sich dem Thema der schulischen Lernrückstände, die im Zuge der Corona-Pandemie entstanden sind. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hätten zu einem massiven Rückgang der Lernleistungen sowie zur Verschärfung sozialer Ungleichheit geführt mit desaströsen Folgen für die Bildungsbiographien der Schüler und für die Volkswirtschaft. Weiß verlangte Planungssicherheit für Schulen und eine Rückkehr zum Normalbetrieb. Ein stark reduzierter Stundenumfang sei ein sachlich nicht hinreichend begründeter Eingriff in das Recht auf Bildung, bei allen Corona-Maßnahmen müssten die Verhältnismäßigkeit und die humanitären Kosten stärker abgewogen werden.[22]

„Konfrontative Religionsbekundung“

Weiß äußerte sich zum Thema „Konfrontative Religionsbekundung“ und bewertete „religiös-kulturelles Mobbing“ als ein „gravierendes Problem“ an einigen Berliner Schulen. Weiß behauptete Schüler und Schülerinnen dürften „nicht genötigt werden, sich dem Druck religiöser Eiferer anzupassen“. Integration müsse stärker eingefordert und erzwungen werden. Dass es keine dauerhafte Finanzierung für die Anlaufstelle „Konfrontative Religionsbekundung“ gibt, reihe sich „in die herrschende Kultur der falsch verstandenen Toleranz“ ein.[23]

Politische Einordnung

Im Februar 2018 schrieb Weiß bei Facebook: „2050 soll es kein erkennbares deutsches Volk mehr geben: Regierung plant den Volkstod!“ Mit dem Begriff „Volkstod“ stelle Weiß „offene Bezüge“ zu rechtsextremen Theorien her, urteilte das Bundesamt für Verfassungsschutz im Prüfbericht zur AfD.[24]

Im Herbst 2016 gab Weiß der vom DÖW als rechtsextrem eingestuften Zeitschrift Zuerst! ein Interview.[25] Zu den gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich einer Kundgebung rechter und rechtsextremer Gruppen in Chemnitz im August 2018 schrieb Weiß: „Des Volkes Zorn bricht sich Bahn.“[26] Im Falle eines Wahlsiegs der AfD, so erklärte Weiß der Süddeutschen Zeitung zufolge, werde man im Bereich der Justiz „aufräumen müssen“. Detlef Esslinger von der Süddeutschen Zeitunge deutete diese Äußerung als Vorstoß zur Aufhebung der Gewaltenteilung.[27]

Weblinks

Commons: Thorsten Weiß – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert Kiesel: Brinker zur Chefin gewählt. In: tagesspiegel.de. 29. September 2021, abgerufen am 18. November 2021.
  2. Abgeordnetenhaus von Berlin – Weiß, Thorsten. Abgerufen am 5. November 2020 (deutsch).
  3. https://www.morgenpost.de/berlin/article207615941/Wofuer-steht-die-Berliner-AfD-Eine-Spurensuche.html
  4. Junge Alternative: AfD-Abgeordneter bestätigt Zusammenarbeit mit Identitärer Bewegung. In: zeit.de. 30. Januar 2017, abgerufen am 2. Februar 2017.
  5. Berliner Morgenpost - Berlin: Björn Höcke kommt zum Wahlkampf nach Berlin. (morgenpost.de [abgerufen am 17. Januar 2018]).
  6. Markus Sehl: Der Verfassungsschutz darf die AfD beobachten. In: LTO. Abgerufen am 10. Juli 2022.
  7. Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2016 - Reinickendorf 1 - Erststimmen. Abgerufen am 17. Januar 2018.
  8. Abgeordnetenhaus von Berlin – Weiß, Thorsten. Abgerufen am 16. Januar 2019.
  9. Abgeordnetenhaus von Berlin – Weiß, Thorsten. Abgerufen am 27. Juni 2017 (deutsch).
  10. AfD-Fraktion Berlin. Abgerufen am 27. Juni 2017.
  11. Sueddeutsche.de: AfD in Berlin. Diese AfD-Politiker sitzen künftig im Berliner Abgeordnetenhaus
  12. a b Rede zum Einzelplan 10: Bildung, Jugend und Familie, 12 Dezember 2019
  13. Rede zum TOP Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder-und Jugendhilfegesetzes – Gesetz zur Förderung der Beteiligung und Demokratiebildung junger Menschen (Jugendförder-und Beteiligungsgesetz), 6. Juni 2019
  14. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Schnellstmögliche Erforschung des Berliner Skandals „Pädophile Pflegeväter“, 6. April 2017
  15. Wortprotokoll des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie zum TOP 2 a und b, 26. Februar 2018
  16. Rede zum AfD-Antrag: Folgeprojekt zum Gutachten „Die Unterstützung pädophiler bzw. päderastischer Interessen durch die Berliner Senatsverwaltung“: Vom Land Berlin unterstützten sexuellen Missbrauch endlich aufklären!, 27. September 2018
  17. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Verfassungskonformität des Islamischen Jugendzentrums Berlin überprüfen, 22. März 2018
  18. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Linkem Extremismus entschieden entgegentreten: Einführung eines Aussteigerprogramms für Linksextremisten, 20. Februar 2020
  19. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr 28. Juni 2018
  20. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Einführung von Schulkleidung, 28. September 2017
  21. Keine Gesinnungskontrolle bei Kitaeltern – Verwendung und Verbreitung der Broschüre „Ene, mene, muh –und raus bist du!“ der Amadeu-Antonio-Stiftung in staatlichen Kitas untersagen!, 24. Januar 2019
  22. Rede zum Antrag der AfD-Fraktion: Verlorene Unterrichtszeit kompensieren und schulischen Lernrückständen begegnen –kurz-, mittel-und langfristige Antworten auf den „Corona-Gap“ auf Schulebene, 4. Juni 2020
  23. Frederik Schindler: Berlin: Religionsstreit an Schulen? Grüne und Linke halten Studie für antimuslimisch. In: welt.de. 28. Dezember 2021, abgerufen am 3. Januar 2022.
  24. https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-bfv-gutachten-berlin-prueft-beobachtung-des-afd-landesverbands/23884286.html
  25. Andreas Speit: Medienstrategie der AfD: Recht gesprächsbereit. In: taz.de. 7. Oktober 2016, abgerufen am 19. Januar 2017.
  26. Severin Weiland: Gewalt in Sachsen: Wie die AfD von Chemnitz profitieren will. www.spiegel.de, 28. August 2018
  27. Die Brandstifter von der AfD sueddeutsche.de, 28. August 2018