Tiny Forest

Ein Tiny Forest (deutsch: Kleinwald, Mikrowald) ist ein Wald auf einer relativ kleinen Fläche mit einer dichten Bepflanzung. Ziel solcher Neuanpflanzungen ist, in urbanen Räumen auf kleinen Flächen möglichst vielfältige, schnell wachsende und sich selbst erhaltende Habitate anzulegen und dadurch eine Verbesserung der Umweltsituation zu erreichen.[1]
Hintergrund
Tiny Forests gehen auf Forschungen des japanischen Ökologen Akira Miyawaki zurück, der sich bereits in den 1970er Jahren mit der Waldentwicklung und Begrünung von Großstädten beschäftigte.[2] Seine Ideen wurden von dem indischen Öko-Unternehmer Shubhendu Sharma aufgegriffen. Sharma pflanzte als Erster kleine verdichtete Stadtwälder auf degradierten Böden. Charakteristisch ist ihre kleine Grundfläche (mehrere Parkplätze, ein Tennisplatz) und die zunächst dichte Bepflanzung (2–7 Bäume je Quadratmeter). Nach der Stabilisierung sollen durchschnittlich 0,5–2,5 Bäume auf einem Quadratmeter stehen.[3] Durch die hohe Pflanzdichte steigt der Konkurrenzdruck innerhalb des Ökosystems. Eine natürliche Waldgesellschaft soll dadurch statt in 200 Jahren bereits in 25–30 Jahren erreicht werden, weil die Phase der Sträucher, Gräser und Pionierbäume übersprungen wird.[1] Nach ihren Befürwortern sind Tiny Forests eine der effizientesten Aufforstungsmethoden.[1]
Verbreitung
Die ersten Tiny Forests wurden in Asien gepflanzt. In Europa verbreitete sich die Idee ab Mitte der 2010er Jahre zuerst in den Niederlanden und Belgien. Der erste Tiny Forest in Deutschland wurde 2020 auf einem Privatgrundstück in der Uckermark angelegt.[4] Er ist mit 800 m² eine relativ große Anpflanzung und beherbergt 33 heimische Baumarten, vor allem Ahorn, Buche, Eiche, Esche und Linde.[5] Auch der 2019 in Schleswig-Holstein gegründete Verein Citizen Forests betreibt Aufforstung nach Miyawaki. Man habe inzwischen Pflanzungen in mehreren norddeutschen Städten vorgenommen, die kleinste Fläche umfasse „rund 200 Quadratmeter, die größte mit rund 3.400 Quadratmetern“ liegt in Wedel.[6] Insgesamt gibt es derzeit (April 2022) weltweit über 3000 Tiny Forests.[1]
Kritik
Kritiker wie die niederländische Landschaftsarchitektin Tinka Chabot bezweifeln, dass Tiny Forests auf Dauer gedeihen. Der Platzmangel könnte zu einer Konkurrenz zwischen den Arten führen, was auf Dauer einen Rückgang der zu Beginn sehr hohen Artenvielfalt zur Folge hätte. Dem wird entgegengehalten, dass das Absterben niedriger Sträucher und Kräuter in jedem Ökosystem der Fall sei. Solange die Tiny Forests wüchsen, würden absterbende Bäume wieder durch neue Sträucher ersetzt. Tiny Forests seien kein Wundermittel. Sie können aber als eines von mehreren Elementen dabei helfen, die Städte grüner zu machen und so langfristig mehr Pflanzen und Tiere anzulocken.[5]
Forstliche Grundlagen
Zu beachten ist, dass die Anzahl der Individuen von Waldbäumen pro Fläche zwangsläufig von selbst abnimmt, wenn der Bestand älter wird, weil die heranwachsenden Bäume mehr Platz brauchen. Wenn dies spontan und von selbst abläuft, wird es als Selbstausdünnung des Bestands bezeichnet. Die überwachsenen Bäume erhalten zu wenig Licht und sterben ab.[7] Normalerweise greifen Förster in den heranwachsenden Bestand ein und entnehmen im Rahmen einer Durchforstung gezielt Bäume. Dies ist zum Beispiel notwendig, um Mischbaumarten mit weniger raschem Jugendwachstum im Bestand zu erhalten, die sonst überwachsen und auskonkurriert würden. Es ist durch langjährige Versuche nachgewiesen, dass es eine optimale Stammzahl pro Fläche gibt.[8] Dichter aufwachsende Bestände haben nicht nur weniger Zuwachs, sie sind auch aufgrund der zu kleinen Baumkronen anfälliger gegen Störungen wie Sturmschäden. Zwischen der Anzahl der Bäume (Stammzahl) und ihrem Stammdurchmesser existiert ein fester Zusammenhang (Bestandsdicheregel), der für Forstbäume von dem amerikanischen Forstwissenschaftler L.H. Reineke entdeckt und später, unabhängig davon, durch eine Arbeitsgruppe um den Pflanzenökologen Kyoji Yoda für Pflanzen allgemein (auch krautige Pflanzen) bestätigt wurde („Yoda´s law“).[9] Es ist unmöglich, die Stammzahl pro Fläche über den jeweiligen (von der Produktivität des Standorts abhängigen) Schwellenwert zu erhöhen. Die erreichbare Bestandsdichte ist in Mischbeständen mit vielen Baumarten höher als in Reinbeständen.[10] Der Kronendurchmesser eines Baums in der Dimension starkes Baumholz liegt in der Größenordnung von etwa 10 Quadratmeter oder darüber. Europäische Baumbestände sind von Natur aus höchstens zwei-, auf sehr produktiven Standorten mitunter dreischichtig. Die Anzahl der auf einer kleinen Fläche unterzubringenden großen und alten Bäume ist daher begrenzt.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Elsbeeren, Stieleichen, Eiben, Rotbuchen, Hainbuchen, Vogelkirschen – und drumherum ein Ring aus Ginster, Haselnuss oder Rosen. In: Das Magazin. 4/2022, S. 82–87.
- ↑ www.weekend.at: Tiny Forests: Mini-Wälder für Städte, vom 21. April 2022, abgerufen am 20. Juni 2022
- ↑ urban-forest.com: The Miyawaki method – Data & concepts (PDF; 3,5 MB), 2020, S. 3.
- ↑ Der erste Tiny Forest Deutschlands entsteht in der Uckermark. Projektseite der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, 11. Februar 2020, abgerufen am 28. April 2022.
- ↑ a b Deutsche Welle: Tiny Forests: Mehr Artenvielfalt in der Stadt? 25. Mai 2021, abgerufen am 28. April 2022.
- ↑ Esther Geisslinger: Miniwälder auf engstem Raum: Platz für Wald im Mini-Format ist überall und er ist auch nicht teuer. Mit dieser Botschaft macht ein Verein aus Schleswig-Holstein Schule. In: Die Tageszeitung. 17. April 2022, abgerufen am 13. Mai 2022.
- ↑ Norbert Bartsch und Ernst Röhrig: Waldökologie. Einführung für Mitteleuropa. Springer Verlag Berlin und Heidelberg 2016. ISBN 978-3-662-44267-8. Kap. 13.1 Konkurrenz
- ↑ vgl. z. B. H. Pretzsch (2006): Von der Standflächeneffizienz der Bäume zur Dichte-Zuwachs-Beziehung des Bestandes. Beitrag zur Integration von Baum- und Bestandesebene. AFZ Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 177 (10/11): 188-198.
- ↑ Norbert Bartsch und Ernst Röhrig: Waldökologie. Einführung für Mitteleuropa. Springer Verlag Berlin und Heidelberg 2016. ISBN 978-3-662-44267-8. S. 148.
- ↑ H. Pretzsch and G. Schütze (2021): Tree species mixing can increase stand productivity, density and growth efficiency and attenuate the trade-off between density and growth throughout the whole rotation. Annals of Botany 128 (6): 767–786. doi:10.1093/aob/mcab077