Quarkonium

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In der Teilchenphysik bezeichnet man mit Quarkonium (Plural: Quarkonia) einen gebundenen Zustand aus einem Quark und seinem Antiquark. Anders ausgedrückt ist es ein Meson ohne elektrische Ladung oder Flavour.

Gebundene Zustände der schweren Quarks () haben eigene Namen: gebundene -Zustände (also charm-Quark und -Antiquark) heißen Charmonium, gebundene -Zustände Bottomonium. Da die Lebensdauer des Top-Quarks extrem kurz ist, können sich höchstwahrscheinlich keine -Systeme (Toponium) bilden.

Gebundene Quark-Antiquark-Zustände der leichten Quarks () mischen sich aufgrund der geringen Massendifferenz quantenmechanisch – vor allem mit . Daher sind die aus ihnen gebildeten Mesonen nicht einer einzelnen Quarksorte zuordenbar.

Nomenklatur

Quantenzahlen und spektroskopische Zustände

Der Name Quarkonium ist analog zum Positronium, bei dem ein Elektron und ein Positron zum gebunden sind. Wie beim Positronium kennzeichnet man Quarkonia durch folgende Quantenzahlen:

  • Hauptquantenzahl 
  • Kopplung der Quarkspins (Zahlenwert oder ) bzw. Multiplizität (Zahlenwert oder )
  • Bahndrehimpuls  und
  • Gesamtdrehimpuls  (mögliche Werte aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung )
Bahndreh-
impuls 
Kenn-
buchstabe
0 S
1 P
2 D
3 F
4 G
5 H
6 I
7 K

in der Nomenklatur (Termsymbol) bzw. (spektroskopische Bezeichnung), wobei der Bahndrehimpuls  durch einen Großbuchstaben (siehe Tabelle) angegeben wird.

Man beachte folgenden Unterschied in der Namensgebung: Während bei Positronium die Nomenklatur der Atomphysik gilt mit der Hauptquantenzahl ( für die Zahl der Knoten der Radialwellenfunktion, klein für den Bahndrehimpuls), verwendet man beim Quarkonium die Nomenklatur der Kernphysik mit . Einem 23P1-Positronium entspricht also ein 13P1-Charmonium.

Beobachtbar sind neben dem Gesamtdrehimpuls  nur:

  • die Parität  und
  • die Ladungskonjugation .

Bahndrehimpuls  und Quarkspin-Kopplung  lassen sich daraus ableiten.

Mesonen

Für die aus diesen Zuständen gebildeten Mesonen gilt folgende Nomenklatur[1]

beob­achtet:
Bahn­drehimpuls
gekoppel­ter Spin
Gesamt­drehimpuls
Grundzustand
()
Mischung aus und
Isospin=1
Mischung aus , ,
Isospin=0
Charm­onium
Bottom­onium
gerade
S, D, G, …
gerade
0
0, 2, 4, … 11S0 Pion η-Meson
ungerade
1
1, 2, 3, … 13S1 Rho-Meson Omega-Meson , Phi-Meson [Anm. 1] Y-Meson 
ungerade
P, F, H, …
gerade
0
1, 3, 5, … 11P1
ungerade
1
0, 1, 2, … 13P0
  1. aus historischen Gründen wird der 1−−-Grundzustand als J/ψ-Meson bezeichnet
  • Für die aus schweren Quarks () gebildeten Mesonen wird, sofern bekannt, die spektroskopische Bezeichnung () mit angegeben – z. B. , sowie als weiterer Index – z. B. . Letzteres ist nicht nötig bei , weil dann . Ist eine spektroskopische Zuordnung mangels Daten nicht möglich, wird zur näheren Bezeichnung die Masse in MeV/c2 angegeben, z. B. .
  • Für die aus leichten Quarks () gebildeten Mesonen verwendet man die spektroskopische Bezeichnung nicht; stattdessen wird zur näheren Bezeichnung die Masse in MeV/c2 angegeben.
  • Bei den niedrigsten Zuständen kann man diese Angaben weglassen – also und .

Nachgewiesene Quarkonia

JPC Termsymbol n2S + 1LJ Charmonium Bottomonium
Partikel Masse
(MeV/c2)[2]
Partikel Masse
(MeV/c2)[3]
0−+ 11S0 ηc(1S) = ηc 2983,9 ±0,5 ηb(1S) = ηb 9399,0 ±2,3
0−+ 21S0 ηc(2S) = ηc' 3637,6 ±1,2 ηb(2S)
2−+ 11D2 ηc(1D) ηb(1D)
1−− 13S1 J/ψ(1S) = J/ψ 3096,900 ±0,006 Υ(1S) = Υ 9460,30 ±0,26
1−− 23S1 ψ(2S) = ψ(3686) 3686,097 ±0,025 Υ(2S) 10.023,26 ±0,31
1−− 33S1 Υ(3S) 10.355,2 ±0,5
1−− 43S1 Υ(4S) = Υ(10580) 10.579,4 ±1,2
1−− 53S1 Υ(5S) = Υ(10860) 10.889,9 ±3,2
1−− 63S1 Υ(6S) = Υ(11020) 10.992,9 ±10
1−− 13D1 ψ(3770) 3773,13 ±0,35
2−− 13D2 ψ2(1D) = ψ2(3823) 3822,2 ±1,2 Υ2(1D) 10.163,7 ±1,4
3−− 13D3 ψ3(1D) Υ3(1D)
1−− ???? ψ(4260) = Y(4260) 4230 ±8
1+− 11P1 hc(1P) = hc 3525,38 ±0,11 hb(1P) = hb 9899,3 ±0,8
1+− 21P1 hc(2P) hb(2P)
0++ 13P0 χc0(1P) = χc0 3414,71 ±0,30 χb0(1P) = χb0 9859,44 ±0,52
0++ 23P0 χc0(2P) χb0(2P) 10.232,5 ±0,6
1++ 13P1 χc1(1P) 3510,67 ±0,05 χb1(1P) 9892,78 ±0,40
1++ 23P1 χc1(2P) χb1(2P) 10.255,46 ±0,55
1++ 33P1 χb1(3P) 10.512,1 ±2,3
2++ 13P2 χc2(1P) 3556,17 ±0,07 χb2(1P) 9912,21 ±0,40
2++ 23P2 χc2(2P) 3927,2 ±2,6 χb2(2P) 10.268,65 ±0,55
1++ ???1 χc1(3872) = X(3872)** 3871,69 ±0,17
vorhergesagt, aber noch nicht identifiziert.
** Die Quantenzahlen des X(3872)-Teilchens sind Gegenstand aktueller Untersuchungen,[4] seine Identität ist nicht vollständig geklärt. Es kann sich handeln um:
  • einen Kandidaten für den 11D2-Zustand;
  • einen hybriden Charmonium-Zustand;
  • ein -Molekül.

2005 veröffentlichte das BaBar-Experiment die Entdeckung des neuen Zustands Y(4260).[5][6] Die Beobachtungen wurden von den Experimenten CLEO und Belle bestätigt. Zuerst wurde das neue Teilchen für ein Charmonium gehalten, aber inzwischen legen die Beobachtungen exotischere Erklärungen nahe, wie ein D-„Molekül“, ein Tetraquark oder ein hybrides Meson.

Literatur

  • Bogdan Povh u. a.: Teilchen und Kerne. 6. Auflage. Springer, 2004, ISBN 3-540-21065-2.

Einzelnachweise

  1. Particle Data Group: Naming scheme for hadrons (Revised in 2017). (PDF; 86 kB) Abgerufen am 17. Februar 2018 (englisch).
  2. M. Tanabashi et al. (Particle Data Group), 2018: cc̅ Mesons
  3. M. Tanabashi et al. (Particle Data Group), 2018: bb̅ Mesons
  4. LHCb collaboration: Determination of the X(3872) meson quantum numbers. In: Physical Review Letters. Band 110, Nr. 22, Mai 2013, doi:10.1103/PhysRevLett.110.222001, arxiv:1302.6269v1.
  5. A new particle discovered by BaBar experiment. Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, 6. Juli 2005, abgerufen am 6. März 2010.
  6. B. Aubert u. a. (BaBar Collaboration): Observation of a broad structure in the π+πJ/ψ mass spectrum around 4.26 GeV/c2. In: Physical Review Letters. Band 95, Nr. 14, 2005, S. 142001, doi:10.1103/PhysRevLett.95.142001, arxiv:hep-ex/0506081.