Toyen

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Toyen (1930)

Toyen, eigentlich Marie Čermínová (* 21. September 1902 in Prag; † 9. November 1980 in Paris) war eine tschechische surrealistische Malerin, Zeichnerin und Grafikerin und Vertreterin des Poetismus.

Leben

Marie Čermínová wurde 1902 in Prag geboren. Im Alter von 17 Jahren wandte sie sich von ihrer Familie ab und suchte ein Leben jenseits der bürgerlichen Maßstäbe. Um 1920 besuchte sie die Schule für angewandte Künste in Prag. 1922 begegnete sie auf einer kroatischen Insel dem Dichter Jindřich Štyrský, mit dem sie bis zu dessen Tod 1942 eine enge künstlerische Freundschaft verband. Beide arbeiteten in der radikalen und avantgardistischen tschechischen Gruppe Devětsil. Sie änderte ihren Namen in Toyen, eine Ableitung von französisch citoyen (Bürger), und vermied damit die geschlechtliche Zuordnung ihres Namens.[1]

1925 zog sie mit Štyrský nach Paris, wo sie an Ausstellungen teilnahm und auch eine erste Einzelausstellung hatte. Sie entwarfen den „poetischen Artifizialismus – eine Alternative zu Abstraktion und Surrealismus“.[1]

1929 kehrte sie nach Prag zurück. Sie nahm an mehreren Ausstellungen teil und war als einzige Frau 1934 an der Gründung der tschechoslowakischen Surrealisten-Gruppe beteiligt. Sie stand weiter in Kontakt zu André Breton und Paul Éluard. Gemeinsam wurde das Bulletin international du surréalisme herausgegeben. Seit dieser Zeit war Toyen an allen internationalen Ausstellungen der Surrealisten beteiligt, so der Exposition Internationale du Surréalisme 1938 in Paris.[1]

Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei und Besetzung Prags durch die Nationalsozialisten 1939 hielt sich Toyen im Untergrund und konnte nicht mehr öffentlich arbeiten. Sie versteckte in ihrer Wohnung den jüdischen Künstlerkollegen Jindřich Heisler.[1]

Ab 1947 lebte sie wieder in Paris, auch um dem Stalinismus in ihrem Land zu entgehen. Sie war eine wichtige Persönlichkeit der Pariser Surrealisten-Gruppe.[1] Toyen starb 1980 im Alter von 78 Jahren und ruht auf dem Pariser Cimetière des Batignolles.[2]

Werk

Am Anfang wechselten Werke unter kubistischem Einfluss mit Motiven von Clowns und Akrobaten;[3] später folgte eine kurze Hinwendung zum Primitivismus. Ab 1925 in Paris entwickelte sie in der Zusammenarbeit mit Štyrský experimentellere Malweisen und das Konzept des Artifizialismus. Ihr Schaffen nahm in manchem die Nachkriegsströmung Informel vorweg. Ab 1930 kehrte die Gegenständlichkeit in ihr Werk zurück, sie kann ab dieser Zeit dem Surrealismus zugeordnet werden. Ab 1945 traten vermehrt Elemente der Collage in ihre Bilder.[1] Toyen illustrierte zwischen 1923 und 1950 über 500 Bücher.[4]

Die Werke Toyens behandeln oftmals die Themen „Sex, Gewalt, Natur, Alchemie“.[1] Sie gilt als „bedeutendste Künstlerin der tschechischen Avantgarde und wegweisende Protagonistin der französischen Nachkriegssurrealismus“.[1]

Ausstellungen

  • 1982 – Štyrský Toyen Heisler im Centre Georges-Pompidou, Paris
  • 2021 – Toyen, Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle,[5] 24. September 2021 bis 13. Februar 2022, Kuratorinnen: Annabelle Görgen-Lammers, Annie Le Brun und Anna Pravdova

Literatur

  • Vítězslav Nezval: Štyrský a Toyen (Styrsky und Toyen), 1938
  • Rita Bischof (Hg): Toyen: Das malerische Werk. Verlag Neue Kritik, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-8015-0202-3
  • Toyen: une femme surréaliste. Lyon, 2002, ISBN 2-84845-004-5
  • Karla Tonine Huebner: Eroticism, Identity and Cultural Context: Toyen and the Prague Avant-Garde, Pittsburgh 2008, online, PDF (englisch)
  • Annabelle Görgen-Lammers, Annie Le Brun, Anna Pravdová (Hrsg.): Toyen, Hirmer Verlag, München 2021, ISBN 978-3-7774-3694-4.

Weblinks

Commons: Toyen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Anabelle Görgen-Lammers: »Je ne suis pas peintre«; Kosmos Toyen, sowie Rebecca Herlemann: Toyen (Kurzbiografie), beides in: Ingird Pfeiffer (Hrsg.): Fantastische Frauen – Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo, Katalog zur Ausstellung in der Schirn Kunsthalle (Frankfurt), Hirmer Verlag, München 2020, ISBN 978-3-7774-3413-1, S. 197–202, bzw. S. 398
  2. knerger.de: Das Grab von Toyen
  3. Alexandra Wach: Toyen-Retrospektive in Hamburg: Eine Königin des Unbewussten. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. April 2022]).
  4. Karla Tonine Huebner: Eroticism, Identity and Cultural Context: Toyen and the Prague Avant-Garde, Pittsburgh 2008, online, PDF (englisch), S. 38
  5. Webseite der Hamburger Kunsthalle, abgerufen am 15. März 2020