Traditionsschiff
Der Begriff Traditionsschiff hat zwei verschiedene Bedeutungen. Im Volksmund werden als „Traditionsschiffe“ ältere Schiffe und Boote bezeichnet, die weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten sind oder in einen derartigen Zustand zurückversetzt wurden, aber nicht zwingend einen Originalzustand ihrer Geschichte darstellen. Auch Museumsschiffe, wie beispielsweise die MS Dresden als „Traditionsschiff Typ Frieden“ (Name verwendet von 1970 bis 2013), werden gemeinhin einbezogen.
Außerdem ist „Traditionsschiff“ in mehreren Ländern ein rechtlich bindender Begriff für – in der Regel ältere oder traditionell betriebene – Schiffe, die zum Erhalt der Schifffahrtstradition von den heutigen Standards abweichende Auflagen für Sicherheitszeugnisse und Befähigungszeugnisse der Besatzungsmitglieder erfüllen müssen, als z. B. reguläre gewerblich betriebene Schiffe es müssten.
Traditionsschiffe werden von Museumshäfen, Einzelpersonen oder Betreibergesellschaften und -gemeinschaften unterschiedlicher Rechtsform in oft mühsamer Arbeit unterhalten, um Einblick in frühere Epochen der Schifffahrt, des Schiffbaus oder der Seemannschaft zu gewähren (siehe auch Geschichte der Seefahrt).
Traditionsschiffe (Seeschiffe) in Europa
„Traditionsschiff“ ist in den Ländern Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden (als „Traditionsfartyg“), Spanien und dem Vereinigten Königreich (als „traditional ship“) ein rechtlich bindender Begriff, der bei der Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen für den sicheren Betrieb von Traditionsschiffen in europäischen Gewässern und von Befähigungszeugnissen für Besatzungsmitglieder von Traditionsschiffen (Memorandum of Understanding)[1] benutzt wird. Das Memorandum regelt die gegenseitige Anerkennung der Sicherheitszeugnisse und Befähigungszeugnisse der Traditionsschiffe unter den dort genannten Bedingungen durch die Unterzeichnerstaaten.
Im Dachverband der Europäischen Traditionsschiffe European Maritime Heritage[2] kooperieren die nationalen Dachverbände der Europäischen Traditionsschiffahrt. Neben regelmäßigen Kongressen und einem Newsletter ist eine wesentliche Veröffentlichung die „Charta von Barcelona“[3], die die Mindestansprüche bezüglich Restaurierung und Konservierung von Traditionsschiffen darstellt.
Der politische Auftrag an die europäischen Regierungen ist unter anderem dokumentiert in der Recommendation 1486(2000)[4] des Europaparlaments und lautet:
„The Assembly therefore recommends that the Committee of Ministers: … support and encourage public and private bodies and voluntary associations which preserve historic vessels, or life-size or large scale replicas, in working order; encourage the display and use of these vessels for the education and enjoyment of the general public; encourage further development of a system of mutual acceptability by the maritime authorities of nation states of standards for the safe operation of traditional vessels in European waters.“
Traditionsschiff See in Deutschland
In Deutschland ist der Begriff "Traditionsschiff" sowie dessen Zulassung und Betrieb in der Anlage 1a Teil 3 der Schiffssicherheitsverordnung geregelt. Traditionsschiffe sind historische Wasserfahrzeuge, an deren Präsentation in Fahrt ein öffentliches Interesse besteht. Historische Wasserfahrzeuge sind Schiffe, die:
- hauptsächlich mit den Originalwerkstoffen im Original gebaut worden sind und wegen ihrer Bauart, Konstruktion, ihres ehemaligen Nutzungszwecks und ihrer Seltenheit erhaltenswert sind,
- zwar nicht originalgetreu sind, aber deren Gesamterscheinung einem Vorläufertyp entspricht, den es früher nachweislich gegeben hat (anerkannte Rückbauten),
- einem historischen Vorbild nachgebildet sind (Nachbauten) oder
- sich als Segelschulschiffe für die fundierte Ausbildung in traditioneller Seemannschaft besonders eignen und mindestens 24 m lang sind (Segelschulungsschiffe).
Traditionsschiffe benötigen nach der Schiffssicherheitsverordnung ein Sicherheitszeugnis der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr. Mit diesem Zeugnis dürfen die Betreiber ihre Schiffe nicht-gewerblich betreiben, in dem sie mitfahrenden Gästen historische Schiffsbetriebstechnik und traditionelle Seemannschaft vermitteln.
Schiffsführer von Traditionsschiffen benötigen keine Berufspatente ("Befähigungszeugnisse") nach dem internationalen STCW-Übereinkommen, sondern je nach Größe, Zahl der mitfahrenden Personen und Fahrtgebiet einen Sportbootführerschein See, einen Sportsee- oder einen Sporthochseeschifferschein ("Befähigungsnachweise"). Bei Traditionsschiffen ab 25 m Rumpflänge ist für den Schiffsführer oder Maschinisten ein Zusatzeintrag in seinem Sportsee- oder Sporthochseeschifferschein erforderlich. Die fachlichen Anforderungen für diese Zusatzeinträge legt die Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW e. V.), der deutsche Dachverband für Traditionsschiffe, fest. Die Regelbesatzung für die Traditionsschiffe ergibt sich aus der Anlage 4 der Sportseeschifferscheinverordnung.
Bei Streitigkeiten um die Ausstellung eines Sicherheitszeugnisses für ein Traditionsschiff kann sich ein Betreiber an die Ombudsstelle für Traditionsschifffahrt wenden. Die Ombudsstelle unterbreitet dann einen nicht bindenden Vermittlungsvorschlag.[5]
Gemäß der AGMD (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Museumshäfen) und der GSHW sank die Zahl der zugelassenen Traditionsschiffe von 150 in den 2000er Jahren bis auf 105 im Jahr 2013.
Traditionsschiff See in der Schweiz
Der Begriff „Traditionsschiff“ ist in der Schweiz nicht durch Gesetze oder Verordnungen enger definiert. Dennoch wurde die Salomon als Sonderfall im Rahmen der Schweizer Seefahrt in ihrem Seebrief[6] als „Traditional Ship, Sailing Vessel with Auxiliary Engine“ bezeichnet. Dies ist eine Einzelfallentscheidung, die aufgrund der nachfolgenden Umstände erfolgte: Im Rahmen der Zulassung der Salomon bestand für das zuständige Seeschifffahrtsamt des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten die Problematik, dass das Schiff aufgrund Größe und geplantem Einsatzgebiet nicht unter die Schweizer Jachtverordnung[7] fiel. Mit Artikel 35 Absatz 1 des Schweizer Seeschifffahrtsgesetzes[8] besteht jedoch die Möglichkeit, ein seegehendes Fahrzeug analog zu einem kommerziellen Handelsschiff zu registrieren. Eine solche Registrierung setzt voraus, dass Eigner und Unternehmen inländisch sind und das Schiff mit philanthropischen, humanitären, wissenschaftlichen, kulturellen oder ähnlichen Zweck betreibt. Dieser wurde nach Überprüfung gesehen. Da keine entsprechenden Richtlinien in der Schweiz selbst vorliegen, erfolgen die Besichtigungen im Rahmen der Sicherheitsinspektionen und Wartung unter Beiziehung einen in Deutschland öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Sachgebiet Traditionsschiffe. Dieser legt hierbei die deutschen „Sicherheitsrichtlinien für Traditionsschiffe“ bei seiner Arbeit zugrunde.
Traditionsschiff Binnen in Europa
Die technische Zulassung von Binnenschiffen wird mit den „Technischen Vorschriften für Binnenschiffe“ Richtlinie 2006/86/EG[9] geregelt.
Diese EG-Richtlinie enthält ein – zurzeit (Februar 2009) – noch leeres Kapitel 19 „Historische Wasserfahrzeuge“. Der JWG[10] der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und der Europäischen Kommission liegen für dieses Kapitel verschiedene nationale Entwürfe vor, die zum Teil unter Mitarbeit der jeweiligen nationalen Dachverbände für Traditionsschiffe (für Deutschland unter Mitarbeit der GSHW und dem Deutschen Schiffahrtsmuseum) entstanden sind, als auch ein Entwurf[11] des Inland Vessel Council des Europäischen Dachverbandes der Traditionsschiffe EMH.
Traditionsschiff Binnen in Deutschland
Die nationale Umsetzung der EG-Richtlinie in deutsches Recht ist die „Verordnung über die Schiffssicherheit in der Binnenschifffahrt“ (Binnenschiffsuntersuchungsordnung) vom 6. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2450) plus Anlageband.[12] Hier wird das „Historische Wasserfahrzeug“ der EU-Richtlinie unter dem Begriff „Traditionsfahrzeug“ als untergeordneter Begriff der Fahrgastschiffe geführt. (Definition und Kapitel ohne Inhalt).
Literatur
- Traditionsschiffe bedroht. In: Täglicher Hafenbericht. 6. März 2013, S. 3, Seehafen-Verlag, Hamburg 2013, ISSN 2190-8753.
- Frank Binder: Vielen Traditionsschiffen droht das Aus. In: Täglicher Hafenbericht. 25. Juli 2013, S. 3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ „London MoU 2005“ (Memento vom 9. Juli 2007 im Internet Archive) (PDF)
- ↑ European Maritime Heritage
- ↑ „Charta von Barcelona“ (PDF-Datei; 263 kB)
- ↑ Recommendation 1486(2000) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Memento vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive)
- ↑ https://www.deutsche-flagge.de/de/flagge/schiffsarten/traditionsschiffe#Einstufung%20umstritten
- ↑ Seebrief der „Salomon“. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 9. November 2015. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Verordnung über die schweizerischen Jachten zur See. (PDF) Abgerufen am 9. November 2015.
- ↑ Bundesgesetz über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge. Abgerufen am 9. November 2015.
- ↑ Richtlinie 2006/87/EG (PDF)
- ↑ „Ständige Gemeinsame Arbeitsgruppe“ (JWG) (Memento vom 21. Januar 2011 im Internet Archive) (PDF, siehe Memorandum of Understanding der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und der Europäischen Kommission über die gemeinsame Durchführung von Aktivitäten im Zusammenhang mit der Binnenschifffahrt siehe Protokoll S. 50 ff.)
- ↑ Entwurf des EMH Inland Vessel Council (PDF-Datei; 16 kB)
- ↑ Anlageband der Binnenschiffsuntersuchungsordnung (PDF)