Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft
Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) ist ein 1992 gebildeter Dachverband von fast 40 Organisationen von Opfern der realsozialistischen Diktatur.[1] Ihr aktuelles Selbstverständnis fasst die UOKG folgendermaßen zusammen: „Wir setzen uns in Öffentlichkeit und Politik dafür ein, dass den Opfern der SED-Diktatur im heutigen Rechtsstaat Gerechtigkeit widerfährt. Zur Gerechtigkeit gehört, dass zu Unrecht Verurteilte rehabilitiert werden und eine Entschädigung erhalten, die ihnen ein menschenwürdiges Leben erlaubt. Im SED-Staat erlittene Schädigungen an Leib und Seele müssen angemessen von den Versorgungsämtern berücksichtigt werden.“[2]
Geschichte und Aufgaben
Die UOKG wurde 1992 als gesamtdeutscher Dachverband mit heute fast vierzig Vereinen und Initiativen der vom Stalinismus und realen Sozialismus politisch Verfolgten gegründet.
Zu den ersten Mitgliedsverbänden der UOKG zählen Lagergemeinschaften von Opfern sowjetischer Speziallager (u. a. Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen, Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945–1950, Initiativgruppe Lager Mühlberg) und der Lagergemeinschaft Workuta / Gulag Sowjetunion. Hinzu kamen Interessengruppen politischer Häftlinge aus der DDR (Cottbuser Häftlingsgemeinschaft, Süddeutscher Freundeskreis Hoheneckerinnen, Interessengemeinschaft ehemaliger Brandenburger Häftlinge) und weitere Opfergruppen (Doping-Opfer-Hilfe e.V., Verfolgte Schüler und Studenten, Interessengemeinschaft der Zwangsausgesiedelten der innerdeutschen Grenze, Initiativgruppe NKWD-Lager Tost).[3]
Zu den ältesten Vereinigungen von Opfern gehören die bereits 1950 gegründete Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) und der 1957 entstandene Verband ehemaliger Rostocker Studenten (VERS), die beide Mitglied der UOKG sind.
Zu den frühen Aufgaben der UOKG gehörte es, der sehr zeitig im vereinigten Deutschland aufflammenden „Schlussstrichdebatte“ entgegenzutreten und Aufklärung über den Verbleib von tausenden Opfern aus den Speziallagern einzufordern. So stand in der ersten Satzung „die Feststellung und Sicherung von Massengräbern“ aus der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR im Vordergrund, welche die UOKG zusammen mit den Verbänden und Aufarbeitungsinitiativen betrieb. Stark ausgeprägt war in dieser Zeit das Engagement von Zeitzeugen und die Aufklärung der Öffentlichkeit. Dazu wurden Veranstaltungen mit Zeitzeugen in der Öffentlichkeit und an Schulen durchgeführt. Vorher mussten es viele Opfer erst wieder lernen, über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen. Dies stellte einen bewusst in der Gemeinschaft der Häftlinge geübten Schritt dar.[4] Diese Arbeit wurde in der Folgezeit auch von anderen Institutionen wahrgenommen. Mit zunehmendem Alter der Opfer stellte sich heraus, dass viele von ihnen unter extremen körperlichen und psychischen Folgen der Repressionen litten. Aus dieser Erkenntnis entstand eine bis heute andauernde rechtliche, soziale und psychologische Beratungstätigkeit.[5] Aus dieser praktischen Tätigkeit heraus entwickelte die UOKG eine Reihe von Forschungsprojekten, die richtungsweisend für die aktuelle DDR-Forschung wurden (Heimerziehung in der DDR, Zwangsarbeit von politischen Gefangenen, Zwangsadoption in der DDR, Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen). Damit etablierte sich die UOKG als kompetenter Gesprächspartner von Politik, Wissenschaft und Einrichtungen der politischen Bildung. Einmal im Jahr lädt die UOKG zu einem Kongress ein, zu dem ein aus Opferperspektive wichtiges Thema wissenschaftlich bearbeitet und in einer Publikation veröffentlicht wird. Die letzten Themen waren beispielsweise:
- 2018: Vergessene Kinder? Nachkommen politisch Verfolgter[6]
- 2016: Wege zu einer verbesserten Begutachtung von Opfern der Haft und Repression[7]
- 2015: Entrückte Biographien – politisch angeordneter Kindesentzug im Unrechtsstaat DDR[8]
- 2013: Defizite bei der Rehabilitierung und Entschädigung von SBZ-DDR-Opfern[9]
Als Interessenvertreterin der Opferverbände setzt sich die UOKG heute dafür ein, dass ein breites Spektrum an Fehlstellen und „Gerechtigkeitslücken“ abgebaut wird. Um diese Aufgaben effektiv umsetzen zu können, fordert die UOKG die Einrichtung des Amtes eines unabhängigen Opferbeauftragten des Bundestages, der zukünftig die Rolle des ehemaligen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn wahrnehmen kann.[10] Dies wurde im Jahr 2021 realisiert in Form der neu geschaffenen Institution Bundesbeauftragter für die Opfer der SED-Diktatur; zur Beauftragten wählte der Bundestag am 10. Juni 2021 Evelyn Zupke.
Die UOKG befindet sich in einem intensiven Erfahrungsaustausch mit Opferverbänden und Häftlingsorganisationen auf internationaler Ebene. Sie ist Mitglied in der Internationalen Assoziation ehemaliger politischer Gefangener und Opfer des Kommunismus, dem Dachverband der Opferverbände der Opfer des Kommunismus in Europa[11] sowie in der Europäischen Plattform Gedächtnis und Gewissen(Platform of European Memory and Conscience).[12]
Ein nach Ansicht der Verbände sowohl nachlässiger öffentlicher Umgang mit diesen Themen als auch das unbefriedigend gelöste Problem von Entschädigungszahlungen für erlittenes Unrecht[13] und der DDR-Haftzwangsarbeit[14] wird von der UOKG kritisiert und in Gesprächen und Kontakten mit politischen Gremien thematisiert.
Die UOKG wendet sich gegen politischen Extremismus jeglicher Ausprägung, und hat dies seit August 2006 auch in ihrer Satzung verankert.[15] Dies setzt sie auch bei allen Mitgliedsverbänden voraus. Betont wird, dass insbesondere Antisemitismus in der aus verschiedensten Verbänden bestehenden Dachorganisation keinen Platz hat. Weiterhin wird beklagt, dass sich die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und diejenigen der kommunistischen Gewaltherrschaft meist fremd gegenüberstehen.
Derzeitiger Vorsitzender der UOKG ist Dieter Dombrowski. Der Vorsitz ist ehrenamtlich. Dombrowski (* 1951 in Ost-Berlin) war wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden, von denen er 20 Monate verbüßte. Er wurde 1994 rehabilitiert.
Von der UOKG wird in Zusammenarbeit mit dem BSV-Förderverein für Beratungen die Mitgliederzeitschrift Der Stacheldraht[16] in Berlin herausgegeben. Das Blatt, das den Untertitel Für Freiheit, Recht und Demokratie trägt und mit einer Auflage von knapp 10.000 Exemplaren 9 mal jährlich erscheint, wurde 1991 vom Landesverband Berlin des Bundes der Stalinistisch Verfolgten (BSV) gegründet.
Bundesvorsitzende
- Lothar Brauer (Oktober 1991 bis März 1992)
- Roland Bude (März 1992 bis November 1994)
- Gerhard Finn (November 1994 bis Dezember 2001)
- Horst Schüler (Januar 2002 bis Juli 2007)
- Rainer Wagner (Juli 2007 bis Oktober 2015)[17]
- Dieter Dombrowski (seit Oktober 2015)
Veröffentlichungen
- Karl Wilhelm Fricke: Der frühe Widerstand in der SBZ/DDR, Vortrag am 5. Juni 2011 in Halle auf der Tagung ehemaliger Workuta-Häftlinge
- Jörg Siegmund: Opfer ohne Lobby? Ziele, Strukturen und Arbeitsweise der Verbände der Opfer des DDR-Unrechts, Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Berlin 2002, ISBN 978-3830503248
Eigendarstellung
- Christian Sachse: 20 Jahre Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. – Rückblick und Ausblick, Berlin, 2011.
- Christian Sachse: 25 Jahre Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. – Festveranstaltung Berlin, Februar 2017.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ UOKG • Über uns. In: UOKG. (uokg.de [abgerufen am 1. August 2018]).
- ↑ http://www.uokg.de/verein/ueber-uns//
- ↑ http://www.uokg.de/verein/mitgliederverbaende/
- ↑ http://www.uokg.de/mitglieder/sueddeutscher-freundeskreis-hoheneckerinnen/
- ↑ http://www.uokg.de/kontakt/beratungsstellen/
- ↑ Vergessene Kinder? Die Nachkommen politisch Verfolgter. Beiträge zum UOKG-Kongress am 3. November 2018. Hrsg.: Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Berlin 2018
- ↑ Wege zu einer verbesserten Begutachtung von Opfern der Haft und Repression während der SED-Diktatur. UOKG-Kongress am 8. Oktober 2016. Hrsg. Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Berlin 2016.
- ↑ Entrückte Biografien - Politisch angeordneter Kindesentzug im Unrechtsstaat DDR. UOKG-Kongress am 7. November 2015 in Berlin. Hrsg.: Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Berlin 2015.
- ↑ Defizite bei Rehabilitierung und Entschädigung bei SBZ/DDR-Opfern Beiträge zum UOKG-Kongress am 26. Oktober 2013 in Berlin. Hrsg.: Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Berlin 2013.
- ↑ Deutschlandfunk Kultur • Die Zukunft der Stasi-Akten. (deutschlandfunkkultur.de).
- ↑ http://www.interasso.de/
- ↑ https://www.memoryandconscience.eu/
- ↑ Forderungen zur Rehabilitierung von DDR-Unrecht und Entschädigungszahlungen (Memento vom 6. Dezember 2014 im Internet Archive)
- ↑ Forderungen zur DDR-Zwangsarbeit in Haft (Memento vom 6. Dezember 2014 im Internet Archive)
- ↑ Satzung der UOKG
- ↑ Mitgliederzeitschrift Der Stacheldraht
- ↑ Festschrift Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft. Rückblick und Ausblick. Hrsg. UOKG e.V., Berlin 2012.