Udo Kier

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Udo Kier, 2011

Udo Kier (* 14. Oktober 1944 in Köln-Lindenthal[1] als Udo Kierspe) ist ein deutscher Schauspieler und Synchronsprecher, der seit den 1960er Jahren an über 250 Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt hat. Er ist einer der wenigen deutschen Schauspieler, die regelmäßig in Hollywood drehen, und spezialisierte sich besonders auf skurrile Nebenrollen an der Seite großer Stars. Daneben arbeitete er im Independent- und Arthouse-Bereich mit Regisseuren wie Andy Warhol, Lars von Trier, Rainer Werner Fassbinder, Paul Morrissey, Werner Herzog, Christoph Schlingensief und Gus van Sant.

Leben

Jugend

Udo Kier wurde als nichtehelicher Sohn einer Schneiderin in Köln-Lindenthal geboren. Wenige Stunden nach seiner Geburt wurden er und seine Mutter bei einem Bombenangriff im Krankenhaus verschüttet, die Mutter konnte jedoch sich und den Neugeborenen befreien. Seinen leiblichen Vater lernte Kier erst als Erwachsener kennen.

Kier war in seiner Jugend als Messdiener, Vorbeter und Chorsänger tätig. Er verkleidete und schminkte sich gerne als Frau und imitierte beispielsweise Caterina Valente. Nach der Schule begann er eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann, später jobbte er bei Ford am Fließband. Bald erkannte er, dass er auch mit seinem Aussehen mit zarten, mädchenhaften Zügen, auffallend grünen Augen und braunen Locken Geld verdienen konnte. So arbeitete er zeitweise als Model in der Modebranche. Auf einem Ferientrip nach Cannes lernte er Jean Marais und Arndt von Bohlen und Halbach kennen. Kier soll sich nach eigenem Bekunden eine Zeitlang von Letzterem aushalten haben lassen. Mit 19 Jahren kam er nach London, wo er sich als Kellner durchschlug. Abends besuchte er die Schauspielschule und lernte unter anderem den Regisseur Luchino Visconti sowie den Schauspieler Helmut Berger kennen. Ebenfalls begegnete er schon in den 1960er Jahren dem noch unbekannten Regisseur und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder, mit dem er später mehrere Filme drehte.

Karriere

1964 ging er nach Rom, wo er zu einer schillernden Illustriertenberühmtheit avancierte. Wieder in England, spielte Kier mit 23 Jahren erstmals in einem Film und besuchte anschließend in New York eine Schauspielschule. Im Laufe der Zeit und mit größeren Rollen in Film und Fernsehen entwickelte er sich durch sein Aussehen, seinen exzentrischen Ausdruck und seinen Mut zu Rollen jenseits des Üblichen zum Typ des „neugierigen Streuners durch viele schräge Welten“. 1973 brachte er es in Paul Morrisseys Filmen Frankenstein und Dracula zu einiger Berühmtheit. Seinen Hauptwohnsitz behielt Kier bis Anfang der 1990er Jahre in Köln, wo er gemeinsam mit dem Maler Michael Buthe und dem Videokünstler Marcel Odenbach in einer Künstlerkolonie lebte. In den 1980er Jahren versuchte er sich als Musiker, nahm eine Schallplatte mit dem Titel Der Adler auf, die später in seinem ersten amerikanischen Film My Private Idaho (1991) zu hören war, und reiste mit einem Rock-Pop-Programm nach Moskau.

Kier gehörte auch zu den skurrilen Aktivisten der kulturellen Avantgarde aus Mülheim an der Ruhr. 1988 spielte er unter der Regie von Christoph Schlingensief in dem Film Mutters Maske neben Helge Schneider und Charly Weiss. Der Film war eine surrealistisch anmutende Neuverfilmung des Films Opfergang von Veit Harlan. Kier spielte noch in einigen Schlingensief-Filmen mit, 1986 in Egomania – Insel ohne Hoffnung an der Seite von Tilda Swinton, 1989 in 100 Jahre Adolf Hitler, 1990 in Das deutsche Kettensägenmassaker, 1992 in Terror 2000, 1992 in Udo Kier – Tod eines Weltstars (in dem Kier sich selbst spielt), 1996 in United Trash und 1997 in Die 120 Tage von Bottrop. Kier trat gelegentlich auch im Theater auf und übernahm in vielen europäischen Ländern diverse Rollen in Kino- und Fernsehfilmen. So spielte er an der Seite von Hans Falár am Bonner Schauspielhaus in Das kurze Leben der Schneewolken und zusammen mit Christine Kaufmann für ein Tourneetheater in Salome.

Nachdem es zeitweise etwas ruhiger um ihn geworden war, schaffte er 1991 den Sprung nach Hollywood und spielte in dem Film My Private Idaho des amerikanischen Regisseurs Gus Van Sant einen exzentrischen homosexuellen Freier. Durch seinen Auftritt als dekadenter Flaneur in zwei Popvideos und dem Skandalbuch SEX der Sängerin Madonna wurden Filmagenturen auf ihn aufmerksam. Er bekam nun zahlreiche Film- und Fernsehrollen in den USA und drehte auch Werbespots. So war er in der Science-Fiction-Serie seaQuest DSV von Steven Spielberg und in den Kinofilmen Ace Ventura – Ein tierischer Detektiv, Die Legende von Pinocchio, Die neuen Abenteuer des Pinocchio und Shadow of the Vampire zu sehen. Durch die Rolle des Schurken Yuri in dem PC-Videospiel Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2 und dem Add-on Yuris Rache erlangte er größere Bekanntheit in der Gamer-Szene. In der Comic-Verfilmung Blade von 1998 stellt Kier den Vorsitzenden einer geheimen Vampirgesellschaft dar. Er arbeitete in Hollywood an der Seite von Stars wie Nicole Kidman, Michael J. Fox, Keanu Reeves, River Phoenix, Wesley Snipes, Bruce Willis, Dolph Lundgren, John Malkovich, Matt Damon, Christoph Waltz und Arnold Schwarzenegger.

Auch in Europa ist er nach wie vor ein gefragter Schauspieler. Er arbeitete insbesondere mit dem dänischen Regisseur Lars von Trier zusammen, so in dessen Filmen Epidemic, Medea, Europa, Hospital der Geister, Breaking the Waves, Dancer in the Dark, Dogville, Manderlay, Melancholia und Nymphomaniac. Auch in deutschen Filmen tauchte er gelegentlich auf, beispielsweise als Killer in einer Folge der Krimiserie Rosa Roth oder als schwuler Topterrorist und Modedesigner in Hans-Christoph Blumenbergs Rotwang muß weg! von 1993. In amerikanischen Filmen spielte er mitunter auch sehr kleine Rollen. So war er in Josh and S.A.M. nur in einer Szene zu sehen. 1995 spielte er in dem Film Vernetzt – Johnny Mnemonic und 1998 in Michael Bays Armageddon mit. Von 2005 bis 2007 war Kier in der Kinder-Mysteryserie 4 gegen Z als finsterer Magier Zanrelot (Anagramm von „Toleranz“) zu sehen, der die Herrschaft über Lübeck an sich reißen will. Darin spielte er unter anderem mit der Nachwuchsschauspielerin Carolyn McGregor. Auch wirkte er 2004 in dem deutschen Film Jargo mit.

2008 wurde die PC-Spiel-Umsetzung von Far Cry gedreht. In dem von Uwe Boll produzierten Werk spielte Kier den Bösewicht Dr. Krieger, als Gegenpart zu Jack Carver, gespielt von Til Schweiger. 2011 spielte er die Hauptrolle in dem kanadischen Drama-Thriller Keyhole, den er mit seiner Filmpartnerin Isabella Rossellini bei South by Southwest vorstellte.[2] Er spielte außerdem in dem Musikvideo Make Me Bad der US-amerikanischen Nu-Metal-Band Korn aus dem Jahr 2000 neben Brigitte Nielsen einen bösen Wissenschaftler. Für die Dokumentation Arteholic (Regie: Hermann Vaske), deren Premiere auf dem Filmfest München lief, erhielt Kier den CineMerit Award 2014.[3] Er war außerdem in vielen Installationen und Videoclips der Band U2 im Rahmen ihrer Zoo-TV-Tour (1992–1993) zu sehen. 2008 kaufte Kier ein ehemaliges Schulgebäude im thüringischen Gehren, das er bei den Dreharbeiten zu Lulu & Jimi entdeckt hatte.[4] In der Nazi-Parodie Iron Sky (2012) sowie der Fortsetzung Iron Sky: The Coming Race (2019) verkörperte er den Mondführer Wolfgang Kortzfleisch.

Herausragende Kritiken erhielt Kier für seine Hauptrolle in dem Independentfilm Swan Song von Todd Stephens.[5]

Privates

Kier zog Anfang der 1990er-Jahre nach Kalifornien und lebt dort in einem Haus in der Wüstenstadt Palm Springs.[6] Er äußert sich selten zu seinem Privatleben, sprach aber in einem Interview 2022 mit der GQ über seine Homosexualität und dass er seit über 20 Jahren in einer Beziehung ist.[7][8]

Ende Juni 2020 wurde Kier ein Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences.[9]

Filmografie (Auswahl)

Synchronrollen

Darüber hinaus war Kier auch als Synchronsprecher tätig und lieh sich in der deutschen Synchronisation folgender Filme selbst die Stimme:

Musikvideos

Dokumentationen – Porträts

  • 2012: Ich – Udo … starring Udo Kier, Dokumentation, 43 Min.[12]

Auszeichnungen

Independent Spirit Award

Literatur

  • Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen · Georg Müller Verlag GmbH, München · Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 493.
  • Udo Kier: Footprints (Bildband in limitierter Auflage von 600 Exemplaren), Köln und New York 1991
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 4: H – L. Botho Höfer – Richard Lester. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 379 f.
  • Gerd J. Pohl: ''Ostheim''. Essay über Kier und Michael Buthe und das Leben in der Künstlerkolonie Köln-Ostheim. Lantershofen und Bergisch Gladbach 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. November 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zdf.de
  2. Samuel Zimmerman: SXSW Feature Lineup announced. Fangoria, 1. Februar 2012, abgerufen am 28. Mai 2013 (englisch).
  3. 30.06.14 – Udo Kier erhält den CineMerit Award 2014. (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive) In: filmfest-muenchen.de. Abgerufen am 11. Juni 2014.
  4. Markus Mähler: Warten Steine oder Rosen? Freies Wort, 12. Februar 2008, abgerufen am 28. Mai 2013.
  5. FilmInk Staff: Udo Kier: Soars In Swan Song. In: FilmInk. 16. Dezember 2021, abgerufen am 6. Januar 2022 (australisches Englisch).
  6. Condé Nast: Krawatten in der Wüste: So wohnt Schauspieler Udo Kier in Palm Springs. 16. Februar 2020, abgerufen am 10. Mai 2022 (deutsch).
  7. Condé Nast: Udo Kier im GQ Interview: “Das muss ich nicht spielen. Das bin ich.” 2. Mai 2022, abgerufen am 10. Mai 2022 (deutsch).
  8. Udo Kier on his 50-year career and ‘Swan Song’. Abgerufen am 10. Mai 2022 (englisch).
  9. Academy Invites 819 To Membership. In: oscars.org. Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 30. Juni 2020, abgerufen am 2. Mai 2022 (englisch).
  10. Vorankündigung der Dokumentation von Hermann Vaske: Arteholic. In: camino-film.com. Camino Filmverleih GmbH, abgerufen am 11. Juli 2014.
  11. https://www.youtube.com/watch?v=pDsX9FV50vE
  12. Trailer. In: YouTube. Jeremy JP Fekete, abgerufen am 28. Mai 2013.
  13. 2022 Spirit Awards Nominations: A24 Leads with 13, Four Women in for Best Director (Full List). In: IndieWire. 14. Dezember 2021, abgerufen am 23. Februar 2022 (englisch).