Ultrafilter
Ein Ultrafilter ist in der Mathematik ein Mengenfilter auf einer Menge , so dass für jede Teilmenge von entweder selbst oder ihr Komplement Element des Mengenfilters ist. Ultrafilter sind somit genau diejenigen Mengenfilter, zu denen keine echte Verfeinerung existiert. Diese Definition von Ultrafiltern lässt sich von Mengenfiltern auf allgemeine Filter im Sinne der Verbandstheorie übertragen.
Ultrafilter mit der Eigenschaft, dass die Schnittmenge aller ihrer Elemente nichtleer ist, heißen fixierte Ultrafilter, Punktfilter oder Elementarfilter: Sie bestehen aus allen Teilmengen, die einen bestimmten Punkt enthalten. Alle Ultrafilter auf endlichen Mengen sind fixierte Ultrafilter. Fixierte Filter sind die einzigen explizit konstruierbaren Ultrafilter. Die zweite Art der Ultrafilter sind die freien Ultrafilter, für die die Schnittmenge aller ihrer Elemente die leere Menge ist.
Ultrafilter finden Anwendungen etwa in der Topologie und der Modelltheorie.
Der zum Begriff des Ultrafilters duale Begriff ist der des Primideals.[1]
Formale Definition und grundlegende Eigenschaften
Es sei eine Menge. Ein Filter ist eine Familie von Teilmengen auf mit folgenden Eigenschaften:
Ein Ultrafilter ist ein Filter mit der Eigenschaft:
- Ist Filter auf mit , dann gilt .
Dieser Punkt kann auch so ausgedrückt werden, dass in der Menge aller Filter auf maximal ist, wobei als Ordnung die Inklusion auf , also auf der Potenzmenge der Potenzmenge von , verwendet wird. (Beachte: Ein Filter ist eine Teilmenge von und daher ein Element von .)
Es gilt folgender Satz: Ist ein Filter auf der Menge , dann existiert ein Ultrafilter , der den Filter umfasst. Da ein Filter auf der Menge ist, existiert auf jeder nichtleeren Menge ein Ultrafilter.
Ultrafilter lassen sich durch folgenden Satz charakterisieren:
Es sei ein Filter auf . Dann sind folgende Aussagen äquivalent (L1):
- Für alle Filter auf mit folgt .
- Für alle Teilmengen gilt: oder .
- gilt, dass entweder oder .
Des Weiteren gilt: Sind Ultrafilter auf einer Menge , dann sind diese gleichmächtig. Dies sieht man durch folgende Abbildungen ein:
sowie
Zuerst sieht man, dass die Abbildungen, wegen (L1) wohldefiniert sind. Man sieht sofort und . Somit handelt es sich um Bijektionen.
Vollständigkeit
Unter der Vollständigkeit eines Ultrafilters versteht man die kleinste Kardinalzahl , sodass Elemente des Filters existieren, deren Durchschnitt kein Element des Filters ist. Dies widerspricht nicht der Definition eines Ultrafilters, da nach dieser nur der Durchschnitt endlich vieler Elemente wieder im Filter enthalten sein muss. Aus dieser Voraussetzung folgt aber, dass die Vollständigkeit eines Ultrafilters mindestens ist. Ein Ultrafilter, dessen Vollständigkeit größer als ist, also überabzählbar, heißt abzählbar vollständig bzw. -vollständig, da jede Schnittmenge abzählbar (auch abzählbar unendlich) vieler Elemente des Filters wieder ein Element des Filters ist.
Verallgemeinerung von Ultrafiltern auf Halbordnungen
Im Kontext der allgemeineren Definition von Filter als Teilmenge einer halbgeordneten Menge (zum Beispiel Potenzmenge mit Inklusion) heißt ein Filter Ultrafilter, wenn es keinen feineren Filter als gibt, der nicht schon ganz ist – formal ausgedrückt: Wenn ein Filter auf ist mit , dann gilt oder . Diese allgemeinere Definition stimmt in dem Spezialfall, dass die Potenzmenge einer Menge ist, mit der zuerst gegebenen überein. Mit Hilfe des Zornschen Lemmas lässt sich zeigen, dass jeder Filter in einem Ultrafilter enthalten ist.
Ultrafilter auf Verbänden
Als Spezialfall der Definition auf Halbordnungen ergibt sich eine Definition auf Verbänden. Ein Ultrafilter auf einem Verband lässt sich alternativ als Verbandshomomorphismus in die zweielementige boolesche Algebra definieren. Ein abzählbar vollständiger Ultrafilter lässt sich als 0,1-wertiges Maß auffassen.
Arten und Existenz von Ultrafiltern
Es gibt zwei Arten von Filtern. Zur Unterscheidung wird folgende Definition benutzt:
Ein Filter heißt frei, wenn ist, andernfalls heißt er fixiert.
Leicht sieht man, dass Ultrafilter auf einer endlichen Menge fixiert sind; auf endlichen, halbgeordneten Mengen besitzen Ultrafilter ein kleinstes Element, sie lassen sich als für ein Element darstellen. Allgemeiner gilt auf beliebigen Mengen: Ein Ultrafilter auf ist ein fixierter Ultrafilter genau dann, wenn er eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:
- Es gibt ein mit .
- Der Filter besitzt ein endliches Element.
In diesem Fall heißt Hauptelement des Ultrafilters.
Freie Ultrafilter können nur auf unendlichen Mengen existieren. Es lässt sich zeigen (Tarski'scher Ultrafiltersatz, englisch Tarski's Ultrafilter Theorem), dass jeder Filter einer Menge (allgemeiner: jede Teilmenge , für die die Schnittmenge endlich vieler Teilmengen von wieder in liegt) in einem Ultrafilter von enthalten ist. Der Beweis des Ultrafiltersatzes ist nicht konstruktiv und ergibt sich unter Anwendung des Lemmas von Zorn, setzt also die Annahme der Gültigkeit des Auswahlaxioms voraus.[2][3]
Ein Beispiel für fixierte Filter sind Umgebungsfilter.
Beispiele
- Ist eine endliche Menge, dann ist jeder Ultrafilter auf genau durch einen Punkt fixiert. Wäre das nicht so und wäre der Filter durch die Menge fixiert, so könnte man ihn durch Hinzufügen von echt verfeinern. Somit sind die Ultrafilter auf einer endlichen Menge gerade die Punktfilter.
- Der Umgebungsfilter eines Punktes in der Topologie ist genau dann ein Ultrafilter, wenn der Punkt isoliert ist.
Anwendungen
- In der Modelltheorie und universellen Algebra dienen Ultrafilter der Definition von Ultraprodukten und Ultrapotenzen von algebraischen Strukturen. Diese Konstruktionen erben dabei gewisse Eigenschaften der zugrundeliegenden Strukturen.
- Die für die Nichtstandardanalysis grundlegenden hyperreellen Zahlen lassen sich als eine solche Ultrapotenz konstruieren.
- In der Topologie erlauben Ultrafilter eine Charakterisierung von Kompaktheit: Ein topologischer Raum ist genau dann kompakt, wenn auf ihm jeder Ultrafilter konvergiert. Diese Charakterisierung lässt sich verwenden, um den Satz von Tychonoff zu beweisen, der für die mengentheoretische Topologie grundlegend ist.
- In der metrischen Geometrie verwendet man Ultrafilter zur Konstruktion des asymptotischen Kegels, einem wichtigen Werkzeug zur Untersuchung der "large scale geometry" nichtkompakter Räume.
Literatur
- Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie. 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-67790-9 (Springer-Lehrbuch).
- Paul Moritz Cohn: Universal Algebra (= Mathematics and Its Applications. Band 6). Überarbeitete Auflage. D. Reidel Publishing Company, Dordrecht, Boston 1981, ISBN 90-277-1213-1.
- Thorsten Camps, Stefan Kühling, Gerhard Rosenberger: Einführung in die mengentheoretische und die algebraische Topologie. Heldermann, Lemgo 2006, ISBN 3-88538-115-X (Berliner Studienreihe zur Mathematik 15), S. 203ff. Kapitel 13.
- Thomas Jech: Set Theory. The Third Millennium edition, revised and expanded (= Springer Monographs in Mathematics). Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2003, ISBN 3-540-44085-2.
- Horst Schubert: Topologie (= Mathematische Leitfäden). 4. Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1975, ISBN 3-519-12200-6.
Einzelnachweise
- ↑ Thomas Jech: Set Theory 2003, S. 74 ff.
- ↑ Jech, op. cit., S. 75.
- ↑ Auf diesem Wege ist die Existenz freier Ultrafilter gesichert. So bilden etwa die kofiniten Teilmengen einer unendlichen Menge einen Filter, die freien Ultrafilter sind gerade die Ultrafilter, die Oberfilter dieses Filters sind.