Under One Roof

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Under One Roof
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The Rubettes
Veröffentlichung 1976
Autor(en) John George Richardson, Alan James Williams
Produzent(en) Alan Blakley
Label State Records/Ladysmith Music
Coverversionen
1976 Bernd Clüver: Mike und sein Freund
1976 Wolfgang Petry: Under One Roof

Under One Roof ist ein Song der englischen Country-Band The Rubettes aus dem Jahr 1976. Im selben Jahr erschien eine deutschsprachige Coverversion von Bernd Clüver unter dem Titel Mike und sein Freund. Das Lied wurde von den Rubettes-Bandmitgliedern John Richardson und Alan Williams komponiert und getextet, der deutsche Text stammt von Hans-Ulrich Weigel.[1] Beide Versionen thematisieren die Liebe zwischen zwei jungen Männern und ihr tragisches Ende aufgrund der ihnen entgegenschlagenden brutalen Homophobie.

Text

Beide Texte erzählen die beinahe identische Geschichte eines jungen Mannes (Billy/Mike), der aus einem lieblosen und zerrütteten Elternhaus ausreißt, „um Frieden zu finden“, und der verloren in einer fremden Stadt strandet. Dort wird er von einem schwulen Mann aufgenommen und die beiden wohnen zusammen in einem Dachzimmer, wo sie ihre Liebe versteckt leben können. Außerhalb ihres Zufluchtsorts und ihrer Beziehung schlägt Billy/Mike Ablehnung entgegen, etwa auf der Suche nach Arbeit, die er schließlich in einer Fabrik findet.

Als der gewalttätige Vater des jungen Ausreißers die beiden Liebenden entdeckt, bedroht er seinen Sohn. Ab hier weichen die Texte voneinander ab: Im englischen Original wartet der Vater vor dem Fabriktor und ersticht seinen Sohn; in Bernd Clüvers deutscher Version hat das Paar nach dem ersten „Besuch“ des Vaters noch Hoffnung, bis Mike am nächsten Tag am Fabriktor von einer Männergruppe um seinen Vater verhöhnt und bespuckt wird. Die beiden Liebenden verbringen eine letzte Nacht zusammen und schreiben einen Abschiedsbrief – der darauf folgende gemeinsame Suizid wird nur angedeutet.

Die Liebe zwischen den Männern wird in beiden Texten nicht umschrieben, sondern klar ausformuliert:

„Under one roof
Sharing one love daring the world to part them.“

Under One Roof

„Mike und sein Freund teilten zu zweit
Unter dem Dach eine Liebe“

Mike und sein Freund

In der englischen Schlussszene kommt Billys Vater kurz zur Besinnung …

“As Billy lay dying his Papa started crying
Because the parent through him he became
And all because the person who has the first to give him love
Had been a man.”

„Als Billy im Sterben lag begann sein Vater zu weinen
weil er durch ihn zum Vater geworden war (??)
Und all das, weil die Person, die ihn als erstes liebte
ein Mann war“

… während in der deutschen Version Mikes Perspektive eingenommen wird, der seine Verzweiflung und Ausweglosigkeit in seinem Abschiedsbrief formuliert:

„Mama und Papa verzeiht
Weil mir doch keiner helfen kann
Denn der einzige Mensch
Der mich wirklich liebte
War ein Mann“

Kontext und Resonanz

Chartplatzierungen
Erklärung der Daten
Singles[2][3]
Under One Roof
  DE 30 27.09.1976 (3 Wo.)
  UK 40 25.09.1976 (3 Wo.)
Mike und sein Freund (Under One Roof)
  DE 44 22.11.1976 (1 Wo.)

The Rubettes: Under One Roof

Die Rubettes waren 1973 durch Sugar Baby Love international bekannt geworden; der Glam-Rock-Titel war in Deutschland und Großbritannien die Nummer eins und verkaufte sich millionenfach. Im Jahr 1976 wechselten sie nach der Trennung von Produzent und Komponisten ins Country-Genre.[4]

Der Song gilt als einer der ersten, der Homophobie thematisierte, er erreichte die britischen Top 40. Martin Aston stellte 2016 fest, dass die thematische Offenheit hier nicht zu Gleichgültigkeit oder Ignoranz des Publikums geführt habe.[5][4] Ein Jahr später veröffentlichte Rod Steward das ungleich erfolgreichere The Killing of Georgie („Georgie boy was gay I guess; Nothin' more or nothin' less“), das auf einer wahren Begebenheit beruhte.[5]

Nach Under One Roof erreichten The Rubettes 1977 mit Baby I Know noch einmal die Top 10.[4]

Bernd Clüver: Mike und sein Freund

Im deutschsprachigen Raum wird der Titel als der erste Schlager (in der Bundesrepublik) bezeichnet, der das Thema Homosexualität thematisiert, auch wenn es 1970 bereits die Titel Homo Joe und Er von Sonny Costa gegeben hatte, die jedoch über die Schwulenszene hinaus keine besondere Resonanz erfuhren.[6]

Bernd Clüver war 1976 ein erfolgreicher Schlagersänger. Man kannte ihn als „romantisch-sensiblen Typen“ mit Titeln wie Der kleine Prinz oder Der Junge mit der Mundharmonika; beide erreichten Platz eins der Hitparade. Elmar Kraushaar stellte 1983 fest, dass – trotz der allgemeinen Öffnung für sexuell etwas explizitere Inhalte – Homosexualität als gesellschaftliches Tabu in den 1970ern fast keine Rolle im deutschen Schlager spielte.[7] Dies hatte aus seiner Sicht ausschließlich kommerzielle Gründe: man rechnete mit Boykott und schlechten Verkaufszahlen sowie Reputationsverlust für die Sängerinnen und Sänger. Dass Bernd Clüver hier eine Ausnahme wagte, hatte nach Kraushaars Einschätzung vielleicht damit zu tun, dass die Rubettes mit dem Titel bereits in den deutschen Charts gewesen waren.[7][3]

Clüvers Texte waren bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht als besonders ernst oder anspruchsvoll aufgefallen; Andre Port le roi bezeichnete sie in Schlager lügen nicht 1998 gar als „wirr“. Der Titel Mike und sein Freund setzte seiner Karriere ein abruptes – vorläufiges – Ende.[7] Nach eigener Aussage wurde er in den öffentlich-rechtlichen Sendern durchweg gesperrt und von Dieter Thomas Heck „aus der Hitparade geschmissen“.[8] Der Titel wurde in den wenigsten Radiosendern gespielt und der Sänger sah sich genötigt, Heterosexualität zu demonstrieren und sich kurzentschlossen mit einer Frau zu verloben.[9]

Inhaltlich wird der Mike und sein Freund sowohl zeitgenössisch als auch in der Rückschau eher kritisch bewertet: Mike und sein Freund bediene „billige Schwulenklischees“ (das getönte Haar des Geliebten),[9] und sei ein[e] banale[r], um Mitgefühl und Verständnis geradezu buhlende[r] Schlager.[10]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Offizielle Deutsche Charts – Offizielle Deutsche Charts. Abgerufen am 21. Oktober 2020.
  2. Chartsurfer.de: Mike und sein Freund von Bernd Clüver. Abgerufen am 22. Oktober 2020.
  3. a b Chartsurfer.de: Under One Roof von The Rubettes. Abgerufen am 21. Oktober 2020.
  4. a b c Rubettes | Biography & History. Abgerufen am 21. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  5. a b Martin Aston: Breaking down the walls of heartache : how music came out. Hachette, London 2016, ISBN 978-1-4721-2244-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Erwin In het Panhuis: Warum wir die ersten beiden schwulen Schlager feiern sollten. Abgerufen am 21. Oktober 2020 (deutsch).
  7. a b c Elmar Kraushaar: Rote Lippen. Die ganze Welt des deutschen Schlagers. rororo, Reinbek 1983, ISBN 978-3-499-15087-6, S. 118–119.
  8. Ralf Jörg Raber: Wir sind wie wir sind. Ein Jahrhundert homosexuelle Liebe auf Schallplatte und CD. Männerschwarm Verlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-939542-91-9 (zitiert nach: Simon Mues: Der deutsche Schlager im DaF-Unterricht. Masterarbeit im Fach Deutsch als Fremdsprache – Kulturvermittlung, Berlin 2012 (PDF)).
  9. a b André Port le Roi: Schlager lügen nicht. Deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit. Klartext Verlag, Essen 1998, ISBN 978-3-88474-657-8, S. 177–179.
  10. Volker Ott: Homotropie und die Figur des Homotropen in der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts (= Europäische Hochschulschriften: Deutsche Literatur und Germanistik. Band 324). Lang-Verlag, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-8204-6635-5, S. 325.