Vatikanische Finanzinformationsbehörde
Die Vatikanische Finanzinformationsbehörde (italienisch Autorità di Informazione Finanziaria, AIF) ist die Financial Intelligence Unit (FIU) der Vatikanstadt. Die Behörde wurde am 30. Dezember 2010 durch ein Motu Proprio von Papst Benedikt XVI. ins Leben gerufen.
Aufgaben
Die Behörde ist Aufsichtsgremium aller Finanztransaktionen im Staat der Vatikanstadt sowie der römischen Kurie und aller Organisationen und Institutionen abhängig vom Heiligen Stuhl. Ein Jahr zuvor hat der Heilige Stuhl in einer Vereinbarung mit der Europäischen Union die Schaffung einer solchen Kontrollinstanz in Aussicht gestellt. Am selben Tag, als das Motu Proprio verkündete wurde, promulgierte der Papst das Gesetz des Staates der Vatikanstadt über die Verhütung und Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Legge dello Stato della Città del Vaticano concernente la prevenzione ed il contrasto del riciclaggio dei proventi di attività criminose e del finanziamento del terrorismo), das die Rechtsgrundlage für die Errichtung der Behörde bildete.
Im Juli 2013 gab der Pressesprecher des Vatikans, Pater Federico Lombardi bekannt, dass das Istituto per le Opere di Religione (IOR, „Vatikanbank“) ein Finanzberatungsinstitut aus Washington, D.C., die Promontory Financial Group, beauftragt hat, alle Konten und Aktivitäten einer forensischen Prüfung auf Geldwäsche zu unterziehen. Dabei arbeite diese Firma bei der Untersuchung mit der Vatikanischen Finanzinformationsbehörde und den Justizbehörden zusammen, um diese Fälle aufzuklären.[1]
Beschäftigte
Erster Präsident der Behörde wurde Attilio Nicora, der im Sommer 2011 als Kardinalpräfekt der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls zurücktrat um Unvereinbarkeiten mit seiner neuen Position zu vermeiden. Am 30. Januar 2014 entband ihn Papst Franziskus auf seinen Wunsch vom Amt des Präsidenten und ernannte Kurienbischof Giorgio Corbellini zum Interimspräsidenten.[2] Als Direktor der Behörde fungierte von 2012 bis 2014 René Brülhart, ein Schweizer, der von 2010 bis 2012 Vizepräsident der Egmont Group war und der bis 2012 Direktor der Stabsstelle Financial Intelligence Unit von Liechtenstein war.[3] Sein Vorgänger, Francesco De Pasquale, der von 2011 bis 2012 Direktor der AIF war, wurde zum Mitglied des Verwaltungsrates ernannt. Der Verwaltungsrat hatte folgende weitere Mitglieder: Claudio Bianchi, Marcello Condemi, Giuseppe Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto und Cesare Testa. Ab 2014 leitete Brülharts Stellvertreter Tommaso Di Ruzza die Behörde zunächst kommissarisch, ab 2015 als sein Nachfolger, während Brülhart selbst in den Verwaltungsrat wechselte. Di Ruzza wurde Anfang Oktober 2019 zusammen mit anderen leitenden Mitarbeitern suspendiert, nachdem eine Razzia in der Behörde stattgefunden hatte.[4][5]
Am 15. April 2020 wurden Giuseppe Schlitzer zum Direktor und Federico Antellini Russo zum Vizedirektor ernannt.[6]
Ermittlungen bei der Behörde
Im Herbst 2019 beschlagnahmte die vatikanische Staatsanwaltschaft bei einer Razzia Dokumente und Computer der Finanzinformationsbehörde.[5] Gründe der Durchsuchung waren nach Angaben von Staatsanwalt Gian Piero Milano Anzeigen der Vatikanbank und des Generalrevisors im Frühjahr 2019. Betroffen war die Abteilung, die die Kontakte zu den weltweiten diplomatischen Vertretungen des Heiligen Stuhls im Ausland unterhielt.[7]
Zu den weiteren Angeklagten zählten der ehemalige Leiter der vatikanischen Finanzinformationsbehörde (FIA), René Brülhart.
Als Konsequenz aus dem Immobilienskandal um Kardinal Giovanni Angelo Becciu wurden René Brülhart und Investmentfondsmanager Enrico Crasso angeklagt. Ihnen wird Machtmissbrauch vorgeworfen. Auch der ehemalige FIA-Direktor Tommaso Di Ruzza und die Beraterin Cecilia Marogna müssen sich dem Gericht im Vatikan stellen.[8]
Weblinks
- Apostolic Letter "Motu Proprio data" for the prevention and countering of illegal activities in the area of monetary and financial dealings (December 30, 2010) (englisch)
- Eintrag auf Giga-Catholic (englisch)
- LEGGE CONCERNENTE LA PREVENZIONE ED IL CONTRASTO DEL RICICLAGGIO DEI PROVENTI DI ATTIVITÀ CRIMINOSE E DEL FINANZIAMENTO DEL TERRORISMO (italienisch)
Quellen
- ↑ Fall Scarano: Geld eingefroren, Untersuchungen könnten ausgeweitet werden. Radio Vatikan, 12. Juli 2013, archiviert vom Original am 14. Juli 2013; abgerufen am 14. Juli 2013. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Rinuncia del Presidente dell'autoritá di Informazione finanziaria e Nomina del Presidente ad interim, in: Presseamt des Heiligen Stuhls: Tägliches Bulletin vom 30. Januar 2014.
- ↑ Financial Information Authority AppointsNew Director and Executive. Vatican Information Service. 7. November 2012. Abgerufen am 16. Januar 2013.
- ↑ Medienberichte: Chef der vatikanischen Finanzaufsicht suspendiert. katholisch.de vom 3. Oktober 2019
- ↑ a b Julius Müller-Meiningen: Razzia: Landeten Vatikan-Millionen in dunklen Kanälen? Augsburger Allgemeine vom 4. Oktober 2019
- ↑ Nomina del Direttore e del Vice Direttore dell'Autorità di Informazione Finanziaria. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 15. April 2020, abgerufen am 15. April 2020 (italienisch).
- ↑ Vatikan: Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Finanz-Dokumente. katholisch.de vom 1. Oktober 2019
- ↑ https://www.spiegel.de/panorama/justiz/london-vatikan-verkauft-skandal-immobilie-mit-mehr-als-100-millionen-euro-verlust-a-120022c8-73ef-4afd-8cde-97c6a087a449