Vera Meyer

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Vera Meyer (Juni 2020)

Vera Meyer (* 1970 in Hoyerswerda) ist eine deutsche Biotechnologin und Professorin an der Technischen Universität Berlin und leitet dort das Fachgebiet für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie. Wissenschaftlich hat sich Meyer auf die Erforschung von Schimmel- und Pilzkulturen spezialisiert. Zudem ist sie unter Pseudonym als bildende Künstlerin tätig und verbindet hierbei ihre Erkenntnisse der Mikrobiologie, insbesondere der Pilze, mit künstlerischen Mitteln, um das Potenzial von Pilzen interdisziplinär sichtbarer zu machen.

Leben

Vera Meyer studierte Biotechnologie an der Universität Sofia (Bulgarien) und der Technischen Universität Berlin, wo sie ihr Studium 1996 als Diplom-Ingenieurin für Biotechnologie abschloss. 2001 folgte die Promotion zum Dr.-Ing. bei Ulf Stahl am Fachgebiet Mikrobiologie und Genetik des Institutes für Biotechnologie an der TU Berlin. In den darauf folgenden Jahren, von 2002 bis 2008, arbeitete sie dort als wissenschaftliche Assistentin und Laborleiterin und habilitierte 2008 im Fach Mikrobiologie und Genetik ebenfalls bei Ulf Stahl.

Als Gastwissenschaftlerin führten ihre Forschungen sie 2003 nach London an das Imperial College of Science, Technology and Medicine. Von 2005 bis 2006 ging sie für ein weiteres Jahr als Gastwissenschaftlerin an die Universität Leiden (Niederlande). Bereits 2005 erhielt sie den Hochschullehrer-Nachwuchspreis der Dechema.[1] 2008 übernahm sie für drei Jahre eine Assistenzprofessur an der Universität Leiden für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie. Seit 2011 ist sie als Nachfolge von Ulf Stahl Professorin am Institut für Biotechnologie der TU Berlin und leitet das Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie.[2][3] Ihre wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Pilzbiotechnologie wurde in mehr als 90 Fachveröffentlichungen publiziert (Stand Mai 2019).[4]

Unter dem Pseudonym V. meer ist Vera Meyer seit 2008 auch als bildende Künstlerin schaffend.[5] Ihre Schwerpunkte lagen zunächst auf Malerei und Grafik, seit 2013 beschäftigt sie sich aber verstärkt mit der Skulptur und Objektkunst. Die wissenschaftliche Arbeit mit Pilzen in der Mikrobiologie inspirierte sie dazu, Zufallsfunde wie Waldpilze, Holz und Altmetall im Sinne des Objet trouvé miteinander zu kombinieren. Meyers Arbeiten lassen sich in Kategorien fassen, die gleichzeitig die Entwicklung ihres künstlerischen Weges beschreiben: malerisch – grafisch – plastisch – biologisch. Meyer trennt nicht zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Blick, sondern möchte durch Mittel der Kunst das Potenzial von Pilzen für die Biotechnologie und für eine nachhaltige Bioökonomie bekannter machen.[6][7][8]

Wissenschaft

Die Erforschung der Zellfabrik Aspergillus niger ist ein langjähriger Schwerpunkt von Meyers wissenschaftlicher Arbeit. Dabei geht es ihr um eine effektivere Nutzung des Aspergillus niger zur Produktion von Proteinen und Enzymen im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie. Meyers wissenschaftliches Team an der TU Berlin verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, kombiniert Methoden aus dem Bereich der Synthetischen Biologie und der Systembiologie. Gentechnische Methoden, wie zum Beispiel CRISPR-Cas9 und das Generieren großer omics-Datenmengen für Aspergillus niger, werden genutzt, um Genfunktionen und Genregulationsnetzwerke vorhersagen zu können. Dadurch ist es Meyers Team gelungen, Aspergillus niger nicht nur als Zellfabrik für Proteine zu optimieren, sondern erstmals auch für Medikamente zu etablieren (European Patent EP 3 119 900 B1). Die Synthese aus Systembiologie und Synthetischer Biologie ist bisher wissenschaftliches Neuland. Langfristiges Ziel ist es, den Übergang von einer beschreibenden, hin zu einer vorhersagenden Biologie zu ermöglichen.

Wirken

Meyer engagiert sich für eine Einbindung von Bürgerwissenschaftlern in die Forschung, wie zum Beispiel in dem 2018 ins Leben gerufenen Projekt Mind the Fungi!.[9] Bei diesem Projekt untersucht das Institut für Biotechnologie gemeinsam mit Berliner Bürgern, Künstlern und Designern das Potenzial von Baumpilzen für eine Welt basierend auf nachwachsenden Rohstoffen. Darüber hinaus fördert sie aktiv die Zusammenarbeit mit Künstlern durch "Artist in Residence"-Projekte am Fachgebiet.[10] Sie setzt sich zudem für einen Paradigmenwechsel bei wissenschaftlichen Publikationen[11] ein und fordert eine Kultur des Open Access. Im Jahr 2014 gründete Meyer das erste Open-Access-Journal im Bereich der Pilzbiotechnologie (Fungal Biology and Biotechnology[12]), für welches sie seitdem als Mitherausgeberin tätig ist.

Sie ist Sprecherin des internationalen Eurofung Netzwerk und dort besonders engagiert, um für die Entwicklung neuer Antibiotika zu werben, die den sich ausbreitenden, multiresistenten Keime etwas entgegensetzen können. Die Ergebnisse einer von ihr in Berlin organisierten Denkfabrik zu diesem Thema wurden als Weißbuch in dem Open Access Journal Fungal Biology and Biotechnology publiziert.[13]

Weitere Tätigkeiten und Mitgliedschaften

  • Gründungsmitglied und wissenschaftliche Beraterin des niederländischen Biotechnologie-Unternehmens HiTeXacoat[14]
  • Mitglied des Aspergillus Genomes Research Policy Committee[15]
  • Vorstandsmitglied der Dechema und Mitglied in der Fachgruppe Systembiologie und synthetische Biologie
  • Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech)[16]
  • Sie war Sprecherin der Fachgruppe Fungal Biology and Biotechnology der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM).

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Fungal Gene Expression on Demand: an Inducible, Tunable, and Metabolism-Independent Expression System for Aspergillus niger[17](American Society for Microbiology, 2011)
  • David gegen Goliath – Entwicklung neuer antifungaler Wirkstoffe und Strategien[18] (2013)
  • Morphologische Formfindung in Hyphenpilzen[19] (2013)
  • The beauty and the morbid: fungi as source of inspiration in contemporary art[20](2016)
  • Tet-on, or Tet-off, that is the question: Advanced conditional gene expression in Aspergillus[21] (Science Direct / Fungal Genetics and Biology, 2016)
  • Openness and visibility of fungal bio(techno)logy[22] (2017)
  • Vita activa in biotechnology: what we do with fungi and what fungi do with us (2017)[23]
  • How a fungus shapes biotechnology: 100 years of Aspergillus niger research[24] (2018)
  • Updating genome annotation for the microbial cell factory Aspergillus niger using gene co-expression network[25](Oxford Academic, Nucleic Acids Research, 2018)
  • Merging science and art through fungi[26] (2019)
  • mit Matthias C. Rillig, Karine Bonneval, Christian de Lutz, Johannes Lehmann, India Mansour, Regine Rapp, Saša Spačal: Ten simple rules for hosting artists in a scientific lab (TU Berlin, 2021)[27]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. DECHEMA | Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  2. FG Biotechnologie: Home. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  3. https://www.static.tu.berlin/fileadmin/www/10002136/Presse_News/BLZ_23-20.pdf
  4. ORCID. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  5. Im Gespräch: Vera Meyer, Biotechnologin und Pilzexpertin - Die Schönheit der Schimmelpilze. Deutschlandfunk Kultur, 8. Juli 2021, abgerufen am 4. August 2021.
  6. Maren Bulmahn: Das Unsichtbare sehen. www.gdch.de/nachrichten, April 2019, abgerufen am 24. Juni 2019.
  7. Kathrin Rübberdt: Den Blick auf das Unsichtbare lenken: Wie Wissenschaft und Kunst zusammenfließen. In: DECHEMA e.V. 21. Januar 2019, abgerufen am 5. Juli 2019.
  8. Die Schönheit des Schimmels. In: Newsportal. TU Berlin, 22. Februar 2019, abgerufen am 4. August 2021.
  9. artlaboratory-berlin.org Mind the Fungi. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  10. Artist-in-Residence. Abgerufen am 11. November 2021.
  11. Wissen schaffen und frei zugänglich machen – Open-Access-Policy der TU Berlin verabschiedet | Publizieren an der TU Berlin. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  12. Fungal Biology and Biotechnology. Abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  13. Vera Meyer, Mikael R. Andersen, Axel A. Brakhage, Gerhard H. Braus, Mark X. Caddick, Timothy C. Cairns, Ronald P. de Vries, Thomas Haarmann, Kim Hansen, Christiane Hertz-Fowler, Sven Krappmann, Uffe H. Mortensen, Miguel A. Peñalva, Arthur F. J. Ram and Ritchie M. Head: Current challenges of research on filamentous fungi in relation to human welfare and a sustainable bio-economy. Fungal Biology and Biotechnology, 31. August 2016, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  14. HTX – HiTeXacoat. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  15. Aspergillus Genomes Research Policy Committee. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  16. Vera Meyer. Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, abgerufen am 21. November 2021.
  17. Arthur F. J. Ram, Cees A. M. J. J. van den Hondel, Mark Arentshorst, Janneke van Gent, Franziska Wanka: Fungal Gene Expression on Demand: an Inducible, Tunable, and Metabolism-Independent Expression System for Aspergillus niger. In: Applied and Environmental Microbiology. Band 77, Nr. 9, 1. Mai 2011, ISSN 0099-2240, S. 2975–2983, doi:10.1128/AEM.02740-10, PMID 21378046 (asm.org [abgerufen am 24. Juni 2019]).
  18. Dirk Müller-Hagen und Vera Meyer: David gegen Goliath - Entwicklung neuer antifungaler Wirkstoffe und Strategien. Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie, Technische Universität Berlin, 2013, abgerufen am 4. Juni 2019.
  19. Vera Meyer: Morphologische Formfindung in Hyphenpilzen — gleich oder ungleich? In: BIOspektrum. Band 19, Nr. 5, 1. September 2013, ISSN 1868-6249, S. 489–491, doi:10.1007/s12268-013-0342-9.
  20. Corrado Nai und Vera Meyer: The beauty and the morbid: fungi as source of inspiration in contemporary art. Fungal Biology and Biotechnology, 29. November 2016, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  21. Franziska Wanka, Timothy Cairns, Simon Boecker, Christian Berens, Anna Happel, Xiaomei Zheng, Jibin Sund, Sven Krappmann, Vera Meyer: Tet-on, or Tet-off, that is the question: Advanced conditional gene expression in Aspergillus. Science Direct / Fungal Genetics and Biology, April 2016, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  22. Vera Meyer, Corrado Nai, Alexander Idnurm: Openness and visibility of fungal bio(techno)logy. In: Fungal Biology and Biotechnology. Band 4, Nr. 1, 23. Oktober 2017, ISSN 2054-3085, S. 9, doi:10.1186/s40694-017-0038-x.
  23. Martin Weinhold, Edeltraud Mast-Gerlach und Vera Meyer: Vita activa in biotechnology: what we do with fungi and what fungi do with us. Fungal Biology and Biotechnology, Dezember 2017, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  24. Timothy C. Cairns, Corrado Nai und Vera Meyer: How a fungus shapes biotechnology: 100 years of Aspergillus niger research. Fungal Biology and Biotechnology, 24. Mai 2018, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  25. V. Meyer, T. C. Cairns, T. Schütze, N. Paege, B. Nitsche: Updating genome annotation for the microbial cell factory Aspergillus niger using gene co-expression networks. In: Nucleic Acids Research. Band 47, Nr. 2, 25. Januar 2019, ISSN 0305-1048, S. 559–569, doi:10.1093/nar/gky1183 (oup.com [abgerufen am 24. Juni 2019]).
  26. Vera Meyer: Merging science and art through fungi. Fungal Biology and Biotechnology, 26. April 2019, abgerufen am 24. Juni 2019 (englisch).
  27. Matthias C. Rillig, Karine Bonneval, Christian de Lutz, Johannes Lehmann, India Mansour: Ten simple rules for hosting artists in a scientific lab. In: PLOS Computational Biology. Band 17, Nr. 2, 25. Februar 2021, ISSN 1553-7358, S. e1008675, doi:10.1371/journal.pcbi.1008675, PMID 33630845, PMC 7906389 (freier Volltext) – (plos.org [abgerufen am 11. November 2021]).