Vergewaltigung von Strafgefangenen

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Vergewaltigung von Strafgefangenen bezeichnet ein Sexualverbrechen an Strafgefangenen, zumeist innerhalb des Gefängnisses. Unter der englischen Bezeichnung prison rape, deutsch Gefängnis-Vergewaltigung, hat das Phänomen vor allem in den USA Bedeutung erlangt.

Studien und Schätzungen aus den USA

Nach einer auf das Jahr 2006 bezogenen Studie des Justizministeriums der Vereinigten Staaten wurden in den USA dem Gefängnispersonal 2.205 Vergewaltigungen[1] unter Gefängnisinsassen gemeldet. 262 dieser Meldungen waren nachgewiesen.[2] Nach Studien und Reporten anderer nationaler und internationaler Organisationen ist die Anzahl der Vergewaltigungen unter Gefangenen in den Vereinigten Staaten wie auch in anderen Staaten sehr viel höher, als die offiziellen Angaben der einzelnen Regierungen belegen.

Nach Schätzungen der Organisation Human Rights Watch wurden rund 140.000 der im Jahr 1996 in den Vereinigten Staaten inhaftierten Männer während der Haft vergewaltigt.[3] Nach Angaben der Organisation Stop Prisoner Rape mit Sitz in New York City werden in den Gefängnissen weltweit hauptsächlich Männer Opfer einer Gefängnis-Vergewaltigung. Insbesondere seien jüngere Männer unter den Geschädigten. Frauen werden weltweit zumeist Opfer ihrer männlichen Bewacher und Wärter.[4] Männer hingegen werden weltweit größtenteils Opfer gleichgeschlechtlicher Sexualverbrechen, die entweder von Mitinsassen im Gefängnis oder von Wärtern begangen werden.

Russland

Zur Zeit der Sowjetunion unter dem Kommunismus spielte die Vergewaltigung von Häftlingen eine feste Rolle und diente u. a. dazu, politische und religiöse Gefangene zu erniedrigen. Weibliche Gefangene wurden oft an privilegierte männliche Gefangene verteilt. In der Quantität spielte aber auch hier die Vergewaltigung männlicher Opfer die größere Rolle.[5]

Brasilien

In Brasilien gibt es keine offiziellen Erhebungen über Vergewaltigungen in Gefängnissen, aber die Vergewaltigung und Tötung von Vergewaltigern und besonders Pädophilen durch andere Gefangene ist sehr häufig und wird oft bewusst durch die wachhabenden Polizisten ermöglicht. Dabei gelten Zuhälter und Mitglieder von Drogengangs in den Augen der Gefangenen indes nicht als Vergewaltiger, obwohl diese oft von „Berufs“ wegen Frauen und Mädchen versklaven und vergewaltigen.[6][7]

Jedoch wurde der Organisation Amerikanischer Staaten von Frauen- und Gefangenenverbänden bereits im März 2007 ein Bericht vorgelegt, der den Missbrauch weiblicher Gefangener im Jahre 2006 offenlegte. In Brasilien kommt es relativ häufig vor, dass weibliche Gefangene auf Männerzellen gelegt werden, auf denen sich meistens 20 bis 50 Männer befinden, wo sie hilflos Vergewaltigungen ausgesetzt sind. Gründe dafür sind manchmal das Fehlen von Zellen für weibliche Gefangene in kleineren Einrichtungen, öfter hingegen Repressalien der wachhabenden Polizisten gegen einzelne weibliche Gefangene, Aufträge von einsitzenden Drogenbossen gekoppelt mit Bestechungen an die Polizisten, um sich und andere Gefangene mit „Frischfleisch“ zu versorgen und laut Aussagen der Polizei auch Verwechselungen und Versehen.[8]

Die Dunkelziffer ist naturgemäß sehr hoch, aber im November 2007 gelangte ein Fall groß in die Presse, als eine Jugendliche im Gefängnis der Stadt Abaetetuba im Norden des Bundesstaates Pará die einzige Zelle mit über zwanzig Männern teilen musste und 26 Tage lang missbraucht wurde.[9] Seitdem sind immer wieder Fälle bekannt geworden. So beschreibt die brasilianische Aktivistin Petala Parreira einen über den sehr aktiven Prostituiertenverband Aprosmig[10] des Bundesstaates Minas Gerais bekannt gewordenen drastischen Fall in Form einer freien Erzählung und listet im dokumentarischen Teil mehr als zwanzig weitere skandalöse Fälle auf.[11]

In vielen anderen lateinamerikanischen Ländern herrschen ähnliche Verhältnisse, doch die Grausamkeiten kommen selten ans Tageslicht, es sei denn, die Täter sind so stolz über ihre Untaten, dass sie selbst Aufnahmen davon verbreiten, so wie es zwei Schwerverbrecher 2010 in Paraguay machten und damit weltweit in die Schlagzeilen kamen.[12]

Islamische Länder

In mehrheitlich islamisch regierten Ländern wird oft ein fehlendes Bewusstsein der Täter für das Unrecht einer Vergewaltigung beobachtet, da nach deren Auslegung der Koran mit der Sure 33 Vers 52[13] den sexuellen Anspruch gegenüber zuvor gefangen genommenen Frauen religiös-gesetzlich begründet. Zwar scheint sich der Vers zunächst nur auf den Propheten Mohammed und auf Kriegsgefangene zu beziehen, aber sowohl in der Geschichte als auch heute noch u. a. von radikal-islamischen Milizen wurde der Anspruch häufig auf alle gefangenen oder entführten Frauen und Mädchen ausgedehnt, um diese scheinbar legal zu Sexsklavinnen machen zu können.[14][15][16][17][18]

In islamischen Ländern kann eine Frau meistens nicht ihre Vergewaltigung anzeigen, da sie als Vergewaltigungsopfer der Tradition nach zur Schande für ihre Familie und gesellschaftlich geächtet würde.[19]

Eine alte Tradition ist auch das Vergewaltigen von Jungfrauen vor der Hinrichtung. Nach der jeweiligen Auffassung der Scharia darf eine Jungfrau nicht hingerichtet werden. Dieses Gesetz, das wohl dazu dienen sollte, Jungfrauen zu schützen, führt jedoch dazu, dass Jungfrauen vor der Hinrichtung vergewaltigt werden. Manche Regierungen bestehen dabei sogar darauf, dass der Vergewaltiger die Gefangene für einen Tag heiratet, sodass die Vergewaltigung keinen verbotenen außerehelichen Sex darstellt. Nach der Vergewaltigung erhält das Opfer dann einen Scheidebrief.[20][21][22][23]

Oft sind Vergewaltigungen in Gefängnissen auch Folgen des Jungfrauentestes (englisch Virginity test), der in vielen Gefängnissen Vorschrift ist. Um zu vermeiden, dass eine Jungfrau im Gefängnis vergewaltigt und entjungfert wird, soll von Zeit zu Zeit geprüft werden, ob der Hymen einer Gefangenen noch vorhanden oder die Vagina noch eng und verschlossen ist. Unter diesem Vorwand öffnen Polizisten oder Ärzte die Scheiden oder führen zwei Finger ein, um ihre Festigkeit zu testen. Unsinnigerweise werden oft selbst Mädchen und Frauen, die keine Jungfrau mehr sind, jede Woche wieder dieser erniedrigenden Untersuchung unterzogen. Da der Test die Einführung von Fingern oder geeigneten Gegenständen beinhaltet, sehen Menschenrechtsorganisationen bereits darin eine Vergewaltigung.[24][25]

Bekannt wurde der massenhafte Missbrauch von Jungfrauentests anlässlich der Kundgebungen in Ägypten im Jahre 2011 auf dem Tahrir-Platz, wo festgenommene Demonstrantinnen unter dem Applaus der anderen Soldaten diesem Test unterzogen wurden. Häufig wurden sie so wehrlos und mit weit geöffneten Beinen gefilmt und hatten Angst, dass die Soldaten das Material veröffentlichen würden, was ihre gesellschaftliche Ächtung bedeuten würde.[26][27][28][29]

Die Vergewaltigung von Strafgefangenen in der Geschichte

In vielen Epochen war die Vergewaltigung geduldet oder sogar angeordnet. Sehr gut belegt ist die Vergewaltigung von der Hexerei angeklagten Frauen vom 16. bis 18. Jahrhundert. Da bestimmte Untersuchungen und Foltermethoden es nötig machten, dass das Opfer nackt sei, wurde die Fantasie der Folterknechte angeregt und diese nutzen die Wehrlosigkeit der in den Zellen angeketteten Frauen aus, um sich später an ihnen zu vergehen. Viele Vergewaltigungen sind belegt, weil diese den Opfern zur Last gelegt wurden; die angeblichen Hexen hätten, so die Anklage, die Wächter verzaubert und verführt.[30][31]

Ein bekanntes Folterinstrument war die Vaginalbirne,[32] ein birnenförmiges Instrument aus Metall, das in die Vagina oder auch in andere Körperöffnungen eingeführt und durch eine Schraube aufgespreizt wurde. Diese Folter stellt aus heutiger Sicht schon in sich eine Vergewaltigung dar.[33]

Öffentliche Debatte

Das Thema Vergewaltigung von Strafgefangenen und allgemein von Männern war lange ein Tabu. Erst 1980 wurde in den USA, mit der Gründung der Just Detention International, eine erste Organisation gegründet, die öffentlich gegen sexuelle Gewalt in Gefängnissen auftritt. Führendes Mitglied der Vereinigung und bekannter Aktivist war bis zu seinem AIDS-Tod im Jahre 1996 Stephen Donaldson, bekannter als Donny the Punk, der während eines Gefängnisaufenthaltes selbst dutzendfach vergewaltigt wurde.

In den Medien

Film und Fernsehen

Das Thema Gefangenen-Vergewaltigung wurde in Vergangenheit und Gegenwart in vielen Fernseh- und Filmdramen international behandelt. Während Filme wie Die Verurteilten und American History X noch die gravierenden Auswirkungen auf die Opfer darstellten, griffen andere wie Alles Routine, Half Baked und Ab in den Knast dieses Thema später mit Komik und „schwarzem Humor“ auf. In den letzten Jahren spielte es in Fernsehserien wie Oz – Hölle hinter Gittern und Prison Break in den Vereinigten Staaten oder Hinter Gittern – Der Frauenknast in Deutschland eine Rolle.

Romane

In den folgenden Romanen bilden Vergewaltigungen unter Gefangenen wesentliche Motive.

Weblinks

Wikisource: Prison Rape Elimination Act of 2003 – Quellen und Volltexte (englisch)

Einzelnachweise

  1. genau: inmate-on-inmate nonconsensual sexual act.
  2. www.bjs.gov: Sexual Violence Reported by Correctional Authorities, 2006 (PDF, englisch). / www.bjs.gov: Sexual Victimization in Local Jails Reported by Inmates, 2007 (PDF, englisch).
  3. Human Rights Watch/Joanne Mariner: No Escape - Male Rape in U.S. Prisons, 2001 (englisch).
  4. Amnesty International: Stop Violence Against Women (Memento des Originals vom 30. Januar 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amnestyusa.org (englisch).
  5. Lifestyle: Die Geschichte der Gulag-Frauen
  6. Ständige Angriffe auf Vergewaltiger im Knast führten zum Tode (Auf portugiesisch)
  7. Angeklagter Vergewaltiger tot in der Zelle aufgefunden (Auf portugiesisch)
  8. "Weibliche Gefangene erleiden Missbrauch in 5 Bundesstaaten" (Aus der Zeitung Folha de S. Paulo vom 26. November 2007)
  9. Folha Online: "Der Fall der zusammen mit Männern auf einer Zelle untergebrachten Jugendlichen". Folha de S. Paulo, 10. Dezember 2007.
  10. Aprosmig (Prostituiertenverband) Minas Gerais
  11. Petala Parreira: Mädchen im Männerknast (Dokumentarischer Teil). neobooks, Vila Velha 2015, ISBN 978-3-7427-4535-4, S. 108 ff.
  12. Focus: Häftlinge vergewaltigen Mädchen
  13. Sure 33,50ff
  14. Stern: Islamischer Staat hält sich Sex-Sklaven für Vergewaltigungen
  15. Islamischer Staat rechtfertigt Versklavung von Jesidinnen
  16. O Globo: Islamischer Staat rechtfertigt allgemeine Vergewaltigungen (auf Portugiesisch)
  17. RTL: Frauen dürfen nicht nein sagen
  18. Idea Spektrum: Haben die Vergewaltigungen mit der Religion zu tun?
  19. Journal "Die Welt": Im türkischen Gefängnis vergewaltigt. Angst des Opfers, von der Familie getötet zu werden.
  20. Frauen im Iran
  21. Teólogo iraniano muçulmano legitima os estupros de presos (em inglês)
  22. Theologische Grundlagen und Vergewaltigungen in den Gefängnissen
  23. Frauen im Iran - Frauentag
  24. BBC: The shame of Afghanistan's virginity tests
  25. UNO fordert das Ende der Jungfrauentest (in portugiesisch)
  26. Armee quälte ägyptische Frauen mit "Jungfrauentests"
  27. General gibt Jungfrauentests zu
  28. Jungfrauentests in Ägypten: Nicht schuldig - im Sinne des Militärgerichts
  29. Gericht verbietet Jungfrauentests
  30. Hexenverfolgung im Herzogtum Jülich, Absatz 2
  31. Hermann Löher: Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen. 1676, Vergewaltigung von Anna Kemmerlin, der Ehefrau des Schöffen Peller, durch den Henker Hondeschlager und seinen Knecht, 43 und 44, Zitat: (43) … dem Hencker/ Hondeschlager und seinem Knecht übergeben; ihr an alle ordten und enden die hahren abzuscheren; da dan ein frembdes passirt, als der Hencker und Knecht/ bey einer abseiten Kammer wahren/ die so ehrliche Scheffen Fraw unerlich an zu greiffen/ die hahren aller enden ihres Leibs ab zu scheren/ und sie un-erlich zu (44) handelen/ davon auch im Criminalis dubii zu lesen. Da schreyet und ruffet die frauw über laut! …
  32. Vaginalbirne
  33. Anwendung der gebräuchlichsten Folter- und Strafwerkzeuge