Wässermatte

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Die Wässermatten im Oberaargau sind die letzten Reste einer ehemals im Mittelland der Schweiz verbreiteten Kulturform der genossenschaftlichen Wiesenbewässerung und Düngung. Sie sind für weite Teile des früheren Kulturlandes typisch. Am besten sind sie heute noch in den Flusstälern der Langeten, Önz und Rot ausgebildet. Der Ursprung lässt sich bis ins 9. Jahrhundert verfolgen. Ihr Entstehen geht hauptsächlich auf Meliorationen im 13. Jahrhundert der Zisterzienser Mönche vom Kloster St. Urban zurück.

Geschichte

Darstellung des Prinzips des Wässerns, aufgenommen von einer Informationstafel in den Melchnauer Wässermatten

Zur Wiesenbewässerung wurden weitverzweigte Systeme aus Kanälen und Graben verschiedener Ordnungsstufen geschaffen. Dämme wurden geschüttet und Hauptbewässerungsgräben mit Brütschen (Schleusen), Seitengräben mit Ablissen (Wässerauslässen), Wuhren (Wehre) sowie Staubretter gebaut.

In den Talböden entstanden die echten Wässermatten mit vielseitigen Grabensystemen und in den Seitentälern die Ablissmatten mit einfachen Grabensystemen. Die Wässermatten waren früher das wertvollste Kulturland. Das Wiesland wurde mehrmals im Jahr, d. h. drei bis viermal bewässert (im Frühling, nach dem Einbringen von Heu und Emd im Sommer bzw. Spätherbst). Dank der mitgeschwemmten Schwebstoffe wurde es gleichzeitig gedüngt. Das landschaftsprägende Kleinrelief entstand durch die feinen, ständigen Ablagerungen des Wassers. Die Bewässerung erfolgte nach alten Rechten: Grundbucheintrag, verbrieftes Wasserrecht, Reglement und Kehrordnung. Die Hauptgräben und Brütschen wurden von der Wässermatten-Genossenschaft im Gemeinwerk und die Seitengräben mit den dazugehörigen Anlagen von den jeweiligen Bewirtschaftern unterhalten. Der Uferschutz ist bis heute teilweise Aufgabe der Anstösser.

Wässermatten von Melchnau mit Wässergraben

Durch die grossflächige Wiesenbewässerung entstand im Langeten-, Oenz- und Rottal eine naturnahe Kulturlandschaft von besonderer Eigenart. Geprägt von weiten Grünlandflächen – meist Naturwiesen – und vielen Hecken sowie Einzelgehölzen entlang den Gewässern und Wassergräben. Erlen, Weiden, Traubenkirschen, Eschen und einzelne, markante Eichen gliedern die Landschaft. Viele Tierarten finden hier ihren Lebensraum wie Rabenkrähe, Mäusebussard, Stockente, Ringeltaube, Graureiher, Specht und Lerche oder viele Amphibien. Die Wässermatten sind auch wichtig für das Grundwasser, denn der Stand wird in den Talfüllungen durch die Wiesenbewässerung gesteuert. Im unteren Langetental kommen aus Niederschlägen und unterirdischen Zuflüssen 87 %, aus Bachbett und Hochwasser 10 % und aus der Versickerung der Wässermatten rund 3 % des Grundwassers.

Die heutige Landschaft der Wässermatten entstand durch jahrhundertelange Feldarbeit. Doch innerhalb des intensiv gepflegten Graslandes und der Wässeranlagen haben auch Bäume und Hecken noch Platz. So konnte sich diese naturnahe Kulturlandschaft entwickeln.

Motiv für Künstler

Namhafte Maler wählten das Sujet „Wässermatten“. So weilte Ferdinand Hodler (1853–1918) in jungen Jahren oft bei seinem Onkel Friedrich Neukomm in Langenthal. Schönheit und Eigenart der Wässermatten haben ihm Motive zu den schönsten seiner frühen Landschaftsbilder geliefert.

Schutz

Blick in die Wässermatten von Melchnau

Die Wässermatten sind nicht nur wegen ihrer Schönheit, Seltenheit und Eigenart eine schützenswerte Landschaft. Diese Meliorationsanlagen sind auch ein wertvolles kulturhistorisches Denkmal aus dem Mittelalter. Die Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg, der Intensivanbau, die Mechanisierung und der Kunstdüngereinsatz haben zum drohenden Untergang der Wässermatten geführt. Von den ehemals rund 700 Hektaren im Langetental waren 1980 kaum ein Zehntel übriggeblieben.

Deshalb setzten sich schon vor Jahren verschiedene Persönlichkeiten für den Erhalt dieser schützenswerten Landschaft ein. Nachdem in Ortsplanungen, in regionalen und kantonalen Richtplänen Wässermatten als Schutzzonen ausgeschieden wurden, gab der Regierungsratsbeschluss von 1985 entscheidende Anstösse, und der Grossratsentscheid von 1991 schuf rechtliche wie finanzielle Grundlagen zur Erhaltung einiger typischer Teilgebiete der Wässermatten im Oberaargau.

Bereits 1992 konnte die Stiftung zum Schutz der Wässermatten gegründet werden. Sie hat seither mit 60 Wässerbauern Bewirtschaftungsverträge abgeschlossen. Aus dem Zinsertrag des Stiftungskapitals entschädigt die Stiftung die Bewirtschafter für Mehraufwand und Minderertrag.

1994 schloss sich der Kanton Luzern mit rund 15 Hektaren Wässermatten im Rottal, in der Gemeinde Altbüron, der Stiftung an. Zwei Jahre später kamen die unmittelbar angrenzenden Matten von Melchnau dazu, 2002 schliesslich drei weitere Flächen in Altbüron und St. Urban. So sind vorläufig total rund 105 Hektaren vertraglich gesichert.

Zum ersten Mal in dieser Form eines integralen Landschaftsschutzes wird nicht nur ein Gebiet geschützt, sondern auch die zu ihm gehörende Nutzungsart, jene der Bewässerungswirtschaft, aufrechterhalten.

Weblinks