WDR Funkhausorchester
Das WDR Funkhausorchester (bis 2014 WDR Rundfunkorchester Köln) ist ein sinfonisch besetztes Unterhaltungsorchester des Westdeutschen Rundfunks in Köln. Das Funkhausorchester in seiner heutigen Form wurde 1947 gegründet und ist aus mehreren kleineren Instrumental-Formationen hervorgegangen, die zum Teil seit 1927 existierten. Vom WDR wird es als „prominentes Aushängeschild“ des Senders präsentiert und besteht aktuell aus 52 Mitgliedern.
Repertoire
Das Repertoire umfasst den gesamten Bereich der Unterhaltungsmusik, Musical, Spieloper und Operette, Filmmusik (auch für Stummfilme) und Nischen der klassischen Musik, das unbekannte Oratorium sowie Jazzverwandtes. Immer wieder beschreitet das WDR Funkhausorchester mit seinen Programmen neue Wege, etwa mit der konzertanten Aufführung von Musik zu Videospielen (Game Concerts). Das WDR Funkhausorchester Köln arbeitet auch mit dem WDR Rundfunkchor und der WDR Big Band zusammen.
Ständige Arrangeure für das neuere Repertoire sind Wieland Reissmann, Dietmar Mensinger und Ingo Luis. Seit einigen Jahren arbeitet das Orchester mit jüngeren Dirigentinnen und Dirigenten wie Alondra de la Parra, Enrico Delamboye, Rasmus Baumann, André de Ridder und Arjan Tien zusammen. Chefdirigent war seit der Saison 2014/15 der britische Dirigent Wayne Marshall.[1] Mit Beginn der Saison 2021/22 folgte ihm Frank Strobel.[2]
Auftritte
Neben regelmäßigen Auftritten in den Konzertsälen Nordrhein-Westfalens und bei internationalen Musikfestivals im In- und Ausland bestreitet das WDR Funkhausorchester beliebte Konzertreihen in der Kölner Philharmonie und im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses. Das Mitwirken in Fernsehsendungen, zum Beispiel „Zimmer frei!“, gehört ebenso zu seinem Tätigkeitsfeld wie die Arbeit im Produktionsstudio. Zahlreiche Einspielungen wurden mit Schallplatten-Preisen ausgezeichnet. Unter der Leitung des damaligen Chefdirigenten Helmuth Froschauer begann das Orchester 2001 eine umfangreiche Tourneetätigkeit (u. a. Spanien, Deutschland, Türkei).
Gesangswettbewerbe und Musikfestspiele
Das Orchester begleitet seit vielen Jahren die internationalen Wettbewerbe in Köln, wurde zu weiteren Wettbewerben eingeladen (Competizione dell' Opera der Dresdner Musikfestspiele 2002 in Dresden, Deutscher Musikrat) und ist Gast bei nationalen und internationalen Musikfestspielen (Beethovenfest Bonn, Dresdner Musikfestspiele, Rheingau Musik Festival).
Geschichte
Vorgeschichte
Die Frühgeschichte des WDR Funkhausorchesters begann im Café Germania auf der Hohe Straße im Köln der 1920er Jahre. Das Salonorchester des Germania unter der Leitung von Leo Eysoldt war eines der besten der Stadt, das mit seiner ungewöhnlich großen Besetzung von 20 Musikern gehobene Unterhaltungsmusik und populäre Musik auf einem „bemerkenswert anspruchsvollen Niveau“ (Kölner Stadt-Anzeiger, Mai 1926) spielte. Nach der Gründung des WDR 1924 in Münster und dem Umzug 1927 nach Köln suchte der damalige Intendant Ernst Hardt nach einem Klangkörper für leichte Unterhaltung. Fündig wurde er im Café Germania, in dem er Leo Eysoldt traf und engagierte. Dieser stellte ein Orchester zusammen, das Leo-Eysoldt-Orchester, welches bis 1942 bestand, bevor es im Krieg aufgelöst und Eysoldt zum BR nach München versetzt wurde.
Nach Kriegsende erteilte der WDR Hans Bund im Juni 1946 den Auftrag, ein neues Orchester im Stil von Leo Eysoldts zusammenzustellen. Dieses startete sehr erfolgreich, wurde jedoch nach wenigen Monaten aufgelöst, um den Grundstock für das neue WDR Sinfonieorchester zu bilden. Verantwortlich für die Unterhaltungsmusik war von da an Hermann Hagestedt, der zu dieser Zeit ein eigenes Orchester unterhielt, welches er aus eigener Tasche bezahlte. Dank wachsender Beliebtheit wurden die Musiker am 1. September 1947 mit Festanstellungsverträgen ausgestattet. Dieses Datum markiert die Gründung des WDR Funkhausorchesters Köln.
Anfangsjahre
Nach einigen Jahren in behelfsmäßigen Konzertsälen im vom Krieg zerstörten Köln konnte das WDR Funkhausorchester ab 1950 den Großen Sendesaal des neuen Kölner Funkhauses am Wallrafplatz nutzen, das offiziell erst 1952 eingeweiht wurde. Hier ist das Orchester auch heute noch beheimatet. Mittlerweile war das Orchester auf 53 Personen angewachsen, darunter auch einige Mitglieder des Leo-Eysoldt-Orchesters. Auch qualitativ hatte es sich gesteigert: Viele Musikgrößen arbeiteten als Gastdirigent mit dem WDR Funkhausorchester, zum Beispiel Robert Stolz, Werner Eisbrenner, Nico Dostal, Franz Grothe, Michael Jary, Friedrich Schröder und Werner Egk, um nur einige zu nennen. Die von Hermann Hagestedt eingespielten Aufnahmen firmierten unter dem Namen „Orchester Hermann Hagestedt“. Der Bereich der Operette wurde von 1949 bis 1965 von Franz Marszalek betreut, der ungefähr 70 Gesamtaufnahmen, unzählige Querschnitte und Einzeltitel in erstklassigen Besetzungen der damaligen Zeit aufnahm. Darüber hinaus widmete sich Marszalek der gehobenen Unterhaltungsmusik.
1960er, 1970er und 1980er Jahre
In den 1970er Jahren wurde das Funkhausorchester für kurze Zeit mit dem „WDR Tanz- und Unterhaltungsorchester“ zusammengelegt. Dieses „Große Unterhaltungsorchester des WDR“ spielte in einer Besetzung von ca. 80 Personen, zumeist unter der Leitung von Heinz Geese, rund 150 Produktionen für den WDR ein. Als eigenständiges Ensemble wurde es jedoch nicht angesehen, lediglich für die Produktionen wurde zusammengearbeitet.
Durch die Veränderungen in der Popmusik veränderten sich auch die Ansprüche an die Klangkörper des WDR. Das Funkhausorchester wuchs noch einmal und übernahm die Geigen des Unterhaltungsorchesters, aus dem sich die WDR Big Band formte.
1990er und 2000er Jahre
Mit der Spielzeit 1997/1998 übernahm der gebürtige Wiener Helmuth Froschauer das Amt des Chefdirigenten, zunächst für ein Jahr neben seiner Funktion als Leiter des Rundfunkchores. Er blieb bis 2003 Chefdirigent. Aufgrund seiner besonderen Verdienste wurde er später zum Ehrendirigenten ernannt. Beerbt wurde Helmuth Froschauer als Chefdirigent von Michail Jurowski, der die Tätigkeit bis 2008 ausführte. Von der Saison 2010/2011 bis zur Saison 2012/2013 stand Niklas Willén dem WDR Funkhausorchester vor.
Dirigenten
Chefdirigent
Chefdirigent: Frank Strobel (seit Saison 2021/2022)[3]
Ehrendirigent
Ehrendirigent bis zu seinem Tod im August 2019 war Helmuth Froschauer, der dem WDR bereits seit 1992 verbunden war. Chefdirigent war er für sechs Jahre von 1997 bis 2003, die Ernennung zum Ehrendirigenten des WDR Funkhausorchesters Köln folgte im Juli 2003. Außerdem wurde Helmuth Froschauer 2006 für seine Einspielung der Offenbach-Operette Coscoletto mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.
Froschauer war seit 1992 beim Westdeutschen Rundfunk, zunächst als Chordirektor des WDR Rundfunkchors, seit 1997/1998 als Chefdirigent des WDR Funkhausorchesters Köln. Seine musikalische Ausbildung erhielt Froschauer u. a. bei den Wiener Sängerknaben und im Studium an der Wiener Musikakademie in den Fächern Klavier, Horn, Komposition und Dirigieren (bei Hans Swarowsky).
In Würdigung seiner besonderen Verdienste wurde er zum Ehrendirigenten des Orchesters ernannt.
Erster Gastdirigent
Enrico Delamboye ist seit der Saison 2018/19 Erster Gastdirigent des WDR Funkhausorchester.[4]
Dirigenten seit 1947
- 1947–1968: Hermann Hagestedt unter dem Namen „Orchester Hermann Hagestedt“
- 1949–1965: Franz Marszalek
- 1968–1989: Curt Cremer
- 1968–1995: Heinz Geese
- 1997–2006: Helmuth Froschauer
- 2006–2008: Michail Jurowski
- 2010–2013: Niklas Willén
- 2014–2021: Wayne Marshall[5]
- seit 2021: Frank Strobel[3]
Diskografie
Das WDR Funkhausorchester veröffentlicht jedes Jahr zahlreiche Konzertaufnahmen und Studioproduktionen. Folgend eine Übersicht ab dem Jahre 1988:
Jahr | CD-Aufnahme |
1988: | Der Zar lässt sich photographieren, Oper von Kurt Weill |
1989: | Don Juan und Faust, Musikdrama von Albert Lortzing Ich sing mein schönstes Lied, Liederpotpourri von Hermann Prey |
1990: | Kurkonzert in Karlsbad, Potpourri von Dostal / Dvořák / Fučík / Labitzky / Lehár / Robert Manzer / Sabathil / Seifert / Smetana Undine, Oper von Albert Lortzing |
1991: | Schwarzer Peter, Märchenoper von Norbert Schultze |
1992: | The Original Motion Picture Scores, ausgewählte Werke von Franz Grothe Der Kuhhandel, Operette von Kurt Weill |
1993: | The Original Motion Picture Scores, ausgewählte Werke von Georg Haentzschel Niemals geht man so ganz… – Die Trude Herr Revue |
1994: | Die lockende Flamme, Singspiel von Eduard Künneke Gold & Silber, Walzerpotpourri von Franz Lehár |
1995: | Die Diseuse von Dora Dorette Die Faschingsfee, Operette von Emmerich Kálmán |
1996: | L'Arlésienne, Musikdrama von Georges Bizet Neues vom Tage Oper von Paul Hindemith |
1997: | Das Dreimäderlhaus, Singspiel über Franz Schubert von Heinrich Berté Music for Clarinet, ausgewählte Werke für Klarinette, Solist: Lajos Dudas |
1998: | Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester von Franz Joseph Fröhlich und Leopold Koželuh |
1999: | Gib Acht auf den Jahrgang, Liederzyklus von Gerhard Jussenhoven Die Spielzeugschachtel, ausgewählte Werek von Claude Debussy / Francis Poulenc |
2000: | Immer wenn leise der Tag versinkt, ausgewählte Werke von Werner Bochmann Marienbader Elegien, ausgewählte Werke von František Drdla / Joseph Hellmesberger / August Labitzky / Bedřich Smetana / Louis Spohr |
2001: | Mephisto – Opernszenen von Hector Berlioz / Arrigo Boito / Charles Gounod / Giacomo Meyerbeer / Modest Mussorgsky / Robert Schumann / Louis Spohr Konzert für junge Leute, Ausgewählte Werke von Leonard Bernstein |
2002: | Classical Horn Concertos, Solist Andrew Joy, Musik von Luigi Cherubini / Franz Danzi / Joseph Haydn / Giovanni Punto / Antonio Rosett Works for Violin and Orchestra, ausgewählte Werke von Édouard Lalo |
2003: | Die lustigen Weiber von Windsor, Oper von Otto Nicolai 20th Century Portraits, ausgewählte Werke von Franz Schreker |
2004: | Blue Tango, Tangomusik von Leroy Anderson Ernst Fischer-Rhapsodie, ausgewählte Werke von Ernst Fischer |
2005: | Ausgewählte Werke von Benjamin Bilse und Friedrich von Flotow Alessandro Stradella, Oper von Friedrich von Flotow |
2006: | Weihnachten International, ausgewählte Werke von Michael Praetorius / Hector Berlioz / Niels Wilhelm Gade / Sigfrid Karg-Elert / Rudolf Mauersberger / Ralph Vaughan Williams Das Hexenlied, Melodram von Max von Schillings |
2007: | Wiener Frauen, Operette von Franz Lehár |
2008: | Abendlieder, Liederzyklus von Johannes Brahms / Engelbert Humperdinck / Wolfgang Amadeus Mozart / Franz Schubert Musik der Wiener Hofkapelle, ausgewählte Werke von Joseph von Eybler / Johann Joseph Fux / Haydn / Johann von Herbeck / Mozart / Benedikt Randhartinger / Antonio Salieri / Schubert |
2009: | Sing!, Liederpotpourri von Fay Claassen Wolfgang Manz, Pianist, ausgewählte Werke für Klavier von Claude Debussy / Paul Hindemith / Friedrich Radermacher |
2010: | Russalka, Oper von Alexander Dargomyschski Lucrecia Borgia, Oper von Gaetano Donizetti |
2011: | Die Tore der Welt, Hörspielmusik von Ken Follett Violinkonzerte der Romantik, ausgewählte Werke von Hans Pfitzner und Siegfried Wagner |
2012: | Gee's Bend, Gitarrenkonzerte des 20./21. Jahrhunderts, Werke von Elmer Bernstein, Malcolm Arnold u. a. Das Weib des Pharao (DVD/ Stummfilm), Eduard Künneke |
2013: | Tor Aulin, Master olof, Schwedische Tänze Dat sin echte kölsche Tön, Klingende Kölner Stadtgeschichte Teil 2 |
2014: | Die Fledermaus von Johann Strauß, Operette in drei Akten Turrican Soundtrack Anthology, Videospielmusik |
2015: | Paroli von Leo Fall, Komische Oper Pe Werner: Best Of - Von A nach Pe |
2016: | The Student Prince von Sigmund Romberg, Operette nach dem Schauspiel Alt-Heidelberg von Wilhelm Meyer-Förster Die Bajadere von Emmerich Kálmán, Operette in drei Akten |
2017: | Symphonic Jazz with Andy Miles Brüderlein fein von Leo Fall, Singspiel |
2018: | Der Fliegende Holländer - Das Musical Raphaela Gromes: Hommage à Rossini |
Außerdem entstanden ab 1993 mit den Geigen des Kölner Rundfunkorchesters zahlreiche Aufnahmen mit Jazz- und Popsongs unter dem Arrangeur Hagen Galatis, in Zusammenarbeit mit WDR-Musikredakteur Wolfgang Kischka und der Rundfunkanstalt WDR 4. Diese Tonträger wurden in verschiedenen Sendungen des WDR gespielt, vor allem aber in der Sendung Musik zum Träumen auf WDR 4. Die Schallplatten und CDs dieser Serie erschienen unter dem Titel Fantasy Strings.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wayne Marshall: Chefdirigent (Memento vom 18. August 2014 im Internet Archive), WDR vom 12. März 2013
- ↑ Website des WDR Funkhausorchesters
- ↑ a b Frank Strobel - Chefdirigent. 20. August 2021, abgerufen am 14. November 2021.
- ↑ Erster Gastdirigent Enrico Delamboye. 16. Juli 2018, abgerufen am 14. August 2019.
- ↑ Chefdirigent Wayne Marshall. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 24. August 2019; abgerufen am 24. August 2019. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.