Walzgerüst

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Datei:Hohenlimburg, Bahnstraße 13.jpg
Ehemaliges Walzgerüst der Hoesch Hohenlimburg AG

In Walzwerken erfolgt die Formgebung des Walzgutes an einem Walzgerüst. Diese Formgebung wird als Walzen bezeichnet. Das Walzen erfolgt zwischen mindestens zwei Arbeitswalzen, die in einem Walzgerüst gelagert sind. Der Aufbau eines Walzgerüstes hängt dabei von der Anzahl der Walzen, der Lage der Walzen, der Form der Walzen, den wirkenden Kräften während des Walzens und den Genauigkeitsanforderungen des Walzgutes ab. Es gibt sowohl Walzstraßen mit nur einem als auch solche mit mehreren nach- oder nebeneinander angeordneten Walzgerüsten.[1]

Bauteile eines Walzgerüstes

Unabhängig von der Art des Walzgerüstes gibt es grundlegende Maschinenelemente, aus denen Walzgerüste in der Regel zusammengesetzt sind. Weitere Elemente, die an einem Walzgerüst verwendet werden können, sind Armaturen, Walzbalken, Verschiebelineale, Einführungen oder Ausführungen.

Walzenständer

Ein Walzgerüst besteht u. a. aus zwei Walzenständern, entweder Rahmen- oder Kappenständern. Während die Rahmenständer ein festes, geschlossenes Oberhaupt haben, sind die Kappenständer mit einem abnehmbaren Oberhaupt ausgestattet. Beide Ständerarten werden auf sogenannten Sohlplatten befestigt. Diese Sohlplatten sind mit dem Fundament des Walzgerüstes befestigt. Die Ständer mit ihrem Unterbau und ihrem Oberhaupt bilden ein sogenanntes Fenster. Dieses Fenster muss in Höhe und Breite größer als der Durchmesser der eingesetzten Walzen sein. So kann der Einbau mit den Walzen zur Wiederaufbereitung ausgetauscht werden.[2]

Einbaustücke

In den Fenstern der Ständerkonstruktion sind die Einbaustücke untergebracht. In diesen Einbaustücken werden die Arbeits- und, wenn vorhanden, die Stützwalzen gelagert und geführt. Die Lager unterliegen hohen Anforderungen, um zum einen die auftretende Reibung auf ein Minimum zu reduzieren und zum anderen die beim Arbeitsvorgang auftretende Walzkräfte aufzunehmen. Abhängig vom Verwendungszweck kommen Gleit- oder Wälzlager zum Einsatz.[2]

Anstellvorrichtung

Um den zwischen den Arbeitswalzen gebildeten Walzspalt einzustellen, werden Anstellvorrichtungen verwendet. In Duo- oder Quarto-Gerüsten liegt in der Regel die untere Arbeitswalze fest, und nur die obere Arbeitswalze kann angestellt werden. Diese Anstellung erlaubt die Veränderung der zu walzenden Dicke, ohne die Einbaustücke mit den Walzen zu wechseln. Die Anstellung kann hydraulisch oder mechanisch erfolgen. Der angestellte Walzspalt durch die Anstellung kann digital oder mechanisch angezeigt werden. Werden die Walzen gewechselt, um die Walzdicke zu beeinflussen, wird nicht vom Anstellen, sondern vom Einstellen gesprochen.[2]

Antriebe

Während in der Entwicklungsphase der verschiedenen Walzverfahren noch Dampfantriebe genutzt wurden, werden Walzgerüste gegenwärtig ausschließlich mit elektrischen Antrieben ausgestattet. Abhängig von der Gerüst-Art kommen Drehstrommotoren oder Gleichstrommotoren zum Einsatz. Die Kraftübertragung vom Antrieb zur Walze erfolgt über Kammwalzen oder Spindeln.[2]

Arten von Walzgerüsten

Die Benennung von Walzgerüsten richtet sich nach der Bauart, der Anzahl und Lage der Walzen sowie den Abmessungen der Walzen. Am weitesten verbreitet sind Walzgerüst mit zwei, drei oder vier Walzen.[3] Seltener sind sogenannte Vielrollen-Gerüste. In dieser Kategorie sind die Sechswalzen-Gerüste und Zwanzigwalzen-Gerüste zu nennen. Weitere Vielrollen-Gerüste sind die Splitblock-, Monoblock- und 18-High-Gerüste.[4]

Housingless-Gerüste

Die moderne Walzwerkstechnik unterscheidet zwischen den herkömmlichen Ständerwalzgerüsten und den moderneren Housinglessgerüsten (Gerüste ohne Walzenständer). Sie sind die neuesten Entwicklungen in der Walzwerkstechnik. Bei Housingless-Walzgerüsten werden die Walzenlagerungen (die sog. Einbaustücke) direkt durch Zuganker verbunden. Die Walzkraft zwischen den Lagerungen der Walzen wird damit nicht mehr den langen Weg über den Walzenständer, sondern einen sehr kurzen Weg über die Zuganker geleitet. Physikalisch gesehen wird damit die Länge der Feder, die die Walzkraft aufnimmt, verkürzt. Eine kürzere Feder erhöht die Federsteifigkeit des Systems, was auch bei Hausinglessgerüsten vorteilhaft genutzt wird. Hausinglessgerüste sind deutlich leichter und kompakter, als sog. Ständerwalzgerüste. Duo- und Triogerüste können als Housinglessgerüste gestaltet werden.

Duo-Gerüste

Duo-Gerüste (Zweiwalzengerüste) verfügen über zwei Walzen. Der Walzvorgang wird als Duo-Walzen bezeichnet. Das Walzgut wird vertikal oder horizontal zwischen den beiden Arbeitswalzen geführt. Um mehrere Stiche an einem Gerüst auszuführen, kann die Drehrichtung der Walzen geändert werden.[2][3] Duo-Walzgerüste werden unterteilt in:

  • Horizontal-Zweiwalzengerüst
  • Vertikal-Zweiwalzengerüst
  • Doppel-Zweiwalzengerüst

Trio-Gerüste

Trio-Gerüste (Dreiwalzengerüste) verfügen über drei Arbeitswalzen und werden in der Regel im Warmwalzprozess eingesetzt. Dieser Walzprozess wird als Trio-Walzen bezeichnet. Die Arbeitswalzen sind parallel übereinander angeordnet. Das Walzgut wird abwechselnd zwischen der Unter- und Mittelwalze und zwischen der Mittel- und Oberwalze geführt. Während der einzelnen Walzvorgänge ist die Drehrichtung der Walzen gleichbleibend.[2] Die Trio-Walztechnologie ist eine sehr alte Walztechnologie und wurde schon mit Wasserrad und Dampfmaschinenantrieb genutzt. Sie hat den Vorteil, dass man für wechselnde Walzrichtungen die Drehrichtung der Maschine nicht ändern muss, was bei Wasserrädern und Dampfmaschinen kaum möglich war. Heute kommen Triogerüste nur noch in Walzwerken mit kleiner Leistung zum Einsatz und werden in der Regel mit ungeregelten Drehstrommotoren angetrieben.

Universalgerüste

Universal-Walzgerüste dienen in der Regel dem Warmwalzen von Profilen, wie Trägern und U-Profilen. Insbesondere wenn parallele Flansche an den Profilen gewalzt werden sollen, sind Universlawalzgerüste einzusetzen. Diese sind mit vier Walzen (zwei Stück horizontal gelagert und zwei Stück vertikal gelagert) ausgestattet. Somit können mit diesen Gerüsten gleichzeitig vertikale und horizontale Umformungen vorgenommen werden. Das ist nötig, um die sog. Parallelflanschträger herstellen zu können.

Quarto-Gerüste

Quarto-Gerüste (Vierwalzengerüste) werden ausschließlich für das Band- und Blechwalzen genutzt sind mit zwei Arbeitswalzen sowie zwei Stützwalzen ausgestattet. Der Walzvorgang wird als Quarto-Walzen bezeichnet. Das Walzgut wird zwischen den Arbeitswalzen geführt. Die Stützwalzen stützen die Arbeitswalzen und begrenzen so die Durchbiegung der Arbeitswalzen. Dabei gilt, je geringer die Durchbiegung der Arbeitswalzen, desto genauer werden die Dickentoleranzen des Walzgutes über die Walzbreite eingehalten.[5]

Dreischeiben-Gerüste

Im Bereich der Langprodukte wie Stab und Rohr werden als letzte Gerüste häufig Dreischeibengerüste verwendet. Die Scheiben sind in einer Y-Form mit Winkeln von 120° zueinander angeordnet und erreichen durch ihre erhöhte Umschlingung des Walzgutes höhere Abnahmen und eine bessere Präzision als Duo-Gerüste mit eingeschnittenen Kalibern.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Walzgerüste Website von SKF. Abgerufen am 16. September 2016.
  2. a b c d e f Friedhelm Sänger & Harald Walter: Was der Walzwerker von seiner Arbeit wissen muss, 2. Auflage, Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf 1999, ISBN 3-514-00653-9.
  3. a b Walzgerüste Website von MWE - Mill Technologies. Abgerufen am 16. September 2016.
  4. SMS Siemag AG: Vielrollen Walzgerüste. SMS Siemag AG, 2016
  5. Walzgerüste (Memento des Originals vom 18. September 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ilsenburger-grobblech.de Website von Ilsenburger Grobblech. Abgerufen am 16. September 2016.
  6. Information Dreischeibenblock bei kocks.de