Vagantenbischof

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Vagantenbischöfe ist eine Eindeutschung des lateinischen Terminus episcopi vagantes (Sg. episcopus vagans). Historisch sind damit Wanderbischöfe gemeint, also Bischöfe ohne festen Bischofssitz. Heute werden als Vagantenbischöfe, insbesondere umgangssprachlich und häufig abwertend, Geistliche bezeichnet, die als ordinierte Bischöfe in Erscheinung treten, nachdem sie in irregulärer Weise zum Bischof geweiht wurden oder sich von der Mutterkirche trennten, der sie das Bischofsamt verdanken.[1]

Begriffsgeschichte

Ursprünglich bezeichnete

episcopi vagantes

schlicht Bischöfe ohne Bischofssitz. Ein Grund dafür konnte z. B. sein, dass sie auf Wanderschaft ausgesandt wurden, um zu missionieren. Eine solche Funktion findet sich etwa bei den Chorbischöfen in Karantanien und Pannonien noch im 8. und 9. Jahrhundert oder bei den Missionaren der Isle of Man.[2] Die Bezeichnung ist auch z. B. gebräuchlich für irische Missionare des 10. Jh. mit Bischofstitel.[3] Illegitime Bischofsweihe außerhalb großkirchlicher Strukturen ist demnach nur eine von mehreren Ursachen für den möglichen Status eines episcopus vagans im Sinne der historischen und fachsprachlichen Wortverwendung.[4]

Kriterien

Zumeist vertreten gegenwärtig die sog. Vagantenbischöfe kleine oder kleinste Gruppen. Sie wirken ohne Beauftragung oder juridische Anerkennung durch eine der großen oder größeren christlichen Kirchen. Vagantenbischöfe gehören insbesondere weder der römisch-katholischen Kirche noch der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen oder der Anglikanischen Gemeinschaft als Bischöfe an. Vagante Bischöfe können eine Kirchenspaltung (Schisma) auslösen.

Römisch-katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche unterscheidet die sakramentale Wirksamkeit und damit Gültigkeit einer Bischofsweihe von ihrer Erlaubtheit gemäß dem Kirchenrecht. Die Wirksamkeit hängt dabei von der richtigen Intention des Weihespenders sowie der Einhaltung wesentlicher Elemente des Weiheritus ab. Des Weiteren muss der Weihespender in der apostolischen Sukzession stehen. Unter diesen Bedingungen gibt es wirksame und gültige Bischofsweihen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der communio mit dem Papst, so in allen Ostkirchen. Mithin können ferner die Weihen bestimmter Personen unter Umständen als zwar gültig, jedoch unerlaubt und strafwürdig beurteilt werden. Gemeinhin als Vagantenbischöfe bezeichnete Geistliche werden als irregulär angesehen, bei zumindest vielen die Unwirksamkeit ihrer Ordination bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt.[5] Ihre Behandlung bei Aufnahme in die volle Gemeinschaft mit dem Papst gestaltet sich je nach Einzelfall unterschiedlich.

Im Frühmittelalter – bei der Missionierung Germaniens und Skandinaviens – spielten Missionsbischöfe ohne festes Bistum eine große Rolle. Diese agierten oft im Auftrag weltlicher Herrscher oder waren mit einem Sendbrief des Papstes ausgestattet. Sie sollten neue Bistümer errichten und durch ihre Arbeit das Einflussgebiet der christlichen Herrscher erweitern. Bekanntestes Beispiel ist der heilige Bonifatius, der 722 von Papst Gregor II. in Rom zum Bischof geweiht wurde und 732 das Pallium erhielt.

Altkatholische Kirche

Für die altkatholische Kirche gilt zusätzlich und abweichend von der römisch-katholischen Position seit Eduard Herzog (1915) der in der Mathew-Affäre[6] entwickelte Grundsatz: nulla ecclesia sine episcopo, nullus episcopus sine ecclesia (keine Kirche ohne Bischof, kein Bischof ohne Kirche).[7] Während der erste Teil dieser Maxime sich bis auf Irenäus von Lyon und Tertullian zurückführen lässt, wurde der zweite Teil zuvor nicht in dieser Weise allgemein formuliert. Die Aussage bedeutet, es könne – abweichend zur römisch-katholischen Auffassung – auch „der Mangel einer rechtmäßigen Wahl oder Ernennung eine Konsekration ungültig machen“.[8]

Die Internationale Bischofskommission der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen hat folgende Merkmale für eine gültige Bischofsweihe außerhalb der römisch-katholischen Kirche diskutiert: Sie betrachtet jede Bischofsweihe als gültig, die

  • von (mindestens) einem gültig geweihten Bischof
  • öffentlich
  • für ein tatsächlich bestehendes Bistum (Diözese) oder eine tatsächlich bestehende Gemeinde
  • unter Handauflegung und Herabrufung des Heiligen Geistes auf den zu Weihenden

vollzogen wird.

Ist einer dieser Punkte fraglich, so spricht man von einem „Vagantenbischof“ oder einem „vaganten Bischof“, je nachdem ob man eher die Ungültigkeit oder die Gültigkeit der Weihe betonen will.

Orthodoxe Kirchen und anglikanische Gemeinschaft

In der orthodoxen und der anglikanischen Kirche gilt wie in der römisch-katholischen Kirche der altkirchliche Grundsatz, dass keine Gemeinde zwei Bischöfen zugleich untergeordnet sein darf (sogenannte überlappende Jurisdiktion).[9]

Beispiele

Die heute existierenden Weihelinien sogenannter Vagantenbischöfe lassen sich zumeist auf folgende Personen als Konsekratoren zurückführen:

Geistliche sedisvakantistischer Gruppen und Kirchen können ebenfalls als „Vaganten“ bezeichnet werden.

Darüber hinaus gibt es theosophische Gemeinschaften, die – mit oftmals durch Dritte bestrittenem Recht – für ihre eigenen Bischöfe eine Weihelinie in apostolischer Sukzession beanspruchen.

Literatur

  • Carl Gerold Fürst: Episcopi Vagantes. in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. A., Bd. 3, S. 725f.
  • Henry Renaud Turner Brandreth: Episcopi Vagantes and the Anglican Church. SPCK, 2. A., London 1961.
  • Ivan Drouet de La Thibauderie d’Erlon: Eglises et évêques catholiques non romains. Paris 1962.
  • P. F. Anson: Bishops at Large. Faber & Faber, London 1964.
  • Edmund Plazinski: Mit Krummstab und Mitra. Die ‚umherschweifenden Bischöfe‘ und ihre Gemeinschaften. P. Meier, St. Augustin-Buisdorf 1970.
  • Friedrich Wilhelm Haack: Gottes 5. Kolonne. Die freibischöflichen Kirchen im deutschsprachigen Raum. Augsburg 1976, ISBN 3-921513-05-7.
  • W. Riediger: Bischof werden ist nicht schwer... Heute lebende „falsche“ Bischöfe. Augsburg 1976.
  • Friedrich Wilhelm Haack: Die freibischöflichen Kirchen im deutschsprachigen Raum. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München 1980, ISBN 3-921513-50-2.
  • Reinhard Schubert: Quis et unde? Kritisches Hilfsbuch zum Studium der Apostolischen Weihesukzession der Bischöfe in kleineren Kirchen und Bruderschaften. 4 Bde., Bremen 1983.
  • Karl Pruter: Bishops extraordinary. The Borgo Press, San Bernardino, Calif. 1986.
  • Friedrich Wilhelm Haack: Religion und Dekoration. Freibischöfe – Neoorden – Vagantenpriester. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München 1990, ISBN 3-921513-94-4.
  • G.L. Ward / B. Persson / A. Bain: Independent Bishops: An International Directory, Detroit 1990
  • Karl Pruter: Autocephalous Orthodox Churches. A Directory of Autocephalous Bishops of the Churches of the Apostolic Succession. 6. Aufl., San Bernardino (Cal.) 1993 ff.
  • Godehard König: Episcopi vagantes. In: Hans Gasper (Hrsg.): Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen. 6. Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau 2000, ISBN 3-451-05528-7.
  • Joachim Müller: Episcopi vagantes. In: Hans Gasper u. a. (Hrsg.): Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen. 1. Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-28256-9.

Weblinks

Wiktionary: Vagantenbischof – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Joachim Müller: Wanderbischöfe, Katholische Arbeitsstelle „Neue religiöse Bewegungen in der Schweiz“.

Einzelnachweise

  1. C. G. Fürst, l.c., 725, definiert etwa: „Einigermaßen neutral könnte man solche Personen als E[piscopi vagantes] bezeichnen, die zwar den [Bischofs]-Titel führen, sich auf successio apostolica berufen u[nd] vielfach auch die bischöflichen Insignien tragen, die in den chr[istlichen] Großkirchen dem [bischöflichen] Rang entsprechen, aber außerhalb der Großkirchen od[er] überhaupt nicht geweiht worden waren.“
  2. Joseph George Cumming: Antiquitates Manniae. Bd. 1, Manx Society, Douglas 1868, S. 75f, Online.
  3. Vgl. auch z. B. den Überblick im Artikel Bishop, V.1. in: William Smith (Hrsg.): A Dictionary of Christian Antiquities. 2 Bde., London 1876-80, Nachdruck als Encyclopaedic Dictionary Of Christian Antiquities. 9 Bde., Logos, New Delhi 2005, Bd. 1, S. 240, Online.
  4. Artikel Episcopi vagantes in: Johannes P. Schadé: Encyclopedia of World Religions. Foreign Media Group 2006, S. 309, Online.
  5. Für Einzelnachweise zu Einzelfällen siehe die untenstehenden Anmerkungen zu den Einzelpersonen sowie die angeführten Nachschlagewerke wie Schubert 1983. Für die Kriterien einer legitimen Bischofswahl vgl. unter anderem CIC 1983 Can. 351, 377, 1013 (Online).
  6. In diesem Zusammenhang rekurriert etwa Urs Küry: Die Altkatholische Kirche. Ihre Geschichte, ihre Lehre, ihre Anliegen. Hrsg. von Christian Oeyen, 3. A. Ev. Verlagswerk, Frankfurt am Main 1982, S. 97 auf Herzog 1915.
  7. E. Herzog: Zwei Thesen über die Gültigkeit einer bischöflichen Konsekration. In: Internationale Kirchliche Zeitschrift. Jg. 5, Nr. 3. Stämpfli, 1915, ISSN 0020-9252, S. 271–296., Online
  8. Herzog 1915, S. 289
  9. Erstes Konzil von Konstantinopel, Kanon 2 (Τοὺς ὑπὲρ διοίκησιν ἐπισκόπους ταῖς ὑπερορίοις ἐκκλησίαις μὴ ἐπιέναι, μηδὲ συγχέειν τὰς ἐκκλησίας·). Vgl. für die anglikanischen Kirchen ferner Resolution 27 der Lambeth-Konferenz 1920 (Archivierte Kopie (Memento vom 14. Juli 2010 im Internet Archive)) und Resolution 54 von 1958 (Archivierte Kopie (Memento vom 16. Mai 2007 im Internet Archive)).
  10. Vgl. Decreto con il quale si dichiarano le pene canoniche incorse dall’Arcivescovo Pierre-Martin Ngô-dińh-Thuc e complici per le ordinazioni illecite di presbiteri e vescovi in località “El Palmar de Troya” / Decretum circa quasdam illegitimas ordinationes presbyterales et episcopales, 17. September 1976, in: AAS 68 (1976), 623; Notificazione con la quale si dichiarano di nuovo le pene canoniche incorse dall’Arcivescovo Pierre-Martin Ngô-dińh-Thuc e complici per le ordinazioni illecite di presbiteri e vescovi / Notificatio qua poenae canonicae Episcopis qui illicite alios episcopos ordinaverunt illisque hoc modo illegitimo ordinatis denuo comminantur, 12. März 1983, in: AAS 75 (1983) 392–393.