Welt am Abend (Berlin)

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Die Welt am Abend, oft nur Welt am Abend genannt, war eine kommunistische[1] Boulevard-Tageszeitung im Berlin der Weimarer Republik.

Sie erschien von August 1922 bis September 1933. Ab 1926 gehörte sie im Kosmos-Verlag zur Verlagsgruppe von Willi Münzenberg, liiert mit der ebenfalls von Münzenberg initiierten Internationalen Arbeiterhilfe. Münzenberg war Leiter der Agitationsabteilung der KPD und baute für die Partei das (nach dem Konzern des deutschnationalen Alfred Hugenberg) zweitgrößte Medienunternehmen der Weimarer Republik auf, zu dem weitere auflagenstarke Zeitungen gehörten, vor allem die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ). Diese Tageszeitungen fanden weit über die kommunistisch organisierte Arbeiterschaft hinaus Verbreitung.

Nach Darstellung von Münzenbergs Lebensgefährtin Babette Gross lag die Auflage der Welt am Abend, die einer Gruppe von Redakteuren der früheren USPD gehörte, nur noch bei 3.000 Exemplaren. Die Miteigentümer Emil Rabold und Walter Oehme, der auch Chefredakteur war, traten an Münzenberg heran, um das Blatt für 10.000 Mark zum Kauf anzubieten. Münzenberg bat darum, dass Oehme die Redaktion weiterhin leitete. Die Übernahme verzögerte sich, weil Miteigentümer zeitgleich mit einem anderen Kaufinteressenten verhandelt hatten. Münzenberg führte um die Titelrechte einen Prozess, der mit einem Vergleich endete. Für 7.000 Mark bekam Münzenberg die Zeitung. Mit einer verstärkten Redaktion, dem neuen Vertriebsleiter Hans Schüler, der früher den Vertrieb der USPD-Zeitung Die Freiheit verantwortet hatte, und neuen Konzepten für den Straßenverkauf stieg die Auflage auf über 100.000.[2] 1928 lag die Auflage schon bei rund 175.000 Exemplaren. Für 1929 gab der Kosmos-Verlag sogar eine Auflage von 230.000 Stück an, was gegenüber dem Vorjahr eine gewaltige Steigerung gewesen wäre.[3]

Sensationsberichte, zum Beispiel über einen Korruptionsskandal um die Gebrüder Leo, Max und Willy Sklarek, denen 1929 bis 1932 der Prozess gemacht wurde, steigerten die Auflage beträchtlich. Der Erfolg der Welt am Abend in Berlin führte zur zeitweiligen Herausgabe einer Regionalausgabe im Ruhrgebiet sowie eines morgens erscheinenden Berliner Schwesterblattes, der Berlin am Morgen. Die Zeitung hatte einen ausführlichen Kulturteil. An Sonntagen hatte das Blatt die Beilage Film und Radio.[4]

Der österreichische Kommunist Paul Friedländer, seit 1926 in Berlin und Vertrauensmann der KPD in der Redaktion, wurde 1933 kurzzeitig Chefredakteur. In der Welt am Abend veröffentlicht wurden unter anderem Beiträge von Kurt Kersten (Leiter des Feuilletons), Michael Mendelssohn (Filmkritiken fürs Feuilleton), Egon Erwin Kisch, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Kurt Tucholsky, Erich Mühsam (1925 und 1928), Thomas Mann, Géza von Cziffra (ab 1923), Klaus Neukrantz (ab 1924), Maria Leitner (1929), Otto Heller (ab 1926), Ruth Werner, Adolf Behne, Botho Laserstein, József Lengyel, Georg Lukács, Heinz Pol (nach seinem Ausscheiden aus der Vossischen Zeitung im September 1931), Hans von Zwehl, Hugo Kapteina, Willy van Heekern (Fotograf) und Alfred Kantorowicz.

Im Sportpalast veranstaltete die Welt am Abend am 18. Januar 1930 gemeinsam mit ihrer Schwesterzeitung Berlin am Morgen (Hrsg.: Bruno Frei) das Fest Sturm über Berlin, bei dem unter anderem die Künstler Ernst Busch, Karl Valentin, Erich Weinert auftraten.

Im Vorfeld der am 19. Februar 1933 abgehaltenen letzten freien Veranstaltung Das Freie Wort gegen die drei Wochen zuvor an die Macht gelangten Nationalsozialisten schrieb Alfred Kantorowicz in der Welt am Abend, „es gebe Zeiten, da das Freie Wort nicht mehr mit Worten, sondern durch die Tat verteidigt werden müsse.“ Als Reaktion darauf wurde die Zeitung mit sofortiger Wirkung verboten und gegen den Autor Haftbefehl erlassen. Von Mai bis September 1933 erschien die Welt am Abend getarnt und unter nationalsozialistischer Obhut erneut[5].

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Peter de Mendelssohn stufte sie als „linkssozialistisch“ ein (Peter de Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin. Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Berlin: Ullstein Verlag, 1959, S. 307/308.)
  2. Babette Gross: Willi Münzenberg: Eine politische Biographie. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1967, S. 175.
  3. Rolf Surmann: Die Münzenberg-Legende : zur Publizistik der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung 1921-1933. Prometh, Köln 1983, ISBN 3-922009-53-0, S. 190.
  4. Bruce Arthur Murray: Film and the German Left in the Weimar Republic, University of Texas Press, 1990, ISBN 0292724659 bzw. ISBN 9780292724655, S. 256, Fußnote 15.
  5. Hermann Weber, Jakov Drabkin, Bernhard H. Bayerlein: Deutschland, Russland, Komintern - Dokumente (1918–1943): Nach der Archivrevolution: Neuerschlossene Quellen zu der Geschichte der KPD und den deutsch-russischen Beziehungen, Walter de Gruyter 2015, S. 1032.