Paul Wentzcke

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Friedrich Wilhelm Heinrich Paul Wentzcke (* 4. September 1879 in Koblenz; † 25. November 1960 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Historiker, Archivar und Museumsdirektor.

Familiengrab Wentzcke auf dem Friedhof der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Gemeinde in Berlin. Der alte Grabstein wurde entfernt. Der neue Grabstein von 2014 erinnert nur noch an Wentzckes Tochter Maria, die Enkeltochter sowie deren amerikanischen Ehemann, die ebenfalls hier beigesetzt sind.

Leben und Werk

Wentzcke stammte aus einer preußischen Beamtenfamilie. Sein Vater war ein Proviantamt-Direktor, der häufig versetzt wurde. Paul Wentzcke wuchs in Wesel, Verden an der Aller und Straßburg auf. Er ging auf das Protestantische Gymnasium in Straßburg und auf das Gymnasium in Rastatt, das er 1899 mit dem Abitur abschloss. Er studierte Geschichte, Germanistik, Geographie und Staatswissenschaften in Straßburg, unter anderem bei Harry Bresslau und Friedrich Meinecke. Er war Mitglied der Burschenschaften Alemannia Straßburg-Hamburg (1899), Marchia Köln und Germania Würzburg.[1]

1904 promovierte er bei Friedrich Meinecke über den Elsässer Publizisten Johann Frischmann.[2] Für die von Meinecke herausgegebene Historische Zeitschrift (HZ) bearbeitete er anschließend das Register der Bände 57–96, der die zwanzig Jahre vor dem Erscheinen des Registers 1906 abdeckte.[3] Von 1907 bis 1912 hatte Wentzcke in Straßburg seine erste Stellung als Archivar inne. Im Ersten Weltkrieg war er von 1914 bis 1918 Soldat und kämpfte unter anderem an der Westfront; zuletzt war er Major der Reserve.

Wentzcke befasste sich vor allem mit dem deutsch-französischen Grenzgebiet am Rhein und mit der deutschen Einheitsbewegung des 19. Jahrhunderts. Als Hauptwerk Wentzckes gilt das 1921 erschienene Der deutschen Einheit Schicksalsland, in dem er das Reichsland Elsaß-Lothringen behandelt; auch in Der Rheinkampf (1925) behandelt er die französische Politik in Bezug auf das Rheinland.

1912 heiratete er Erna von Fiedler, mit der er eine Tochter hatte. Mit dem Wechsel nach Düsseldorf 1912 wurde Wentzcke dort Leiter des Stadtarchivs, 1926 auch des Historischen Museums. Er konzentrierte sich in seinen Publikationen zu dieser Zeit auf Gegenwartsprobleme des Rheinlandes und des Ruhrgebietes, vor allem unter alliierter Besetzung und im „Ruhrkampf“. Daneben erforschte er seit 1910 auch das Leben Heinrich von Gagerns und gab Teile von dessen Nachlass heraus (Bd. 1: Deutscher Liberalismus im Vormärz, 1959). Mit dem Vormärz, der Revolution von 1848 und der Frankfurter Nationalversammlung befasste er sich in einigen weiteren Publikationen. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang seine Forschungen zur burschenschaftlichen Bewegung. So übernahm Wentzcke 1930 von Herman Haupt den Vorsitz der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung. 1927 übernahm Wentzcke den Vorsitz des Düsseldorfer Geschichtsvereins; unter seinem bis 1935 dauernden Vorsitz erfolgte die widerspruchslose Gleichschaltung des Vereins.[4]

An der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main war Wentzcke ab 1935 als Honorarprofessor für Geschichte tätig und kehrte dort zu den Themen rund um Straßburg und das Elsass zurück. In Frankfurt war er auch Direktor beim Institut der Elsässer und Lothringer im Reich.[1] 1945 wurde er für kurze Zeit kommissarischer Leiter des Frankfurter Stadtarchivs.

Zwischen 1918 und 1933 war Wentzcke Mitglied der Deutschen Volkspartei. Der Historiker Christoph Cornelißen attestierte Wentzckes Werk eine unübersehbare „antisozialistische, antigewerkschaftliche und auch antirepublikanische Grundlinie“.[5]

Paul Wentzckes Vorschlag für eine deutsche Flagge: „Republikanische Trikolore“ (1948)

Wentzcke betrachtete den Nationalsozialismus positiv, zur Hakenkreuzfahne fand er in Hoheitszeichen und Farben des Reichs folgende Worte: „Mit der Einführung der Hakenkreuzfahne fand der dringende Ruf nach einem wahrhaft großen, allgemein anerkannten Heerzeichen, das die ehrenvolle Überlieferung vergangener Zeiten mit der siegreichen Idee arteigener Zukunft verbinden konnte, endgültig Erfüllung. In der gleichen Stunde, in der die Entwicklung vieler Jahrhunderte ihren sichtbaren Abschluß fand, nahmen die neu geschaffenen Hoheitszeichen und Farben eine glanzvolle Überlieferung auf: Uralt germanisch der rote Grundton des Hakenkreuzbanners, uralt die Sitte, in dieses rote Feld das zielweisende Sinnbild der geltenden Welt- und Staatsanschauung zu setzen. In anderer Weise als es die Geschichte früherer Zeiten lehrte, aber wiederum in hartem Kampf gegen innere und äußere Feinde erhob ein Heer Führer und Fahnen.“[6]

1948 sprach Wentzcke sich für eine „Republikanische Trikolore“ als Flagge Deutschlands aus, die wie die französische Trikolore vertikal geteilt sein sollte.[7] 1949 wurde er als völlig unbelastet entnazifiziert.

Paul Wentzcke starb 1960 im Alter von 81 Jahren in Frankfurt am Main. Beigesetzt wurde er auf dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof in Charlottenburg-Westend. Das Grab ist erhalten.[8]

Ehrungen

Werke

  • Regesten der Bischöfe von Straßburg bis zum Jahre 1202. Wagner, Innsbruck 1908.
  • Geschichte der Stadt Schlettstadt. Laupp, Tübingen 1910.
  • Justus Gruner, der Begründer der preußischen Herrschaft im Bergischen Lande. Winter, Heidelberg 1913.
  • Kritische Bibliographie der Flugschriften zur deutschen Verfassungsfrage 1848–1851. Niemeyer, Halle 1911.
  • Der deutschen Einheit Schicksalsland. Elsass-Lothringen und das Reich im 19. und 20. Jahrhundert. Geschichtliche und politische Untersuchungen zur großen rheinischen Frage. Drei Masken, München 1921.
  • Im neuen Reich 1871–1890. Politische Briefe aus dem Nachlaß liberaler Parteiführer. Ausw. und Bearb. Paul Wentzcke. Schroeder, Bonn 1926 (= Deutscher Liberalismus im Zeitalter Bismarcks, 2).
  • Geschichte des Ruhrkampfes als Aufgabe und Erlebnis. Vortrag vom 9. Dezember 1928 in Frankfurt am Main und 18. Februar 1929 in Essen, Düsseldorf o. J.
  • Den Helden des Ruhrkampfes. Schriften des Historischen Museums und des Archivs der Stadt Düsseldorf, Düsseldorf 1931.
  • Ruhrkampf. Einbruch und Abwehr im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Berlin 1932.
  • Die deutschen Farben. Ihre Entwicklung und Deutung sowie ihre Stellung in der deutschen Geschichte. Winter, Heidelberg 1955.
  • 1848. Die unvollendete deutsche Revolution. Bruckmann Verlag, München 1958.
  • Ideale und Irrtümer des ersten deutschen Parlaments 1848–1849. Winter, Heidelberg 1959.
  • als Herausgeber mit Wolfgang Klötzer: Heinrich von Gagern. Deutscher Liberalismus im Vormärz. Briefe und Reden 1815–1848. Musterschmidt, Göttingen, Berlin, Frankfurt 1959.
  • Erlanger Burschenschafter in den entscheidenden Monaten der Paulskirche (September 1848 bis Mai 1849). Beiträge zur Parteigeschichte des ersten deutschen Parlaments, bearbeitet und herausgegeben von Harald Lönnecker (= GfbG: Jahresgabe der Gesellschaft für Burschenschaftliche Geschichtsforschung), GfbG, Lupburg-Degerndorf 2006, ISBN 978-3-9807164-4-4.

Literatur

  • Wolfgang Klötzer: Paul Wentzcke †. In: Historische Zeitschrift 192, 1961, Heft 3, S. 791 f.
  • Stephan Laux, Sven Woelke: Paul Wentzcke. In: Michael Fahlbusch, Ingo Haar (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 740–743.
  • Harald Lönnecker: Die Burschenschafterlisten, „eines der wichtigsten Hilfsmittel für die Kenntnis der deutschen politischen und Geistesgeschichte“ – Zur Entstehung und Entwicklung einen Gesamtverzeichnisses deutscher Burschenschafter. In: Peter Bahl, Eckart Henning (Hrsg.): Herold-Jahrbuch, NF, Band 14, 2009, S. 153–170. (Online auf burschenschaftsgeschichte.de; PDF; 521 kB).
  • Nachrufe in Der Archivar 14, 1961, und Düsseldorfer Jahrbuch 50, 1960.
  • Wolfgang Klötzer: Paul Wentzcke. Drei Stufen deutschen Bewusstseins: Straßburg – Düsseldorf – Frankfurt a. M. (mit einem Schriftenverzeichnis). In: Kurt Stephenson, Alexander Scharff, Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Bd. 4: In memoriam Paul Wentzcke. Heidelberg 1963, S. 9–64.
  • Wentzcke, Friedrich Wilhelm Paul. In: Friedhelm Golücke: Verfasserlexikon zur Studenten- und Hochschulgeschichte. SH-Verlag, Köln 2004, ISBN 3-89498-130-X, S. 348–351.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Burschenschaftsgeschichte (PDF; 170 kB).
  2. Dissertation: Johann Frischmann – Ein Publizist des 17. Jahrhunderts.
  3. Paul Wentzcke (Bearb.): Historische Zeitschrift. Register zu Band LVII–XCVI. Oldenbourg, München/Berlin 1906.
  4. Stadtarchiv Landeshauptstadt Düsseldorf: Nachlässe/Sammlungen 4-38-0 Dr. phil. Friedrich Wilhelm Heinrich Paul Wentzcke, S. 1.
  5. Christoph Cornelißen: Vom „Ruhrkampf“ zur Ruhrkrise: Die Historiografie der Ruhrbesetzung. In: Gerd Krumeich, Joachim Schröder (Hrsg.): Der Schatten des Weltkriegs. Die Ruhrbesatzung 1923. Essen 2004, S. 25–45, hier S. 39.
  6. Paul Wentzcke: Hoheitszeichen und Farben des Reiches. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1939, S. 123.
  7. Flags of the World – Proposals 1944–1949 (Germany).
  8. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 481.