Wetterderivat
Ein Wetterderivat ist ein derivatives Finanzinstrument, bei dem meteorologische Daten wie z. B. die Temperatur oder Niederschlagsmengen als Basiswert verwendet werden. Wetterderivate werden in der Regel zwischen einer Bank oder Versicherung und einem Vertragspartner (Unternehmen, Kommune) abgeschlossen, wobei das Unternehmen sein Wetterrisiko auf die Bank transferiert. Da nach Schätzungen von Ökonomen weltweit etwa vier Fünftel aller wirtschaftlichen Aktivitäten direkt oder indirekt von Wetter beeinflusst sind, können Wetterderivate ein Instrument des Risikomanagements eines Unternehmens darstellen. Die erst gegen Ende der 1990er Jahre entwickelten Wetterderivate sind allerdings noch ein verhältnismäßig junges Instrument am Finanzmarkt, die im Gegensatz zu anderen Sicherungsinstrumenten beispielsweise für Zinsänderungs- oder Wechselkursrisiken wenig standardisiert sind. Wetterfutures als standardisiertes Produkt werden bislang in nur sehr geringem Umfang an der Eurex[1], der Chicago Mercantile Exchange und der LIFFE in London gehandelt.
Beispiel für einen Risikotransfer durch ein Wetterderivat
Mit folgendem – konstruierten – Beispiel können die Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten von Wetterderivaten einfach erläutert werden:
Ein Landwirt, der in Mitteleuropa Pfirsiche anbaut, ist darauf angewiesen, dass während der Blütezeit der frostempfindlichen Bäume die Temperatur niemals unter eine bestimmte Temperatur fällt. Je länger die Temperatur unterhalb von 5 °C liegt, desto geringer ist seine Erntemenge. Sein betriebswirtschaftliches Risiko kann dieser Landwirt an eine Bank transferieren, indem er ein entsprechendes Wetterderivat mit dem Anbieter abschließt. Der Vertrag könnte so ausgestaltet sein, dass der Landwirt für jeden Tag der Monate April und Mai – also den Monaten, in denen die frostempfindlichen Pfirsichbäume blühen –, an dem die von der nächstgelegenen Wetterstation gemessene Temperatur unter 5 °C sinkt, einen Ausgleichsbetrag von 1.000 Euro erhält. Ob er für diesen Vertrag eine Optionsprämie zahlt, oder ob er eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Bank hat, wenn die Temperatur über fünf Grad Celsius liegt, ist abhängig davon, welches spezifische Sicherungsinstrument gewählt wird.
Die Absicherungsinstrumente
Besonderheit von Wetterderivaten im Vergleich zu anderen derivativen Finanzprodukten
Die Instrumente, die bei Wetterderivaten zum Einsatz kommen, entsprechen in ihrer Konstruktion im Wesentlichen den üblichen derivativen Sicherungsgeschäften, die im Finanzmanagement verwendet werden. Wetterderivate weisen jedoch eine Besonderheit auf: Die Objekte, auf die sie sich beziehen (in der Fachsprache als Basiswerte bezeichnet), nämlich Tagestemperaturen, Schneehöhe, Niederschlagsmengen oder ähnliches, sind nicht handelbar. Das hat in der Unternehmenspraxis und im finanzmathematischen Umgang mit diesem Instrument einige Konsequenzen. Die Volatilität der Wetterderivate leitet sich allein aus den historischen Wetterdaten ab. Es gibt keine Marktpreisvolatilität im klassischen Sinne, wie es etwa für Absicherungsinstrumente für Aktien oder Währungen der Fall ist. Anders als bei Aktien oder bei Rohwaren wie etwa Silber ist der Basiswert auch nicht durch einzelne Marktteilnehmer beeinflussbar, indem beispielsweise zu bestimmten Zeitpunkten große Mengen von diesen verkauft werden oder Marktteilnehmer auf Preisanstiege spekulieren. Der Basiswert von Wetterderivaten kann daher als frei von Marktmanipulationen betrachtet werden.
Anders als bei anderen derivativen Sicherungsinstrumenten ist beim Wetterderivat eine physische Lieferung bei Fälligkeit ausgeschlossen. Würde der Landwirt, der Pfirsiche anbaut, seine voraussichtliche herbstliche Erntemenge bereits im Frühjahr auf Termin verkaufen, könnte er seinem Kontrahenten die vereinbarte Menge am Fälligkeitstermin seines Festpreisgeschäftes tatsächlich auch liefern. Solche Termingeschäfte – die an Warenterminbörsen wie der in Chicago tatsächlich abgeschlossen werden – werden in der Regel allerdings durch Ausgleichszahlungen ausgeglichen. Bei Wetterderivaten ist dieser sogenannte Barausgleich allerdings die einzige Möglichkeit, das Geschäft zu beenden.
Als nach wie vor problematisch gilt die Preisfindung bei den Wetterderivaten. Das Black-Scholes-Modell, das ansonsten standardmäßig zur Preisfindung eingesetzt wird, passt nicht für dieses Instrument. Eine Monte-Carlo-Simulation, die alternativ verwendet werden kann, ist sehr aufwändig in ihrer Anwendung. Während Banken dies in der Regel aufgrund ihrer Softwareausstattung noch abbilden können, stellt dies insbesondere für Unternehmen ein Problem dar, die aufgrund unternehmensinterner Vorschriften in der Lage sein müssen, abgeschlossene Finanzderivate selbständig bewerten zu können. Abschlüsse in Wetterderivaten würden bei diesen Unternehmen daher mit einer aufwändigen Aufrüstung ihrer Treasurysysteme einhergehen.
Basiswerte von Wetterderivaten
Wetterderivate können auf eine sehr große Anzahl unterschiedlicher Basiswerte referenzieren, da es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Wetter zu quantifizieren. Zur Absicherung unternehmerischer Risiken muss das entsprechende Wetterderivat sich allerdings auf den richtigen Basiswert beziehen, um eine sinnvolle Absicherung darzustellen. In dem oben angeführten Beispiel des Pfirsiche anbauenden Landwirtes ist die durchschnittliche Tagestemperatur in Deutschland oder Österreich irrelevant – für ihn spielt vielmehr eine Rolle, welche Temperatur nahe seiner Pfirsichplantage gemessen wird. Für eine Kommune, die sich gegen zu hohe Schneeräumungskosten absichern möchte, wäre analog nicht der Schneefall auf der Zugspitze entscheidend, sondern der vor Ort gemessene.
Temperatur ist als Wettermaß am weitesten verbreitet. Nach einer Untersuchung der Weather Risk Management Association hatten 2002 von allen abgeschlossenen Wetterderivaten 95 % Temperaturwerte als Basiswert. Andere Basiswerte sind die Windgeschwindigkeit, Schneefall und Regen, Wasserstand, Wolkenbedeckung, Sonnenscheindauer oder die relative Luftfeuchtigkeit. Für Schneefall und Regen werden i. d. R. einmal pro Tag die in den letzten 24 Stunden gemessenen Niederschlagsmengen in Millimeter gemessen.
Der beispielhafte Landwirt, der die Temperaturabhängigkeit seiner Pfirsichernte absichern möchte, wird es schwer haben, eine Wetterstation zu finden, die in so großer Nähe zu seiner Plantage liegt, dass sie die für ihn wesentliche Temperatur richtig wiedergibt. Für ihn besteht jedoch die Möglichkeit, die Werte mehrerer Wetterstationen so zu kombinieren, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dadurch die für ihn relevante Temperatur angegeben wird. Andere Unternehmen mit einer anderen Risikostruktur als der beispielhafte Landwirt schließen langfristigere Kontrakte ab, da damit eher gewährleistet wird, dass sie eine Auszahlung aus dem abgeschlossenen Wetterderivat erhalten, die ihrem unternehmerischen Risiko entspricht.
Absicherungsinstrumente
In der Terminologie, Struktur und Abwicklungspraxis entsprechen Wetterderivate den üblichen Finanzderivaten. Optionen und Termingeschäfte sind die üblichen Transaktionsformen, die hier zum Einsatz kommen. Besonders Optionen sind dabei typische Instrumente, die nach Schätzungen von Marktteilnehmern etwa 70 bis 80 % der Abschlüsse ausmachen. Wie bei der Absicherung von Wechselkurs- und Zinsänderungsrisiken sind dabei eine Reihe von Optionsstrukturen denkbar, die entsprechend dem Risikoprofil sehr differenziert ausgestaltet sein können.
Termingeschäft
Ein Termingeschäft – in diesem Zusammenhang in der Fachsprache häufig als Swap bezeichnet – ist das am einfachsten nachvollziehbare Instrument im Rahmen der Wetterderivate. Eine Prämienzahlung entfällt hier; stattdessen tauschen Bank und Unternehmen Wetterrisiken aus. Für den Pfirsiche anbauenden Landwirt würde dies eine Vereinbarung mit seiner Bank bedeuten, bei der er für jeden Tag, an dem die Temperatur im Zeitraum April und Mai unter fünf Grad Celsius sinkt, einen Auszahlungsbetrag von 1.000 Euro erhält. Umgekehrt muss bei diesem Transaktionstyp der Landwirt für jeden Tag, an dem die Temperatur über fünf Grad Celsius liegt, 1.000 Euro an die Bank zahlen. Der maximale Auszahlungsbetrag für beide Kontrahenten läge bei dieser Vertragskonstruktion bei 61.000 Euro. Vor der Unterschrift unter diesen Vertrag muss der Landwirt allerdings entscheiden, ob diese Konstruktion überhaupt seinem Risikoprofil entspricht. Zu dieser Analyse gehört unter anderem eine Beschäftigung mit der Frage, ob er wirklich nur 1.000 Euro an Ernte verliert, wenn die Temperatur in diesem Zeitraum auf beispielsweise −3 °C fällt und die gesamte Blüte der Bäume dabei vernichtet wird. Umgekehrt muss er sich fragen, ob mit jedem Tag, an dem die Temperatur über fünf Grad Celsius liegt, er im Herbst wirklich eine Zusatzmenge an Ernte haben wird, die den 1.000 Euro entspricht, die er dann an die Bank zu zahlen hat.
Das Beispiel eines Produzenten von Eiscrème zeigt jedoch, dass sich ein Termingeschäft so konstruieren lässt, dass es einer festgestellten Risikostruktur entspricht. Aufgrund vorangegangener Analysen weiß dieser Produzent, dass mit jedem zusätzlichen Grad Celsius, die die durchschnittliche Temperatur in den Monaten Juni, Juli und August unterhalb von 20 Grad liegt, er eine Million Euro Umsatz und damit 100.000 € Gewinn verliert. Mit jedem zusätzlichen Grad Celsius, mit dem die durchschnittliche Temperatur über 25 Grad Celsius liegt, setzt er dagegen für eine Million Euro mehr Eis um. Diese Schwankungen im Umsatzvolumen will er durch den Abschluss eines entsprechenden Termingeschäftes kompensieren. Er schließt dementsprechend ein Termingeschäft mit seiner Bank ab, das den mit dem Umsatzeinbruch einhergehenden Gewinneinbruch, den er in einem ungewöhnlich kalten Sommer erleidet, kompensiert. Den Gewinn, den er in einem ungewöhnlich heißen Sommer haben würde, ist er dafür bereit aufzugeben.
Optionen
Optionen sind die häufigste Form, mit der Wetterrisiken abgesichert werden. Dabei bedeuten Verkaufsoptionen eine Wette auf fallende und Kaufoptionen eine Wette auf steigende Indices. In jedem Fall ist für die Option die Zahlung einer Prämie nötig. Die Option bedeutet aber eine Absicherung des Wetterrisikos, während sie das Gewinnpotential eines Unternehmens wahren.
Sowohl der Eiscrème-Hersteller als auch pfirsichanbauende Landwirt wollen sich gegen die unternehmerischen Risiken absichern, die fallende Temperaturen für sie darstellen. Beide würden daher eine Verkaufsoption kaufen. Der pfirsichanbauende Landwirt hat sich entschieden, dass es zu seiner Risikostruktur besser passt, wenn er für jedes Grad unterhalb einer im April und Mai gemessenen Tagestemperatur von 5 Grad Celsius einen Auszahlungsbetrag von 100 Euro erhält.
Kaufoptionen werden dagegen von denen erworben, bei denen steigende Wetterindices ein Risiko darstellen. Ihre Anwendung zeigt ein im Jahre 2001 abgeschlossener Kontrakt eines im ländlichen Raum gelegenen niedersächsischen Elektrizitätswerkes. Die Analyse mehrerer Jahre hatte bei diesem Unternehmen gezeigt, dass in den Sommermonaten der Stromumsatz zu einem Teil davon abhängig war, wie häufig Landwirte ihre Beregnungsanlagen anstellten. Sehr regnerische Sommer konnten für dieses Unternehmen einen Einbruch des Jahresgewinns bis zu 20 Prozent bedeuten. Das Unternehmen kaufte deshalb eine Call-Option, dessen Auszahlungshöhe vom Regenfall abhängig war. Der Kontrakt hatte eine Laufzeit vom 1. Mai bis zum 31. August 2001 und als Basiswert die in Millimetern gemessene Niederschlagsmenge einer in der Nähe gelegenen Wetterstation. Der sogenannte Ausübungspreis des Kontraktes lag bei 70 Millimetern Niederschlagsmenge, da Analysen zeigten, dass die durchschnittliche Niederschlagsmenge bei 65 Millimetern lag. Das heißt, dass das Unternehmen bereit war, den Gewinnrückgang, der mit Niederschlagsmengen zwischen 65 und 70 Millimetern verbunden war, selbst zu tragen. Gegen die Gewinneinbrüche, die mit höheren Niederschlagssummen einhergingen, wollte sich das Unternehmen dagegen absichern. Für jeden Millimeter größeren Niederschlag als 70 Millimeter vereinbarte das Unternehmen daher einen Auszahlungsbetrag von 2.000 DM. Als Optionsprämie zahlte das Unternehmen etwas weniger als 10.000 DM. Vertraglich vereinbart war eine maximale Auszahlungshöhe, wobei dieser Betrag unbekannt geblieben ist.
Marktteilnehmer
Unternehmer
Obwohl in diesem Artikel verschiedentlich Landwirte und Kommunen als Kontrahent eines Wetterderivates bemüht wurden, stellen diese bislang nicht die typischen Teilnehmer am Markt für Wetterderivate dar. Vorreiter im Markt der Wetterderivate waren US-amerikanische Energieversorger, bei denen die tägliche Energieverbrauchsmenge stark mit der aktuellen Tagesdurchschnittstemperatur korreliert. Die Erfahrungen dieser Unternehmen zeigen allerdings auch, wie komplex die risikoadäquate Konstruktion eines Wetterderivates ist. Energieverbrauch und Tagestemperatur sind nicht linear miteinander korreliert, sondern es muss sehr differenziert zwischen solchen Tagen unterschieden werden, an denen der Energieverbrauch steigt, weil Haushalte heizen, und solchen, an denen vermehrt Energie verbraucht wird, weil sie ihre Klimaanlagen anschalten.
Neben den Energieversorgern sind es vor allem Versicherer und Rückversicherer, für die Wetterderivate als Sicherungsinstrument interessant sind.
Generell haben Unternehmen, die den Einsatz von Wetterderivaten erwägen oder solche bereits abgeschlossen haben, bereits Erfahrungen mit dem Einsatz derivativer Instrumente zur Absicherung finanzieller Risiken. Sie sind daher mit dem Risikomanagementprozess vertraut, zu dem als erster Schritt die sorgfältige Analyse der eigenen Risikostruktur gehört. Sie verfügen außerdem über die notwendige Ablauforganisation, zu der ein sogenanntes Frontoffice, eine Abwicklung (backoffice) und im Allgemeinen auch ein Finanzrisikocontrolling zählt.
Die Banken
Banken schließen gelegentlich Wetterderivate auch deshalb ab, weil sie tatsächlich ein Wetterrisiko, das sie aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit haben, absichern wollen. Ihre Motivation entspricht dann den hier beschriebenen risikoabsichernden Unternehmen.
In diesem Artikel sind sie als der Kontrahent beschrieben, auf den ein Unternehmen durch Abschluss eines Wetterderivates sein Risiko transferiert, und das ist normalerweise der Grund, aus dem Finanzinstitute solch einen Kontrakt eingehen. Sie erfüllen damit ihre klassische volkswirtschaftliche Funktion der Risiko-, Fristen- und Losgrößentransformation. Banken, die ihren Kunden solche Produkte anbieten können, sind in der Regel sehr aktive und große Teilnehmer an den Finanzmärkten. Eine kleine Sparkasse oder eine kleine VR-Bank, die mit ihrem Kunden einen solchen Kontrakt abschlösse, würde diesen Abschluss an eine solche Bank weiterreichen. In der Praxis dürften solche kleine Banken aber nur äußerst selten als Kontrahent von Wetterderivaten auftreten, da selbst das Weiterreichen eines solchen Kontraktes Geschäftsprozesse erforderlich macht, über die eine solche Bank nicht verfügt. Allein die Frage der bilanziellen Behandlung eines solchen Derivates kann es für eine Sparkasse oder VR-Bank unattraktiv machen, ein solches Instrument abzuschließen.
Banken, die Wetterrisiken „auf ihre Bücher nehmen“, reduzieren ihr damit eingegangenes Risiko durch eine Vielzahl möglichst gegensätzlicher Kontrakte und sichern das verbleibende Risiko durch ein sehr aktives Handeln an den Börsen ab, an denen Wetterderivate standardisiert gehandelt werden. Dieses Handeln findet so lange statt, wie die entsprechenden Börsen geöffnet haben. Während der Handelszeiten der LIFFE würde entsprechend das Londoner oder Frankfurter Büro einer Bank das sogenannte Wetterrisikobuch beobachten und dieses dann an die Chicagoer Kollegen weitergeben, damit diese dies während der Handelszeiten der CME managen.
Privatpersonen als Profiteure von Wetterderivaten?
Wetterderivate sind normalerweise keine Produkte, die von Privatpersonen abgeschlossen werden. Im Tourismus bieten einzelne Unternehmen jedoch ihren Pauschalreisenden gelegentlich eine „Geld-zurück-Garantie“ an, wenn die Anzahl der Regentage im Urlaubsland über einer festgelegten Zahl liegt. Solche Angebote werden von den Unternehmen gewöhnlich aus Marketing-Gründen geschnürt. Das Wetterrisiko, das ein Reiseanbieter damit zusätzlich eingeht, trägt er in der Regel nicht selber, sondern sichert es durch Abschluss von Wetterderivaten ab. Auf diese Weise kann auch der Endverbraucher Profiteur von Wetterderivaten sein.
Auch Privatpersonen, die Aktien besitzen und damit Anteilseigner eines Unternehmens sind, können indirekt von Wetterderivaten betroffen sein. Haben sie als Aktionär Interesse an einer möglichst gleich bleibenden Dividende, begrüßen sie wahrscheinlich den Abschluss solcher Kontrakte, da diese bei richtigem Einsatz erheblich zur Stabilisierung von Unternehmensgewinnen beitragen können. Diejenigen, die bewusst Aktien unterschiedlich wetterabhängiger Unternehmen kombinieren, um ihr Portfolio zu diversifizieren, haben dagegen kein Interesse daran, dass nur einige der Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, ihr Risiko über Derivate absichern, da das ihrer eigenen Diversifikationsstrategie zuwiderläuft. Anteilseigner haben jedoch in jedem Fall ein Interesse daran, dass ein entsprechender Risikomanagementprozess etabliert ist. Sowohl Großaktionäre als auch die Sprecher von Kleinaktionärsvertretungen hinterfragen daher solche Abschlüsse und die Analysen, auf denen ihr Abschluss basiert, kritisch. Ähnliches gilt für Arbeitnehmervertreter, wobei Arbeitnehmer eher zu den Profiteuren richtig eingesetzter Wetterderivate zählen, da Unternehmen mit stabilen Gewinnen eher einen sicheren Arbeitsplatz bieten als solche, deren Unternehmensgewinn aufgrund exogener Faktoren stark schwankt.
Entwicklung des Marktes
1997 wurde erstmals ein Wetterderivat zwischen zwei Kontrahenten abgeschlossen. Im September 1999 führte die Chicago Mercantile Exchange Wetterderivate und Europäische Optionen auf Wetterfutures als standardisiertes Börsenprodukt ein. Angeboten wurden Kontrakte, die als Basiswerte die durchschnittlich gemessenen monatlichen Temperaturwerte von Wetterstationen in Atlanta, Chicago, Cincinnati, Dallas, Des Moines, Las Vegas, New York, Philadelphia, Portland oder Tucson haben konnten.
Die Entwicklung von Wetterderivaten in den späten 1990er Jahren war wesentlich von der Hoffnung geprägt, dass man hier einen rapide wachsenden Markt sehen würde: Eine Vielzahl von Unternehmen sind vom Wetter abhängig, und seit den 1980er Jahren hat der Einsatz von derivativen Instrumenten zur Absicherung von Zins- und Wechselkursrisiken stark zugenommen, so dass viele Unternehmen mit dem Einsatz dieser Instrumente – deren Grundprinzipien auch auf Wetterderivate zutreffen – vertraut sind. Das erwartete Wachstum – Anfang 2003 noch auf jährlich zweistellige Wachstumszahlen geschätzt – ist bislang jedoch nicht eingetreten. Einige namhafte und große Banken, die normalerweise zu den Anbietern innovativer Finanzprodukte gehören, haben den Handel mit diesen Derivaten mittlerweile sogar wieder eingestellt.
Diese für viele Marktteilnehmer überraschende Entwicklung ist auf die Komplexität der Absicherung mit Wetterderivaten zurückzuführen. Zwar ist weder die Wetterabhängigkeit vieler Geschäftstätigkeiten noch die Möglichkeit von Unternehmen, darüber ihre Risiken absichern zu können, umstritten. Wie die obigen Beispiele jedoch zeigen, müssen Unternehmen zuerst eine sehr sorgfältige Risikoanalyse durchführen, um Wetterderivate so zu definieren, dass sie dem Risikoprofil entsprechen. Falsch abgeschlossene Derivate tragen statt einer Absicherung möglicherweise zur Erhöhung des unternehmerischen Risikos bei. Banken müssen umgekehrt in der Lage sein, derart individuell zugeschnittene Kontrakte bewerten zu können, um die Risiken, die sie mit dem Eingehen eines solchen Kontraktes übernehmen, angemessen überwachen zu können. Für beide Parteien sind solche wetterbasierten Kontrakte daher mit einem hohen Aufwand verbunden, was dazu führt, dass nach wie vor das gehandelte Volumen nicht sehr groß ist.
Literatur
- Stefan Ehrhardt: Risikomanagement mit Wetterderivaten. Konzeption eines Bepreisungsmodells für Windderivate zur Bewertung und Absicherung wetterinduzierter Geschäftsrisiken in Windparks. Grin Verlag, München 2009, ISBN 978-3-640-26071-3.
- Christian Hee, Lutz Hofmann: Wetterderivate. Grundlagen, Exposure, Anwendung und Bewertung. Gabler Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8349-0240-3.
- Andreas Kamp: WiSt-Fallstudie: Wetterrisikomanagement mit Wetterderivaten. In: WiSt – Wirtschaftswissenschaftliches Studium. 33. Jg., 2004, ISSN 0340-1650, S. 252–256.
- Mike Rinker: Der Erwerb von Wetterderivaten als Maßnahme modernen Risikomanagements für Städte und Gemeinden. In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht. 2004, ISSN 0721-880X, S. 1452–1454.
- Mike Rinker: Die Absicherung des kommunalen Haushalts durch den Einsatz von Wetterderivaten. In: Hessische Städte- und Gemeinde-Zeitung. 2005, ISSN 0171-9610, S. 161–162.
- Mike Rinker: Wetterderivate. Funktionsweise, rechtlicher Rahmen, MiFID, Ultra-vires-Doktrin. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-11205-0.
- Sascha Wilkens, Andreas Kamp: Wetterderivate. In: DBW – Die Betriebswirtschaft. 62. Jg., 2002, ISSN 0342-7064, S. 116–119.
Einzelnachweise
- ↑ Eurex Wetterderivate (Memento vom 19. April 2014 im Internet Archive)