Wilhelm Friedmann (Romanist)

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Wilhelm Friedmann (* 19. März 1884 in Wien; † 11. Dezember 1942 in Bedous) war ein deutsch-österreichischer Romanist und Literaturwissenschaftler.

Leben und Werk

Friedmann studierte ab 1903 in Heidelberg, Wien und Berlin. Er promovierte 1907 in Wien über Die altitalienischen Heiligenlegenden des Codex Flor. XXXVIII 110 in sprachlicher Hinsicht (Halle a.S. 1908) und habilitierte sich 1910 in Leipzig mit der Arbeit Einleitung zu einer kritischen Ausgabe der Gedichte des Troubadours Arnaut de Mareuil. Im Krieg geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und flüchtete nach Wien. Von 1920 bis 1929 war er Lektor für Romanische Philologie in Leipzig, vertrat dann bis 1930 ein Ordinariat an der Universität Greifswald und war von 1930 bis 1933 auf seiner Lektorenstelle außerordentlicher Professor in Leipzig. Im September 1933 entzog man ihm die Lehrbefugnis und entließ ihn im November nach § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, offiziell aufgrund seiner pazifistischen Gesinnung und engen Kontakte zu linken französischen Intellektuellen, inoffiziell wegen seiner jüdischen Abstammung (er war evangelisch-lutherischer Konfession). Friedmann ging noch 1933 nach Paris, erhielt dort eine Unterstützung und las an der École pratique des hautes études über italienische Philologie, hielt Vorträge über französische Autoren der Gegenwart, für die Freie Deutsche Hochschule hielt er Vorlesungen ab und schrieb in der Emigrantenzeitung Die Zukunft, zuletzt im Mai 1939. Am 10. Dezember 1942 wurde er von der Gestapo festgenommen; am 11. Dezember tötete er sich durch Gift in Bedous, unweit der spanischen Grenze.

Weitere Werke

  • Die französische Literatur im XX. Jahrhundert. Leipzig 1914

Literatur

  • Friedmann, Wilhelm. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 8: Frie–Gers. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 2000, ISBN 3-598-22688-8, S. 175–177.
  • Hans Helmut Christmann: Ernst Robert Curtius und die deutschen Romanisten, Mainz 1987
  • Hans Helmut Christmann: Deutsche Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus. Vermächtnis und Verpflichtung. In: Deutsche und österreichische Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus, Hg. Hans Helmut Christmann, Frank-Rutger Hausmann in Verbindung mit Manfred Briegel, Tübingen 1989, S. 249–262
  • Claudine Delphis: Wilhelm Friedmann. In: Sächsische Lebensbilder, 5. Stuttgart 2003, S. 133–146
  • Claudine Delphis: Die Leipziger Beziehungen zu Frankreich während der Weimarer Republik und die Rolle Wilhelm Friedmanns. In: Franzosen in Leipzig. Leipzig 2000, S. 46–50
  • Claudine Delphis: Wilhelm Friedmann (1884–1942), le destin d’un francophile. Leipzig 1999[1]
  • Wilhelm Friedmann, in "Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik." 12. Jg. 2005, H. 24, Schwerpunktheft: Romanisten im Exil ISSN 0944-8594[2]

Weblinks

Wikisource: Wilhelm Friedmann – Quellen und Volltexte

Notizen

  1. insbes. über seine aufschlussreiche Korrespondenz mit Franzosen
  2. Der Akzent dieser Studien liegt auf der Rekonstruktion der intellektuellen und institutionellen Netzwerke, die sich in Frankreich, Großbritannien und in den USA formierten, um rassisch verfolgten Wissenschaftlern die Flucht zu ermöglichen. Die Beiträge von Ruiz (Bordeaux), Steele (Vancouver) und Delphis dokumentieren und analysieren anhand von erstmals veröffentlichten Archivmaterialien und Briefen, wie sich namhafte Personen, z. B. Thomas Mann, Stefan Zweig, Friderike Zweig, Gustave Cohen u. a. in Briefen und Petitionen bemühten, Friedmann die Flucht aus Frankreich ins US-Exil zu ermöglichen. Dabei wird sichtbar, wie sich die Lebensverhältnisse von Friedmann und seiner Familie in den Jahren des Exils in Frankreich im Spannungsfeld von versuchter Auswanderung und romanistischer Forschung vor Ort im Béarn gestalteten. So dokumentiert die Studie von Ruiz (im Anhang) auch die Ergebnisse von Friedmanns dialektologischen und phonologischen Betrachtungen zum Bearnesischen im Vallée d’Aspe, wo er mit seiner Familie von 1940 bis 1942 Unterschlupf gefunden hatte.
    1. Alain Ruiz: Wilhelm Friedmann (1884-1942), émigré du IIIe Reich, et sa fin tragique dans les Pyrénées
    2. Wilhelm Friedmann: Maintien ou rétablissement des consonnes sourdes dans les parlers de la vallée d’Aspe
    3. Correspondance
    4. Stephen Steele: Espoirs d’exil: Wilhelm Friedmann dans les archives américaines et les papiers de Gustave Cohen
    5. Claudine Delphis: A propos de l’hommage à Wilhelm Friedmann publié en 1943 dans le journal Aufbau