Wilhelm Rettich

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Wilhelm (Willem) Rettich (* 3. Juli 1892 in Leipzig; † 27. Dezember 1988 in Sinzheim) war ein deutscher Komponist und Dirigent.

Leben

Wilhelm Rettichs Vater kam aus Tarnów (Galizien) und war Kaufmann in Leipzig. Seine Mutter, die in der Gegend um Riga geboren wurde, stammte aus der Familie Idelsohn. Zu dieser gehört auch Abraham Zvi Idelsohn, der einer der wichtigsten Sammler und Erforscher der hebräischen Musik war. Mit 17 Jahren wurde Rettich am Leipziger Konservatorium aufgenommen, wo er Komposition bei Max Reger, Klavier bei Karl Wendling und Dirigieren bei Hans Sitt studierte.[1] 1912 wurde er Korrepetitor bei Otto Lohse am Stadttheater Leipzig, danach Kapellmeister am Stadttheater Wilhelmshaven.[1] Im Ersten Weltkrieg geriet Rettich schon 1914 in russische Kriegsgefangenschaft und verbrachte einige Jahre in sibirischen Lagern. Dort gründete er ein Häftlingsorchester und schrieb eine Oper, die dann Jahre später, 1928 in Stettin, ihre Uraufführung erlebte. Nach der Oktoberrevolution 1917 kam er frei und lebte einige Zeit in der russischen Stadt Tschita.[2] 1920 ging er nach China und wirkte kurzfristig als Musiklehrer in Tientsin.[3] Über Shanghai, Triest und Wien kam er zurück nach Leipzig, wo er wieder am Stadttheater arbeitete. Weitere Stationen waren ab 1924 Plauen, Stolp, Königsberg, Bremerhaven und Stettin.[1] Ab 1928 arbeitete er bei der Mitteldeutschen Rundfunk AG (MIRAG), wo er Hörspielmusiken komponierte und das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig dirigierte. 1930/31 wechselte er nach Berlin, war am Schillertheater tätig und dirigierte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.[1]

Schon früh nach der Machtergreifung durch die Nazis entschloss sich Wilhelm Rettich wegen des gegen ihn als Juden und Pazifisten verhängten Berufsverbots zur Emigration; er fand in den Niederlanden Aufnahme und Schutz. Hier nahm er die niederländische Version seines Vornamens „Willem“ an, arbeitete zunächst in Amsterdam und unterrichtete ab 1934 am Haarlem Muziek Instituut.[2] Nach dem Überfall der deutschen Truppen 1940 konnte er zunächst noch als Privatmusiklehrer tätig sein und Hauskonzerte veranstalten, ab 1942 lebte er isoliert in einem Versteck im Untergrund. Sein jüngerer Bruder und seine Mutter wurden verraten, deportiert und 1943 ermordet.[1] Er überlebte die Besatzungszeit und den Krieg. In den Jahren nach 1945 wurde er niederländischer Staatsbürger und arbeitete in Den Haag und Amsterdam u. a. für die Rundfunkgesellschaft VARA und als Dirigent der Hoofdstad-Operette.[2] 1964 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in Baden-Baden nieder. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz.

Werk

Zu Wilhelm Rettichs zahlreichen Werken gehören Sinfonien (u. a. „Sinfonia Giudaica“ op. 53), eine Oper („König Tod“ op. 11), ein Violinkonzert (op. 51), Kantaten („Lettisches Liederspiel“ op. 65, „Fluch des Krieges“ op. 10), Werke für Symphonieorchester und viele Lieder und Chöre (u. a. „Synagogenchöre für gemischten Chor“ op. 63a).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Rainer Licht: Wilhelm Rettich im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM), Stand: 28. November 2017
  2. a b c Diet Scholten: Wilhelm Rettich. A Survival Artist. In: Forbidden Music Regained. Abgerufen am 1. Dezember 2019 (englisch).
  3. Jürgen Schaarwächter: Der Reger-Schüler Wilhelm Rettich. In: Mitteilungen. Internationale Max-Reger-Gesellschaft, IMRG. Nr. 4, 2002, ISSN 1616-8380, S. 12–14 (imrg.de [PDF; abgerufen am 1. Dezember 2019]).