Willy A. Fiedler

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Willy Fiedler)
Fiedler (2. von rechts) auf dem Großflugtag Kassel-Waldau 1938

Willy Achim Fiedler (* 23. Januar 1908 in Freudenstadt, Schwarzwald; † 17. Januar 1998 in Los Altos Hills, Kalifornien) war ein deutschamerikanischer Raketenexperte (Konstrukteur und Testpilot).[1]

Leben

Der Sohn eines Fotografen[2] schloss 1932 sein Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart als Diplom-Ingenieur ab und arbeitete als Flugbaumeister und Testpilot. Gemeinsam mit Erich Bachem nahm er an Segelflugwettbewerben in der Rhön teil.

Seine berufliche Laufbahn begann er bei der Ruhrtaler Maschinenfabrik Schwarz & Dyckerhoff GmbH, die Bachems Schwiegervater gehörte und wo er den Hochdecker Ru 3 entwarf.[3] Danach arbeitete er bei der British Aircraft (1936) und der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin. Etwa Mitte der 1930er Jahre absolvierte Fiedler eine Ausbildung zum „Flugbaumeister“, einem neugeschaffenen Beruf, der die Arbeit in Versuchsprogrammen von Industrie und Staat unter anderem als Testpilot vorsah und die er 1937 abschloss.[4] 1938 wurde er Chefpilot der Mustererprobung bei den Fieseler-Werken in Kassel. Am 9. Juli 1941 führte er in Kassel-Waldau den Erstflug mit der Fi 256 V1 durch.[5]

Im Zweiten Weltkrieg war er in Peenemünde maßgeblich an der Entwicklung der deutschen „VergeltungswaffeV1 beteiligt, Erprobungsleiter, und flog selbst die bemannte Flugbombe V1. Seine Abteilung in Berlin-Schönefeld nannte sich Segelflug Reichenberg GmbH. In kürzester Zeit entstand die einsitzige Fi 103 (Reichenberg III). Auf dem Flugplatz Lärz bei Rechlin begann die Flugerprobung. Fiedler saß selbst am Steuerknüppel, als das erste bemannte Gerät von einer He 111 auf Höhe geschleppt wurde. Als erfahrenem Einflieger gelang ihm eine glatte Landung aus dem Gleitflug trotz sehr hoher Landegeschwindigkeit. Dann wurde die weitere Erprobung von verschiedenen Piloten, wie Heinz Kensche und Hanna Reitsch, übernommen.[6]

1942 war er Mitbegründer der Bachem-Werke und 1944 entwickelte er zusammen mit Erich Bachem, nach einer Idee von Wernher von Braun von 1939, die Natter.[7] Am 1. September 1944 wurde er mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes (mit Schwertern) dekoriert.

1948 emigrierte er mit seiner vierköpfigen Familie in die USA, um am United States Naval Missile Test Center in Point Mugu in der Raketenentwicklung zu arbeiten, zunächst zusammen mit Robert Lusser an der Republic-Ford JB-2 (Loon). Er diente als Berater bei der Regulus und der SM-62 Snark von Northrop.

Im Sommer 1955 besuchte er mit seinem Freund Sydney Sharp eine militärisch-industrielle Konferenz, bei der die US-Navy ankündigte, größere U-Boote bauen zu wollen, von denen gelenkte Raketen gestartet werden können. Das Thema, wie diese unter Wasser gestartet werden könnten, war noch nicht durchdacht. Fiedler schlug vor, sie mit Pressluft aus den Röhren zu schießen und danach die Raketenmotoren zu starten.[8] 1956 wurde er von der Firma Lockheed engagiert, die gerade den Entwicklungsauftrag für die Mittelstreckenrakete Polaris erhalten hatten. Er arbeitete dort in der neu gegründeten Raketen- und Raumfahrtabteilung in Sunnyvale, wurde 1958 Chef-Wissenschaftler und half bei der Entwicklung der Polaris und Poseidon. 1973 ging er in den Ruhestand.

Verheiratet war er von 1937 bis zu ihrem Tod mit Greta E. Fiedler, geborene Lange (* 16. Juni 1914; † 22. August 1993, Töchter: Petra, Monika und Karen).[9] In zweiter Ehe heiratete er Monica Lambrecht[10], Tochter von Herbert Wagner. Seine Aufzeichnungen ab 1933 lagern in den Hoover Institution Archives der Stanford University.[11]

Literatur

  • Wilhelm Hellmold: Die V 1. Bechtle, 1993, S. 114, S. 151.
  • Who’s who in world aviation and astronautics. Band 2, 1958, S. 158.

Einzelnachweise

  1. Archivlink (Memento vom 12. August 2014 im Internet Archive) ,
  2. https://wabw.uni-hohenheim.de/76316
  3. Karlheinz Kens: Ruhrtaler Ru 3. In: Classic Scale: Historische Flugzeuge bis 1945. Band 1. Modellsport Verlag, Baden-Baden 2011, ISBN 3-923142-39-0, S. 119/120.
  4. Rolf Nagel, Thorsten Bauer: Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923. Bernecker, Melsungen 2015, ISBN 978-3-87064-147-4, S. 118/119.
  5. http://www.fliegerweb.com/geschichte/flugzeuge/lexikon.php?show=lexikon-463
  6. http://www.aer.ita.br/~bmattos/mundo/ww2/fieseler_fi103_reichenberg.htm@1@2Vorlage:Toter Link/www.aer.ita.br (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  7. Archivlink (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  8. http://www.scientistsandfriends.com/rockets3.html
  9. http://www.losaltosonline.com/index.php?option=com_content&task=view&id=5305&Itemid=56
  10. http://www.losaltosonline.com/index.php?option=com_content&task=view&id=5305&Itemid=56
  11. http://cdn.calisphere.org/data/13030/hs/kt9r29s1hs/files/kt9r29s1hs.pdf