Wirtschaftsorganisation Ost

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Die Wirtschaftsorganisation Ost war mit etwa 20.000 Mitarbeitern eine der größten wirtschaftlichen Behörden des Deutschen Reiches im Nationalsozialismus. Ihre Aufgabe bestand in der Ausbeutung der im Deutsch-Sowjetischen Krieg besetzten Gebiete. Hauptziel war, Treibstoff und Getreide zu beschaffen, die betriebliche Produktion zu steigern, der Einsatz der Zivilbevölkerung als Zwangsarbeiter vor Ort oder die Verschleppung als Ostarbeiter ins Reich. Ziel war, die Wehrmacht möglichst aus dem besetzten Land zu versorgen, die Kriegsproduktion zu erhöhen und die deutsche Bevölkerung zu ernähren.[1]

Gründung

Am 19. Februar 1941 besprachen Adolf Hitler und Reichsmarschall Hermann Göring, wie die Besatzungspolitik im geplanten Krieg gegen die Sowjetunion auszurichten sei. Die Vorlage des OKH sah eine reine Militärverwaltung vor, die wirtschaftlichen Fragen eine nur geringe Bedeutung zumaßen. Vom Leiter des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes, General Georg Thomas im OKW, lag dagegen eine Denkschrift zu den wirtschaftlichen Fragen der Operationen im Osten vor.

Thomas erhielt den Auftrag, die konzeptionellen Grundlagen für die „Wirtschaftsorganisation Ost“ zu entwickeln. Sie sollte alle zivilen wirtschaftlichen Ressorts der Besatzungsverwaltung und auch die entsprechenden Dienststellen der Wehrmacht zusammenfassen. Auf diese Weise sollte unter der Schirmherrschaft Görings die bisher bestehende weitgehende Autonomie der drei Wehrmachtteile beschnitten werden, sowie die Kompetenzen des Reichswirtschaftsministeriums im besetzten Gebiet beschränkt werden. OKW und Vierjahresplanbehörde sollten unter Einschaltung der Industrie eine einheitliche Wirtschaftsverwaltung errichten. Nach Thomas' Organisationsentwurf bestand die "Hauptaufgabe der Organisation in der Erfassung von Rohstoffen und in der Übernahme aller wichtigen Betriebe. Für die letzte Aufgabe würden zweckmäßigerweise von Anfang an zuverlässige Persönlichkeiten deutscher Konzerne eingeschaltet werden, da nur mit Hilfe ihrer Erfahrungen von Beginn an erfolgreiche Arbeit geleistet werden könne (z. B. Braunkohle, Erz, Chemie, Erdöl)."[2]

Die Außenorganisation der Wirtschaftsverwaltung sollte noch während der Kampfhandlungen aufgebaut werden und dem Militär unterstehen.

Der Personalbestand der Wirtschaftsorganisation Ost in den besetzten Gebieten der UdSSR, das ein fast doppelt so großes Territorium wie das Reichsgebiet umfasste, betrug im November 1942 mehr als 18.000 Mann, davon 10.000 Landwirtschaftsführer und 8.000 Soldaten und Offiziere. Im Vergleich dazu wurden im Deutschen Reich und allen anderen besetzten Gebieten zur Lenkung der Rüstungs- und Kriegswirtschaft zusammen nur 16.000 Mann eingesetzt.[3]

Wirtschaftsstab Ost

Göring genehmigte das von Thomas entwickelte Organisationsschema am 19. März 1941. Leitendes Gremium der „Wirtschaftsorganisation Ost“ war der „Wirtschaftsstab Ost“. Er wurde von Generalleutnant Wilhelm Schubert (25. März 1941 bis 30. Juni 1942) bzw. General Thomas (1. Juli bis zum 2. August 1942, kommissarisch) geleitet. Nachdem Thomas zurückgetreten war, wurde sie von General der Infanterie Otto Stapf (ab 3. August 1942) geführt, der unmittelbar unter den Befehl Keitels trat.

Die wichtigsten Fachabteilungen des Wirtschaftsstabes Ost bildeten die Chefgruppen Landwirtschaft (La), Militär (M) und Wirtschaft (W). Das Schwergewicht der Arbeit lag bei den zivilen Fachabteilungen Landwirtschaft und Wirtschaft, die weitgehend von den entsprechenden Reichsbehörden dirigiert wurden. So wurde die wichtige Chefgruppe Landwirtschaft von dem Ministerialdirektor im Reichsernährungsministerium, Hans-Joachim Riecke, Parteimitglied seit 1925 und Gruppenführer der SA, geleitet. Ministerialdirektor Gustav Schlotterer, einer der engsten Mitarbeiter von Reichswirtschaftsminister Walther Funk, übernahm die Chefgruppe Wirtschaft.[4]

Zur besseren Koordination der wirtschaftlichen Maßnahmen gehörten die Abteilungsleiter des Wirtschaftsstabes Ost seit Herbst 1941 auch dem Ostministerium an.

Bis 1943 war der größte Teil von Aufgaben und Personal des Wirtschaftsrüstungsamtes des OKW an das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition gegangen. Sein verbliebener Rest wurde zum „Feldwirtschaftsstab“ umbenannt und am 15. Oktober 1944 mit der Wirtschaftsorganisation Ost zusammengelegt.

Außenorganisation in den Besatzungsgebieten

Der Wirtschaftsorganisation Ost unterstanden fünf Wirtschaftsinspektionen (WiIn), die ihrerseits 23 Wirtschaftskommandos und 12 Außenstellen im besetzten Gebiet der Sowjetunion leiteten. Die Wirtschaftsinspektionen im Heeresgebiet wurden den Heeresgruppenkommandos zugeordnet.

Für die in den Gebieten der Zivilverwaltung errichteten „Rüstungsinspektionen“ (Reichskommissariat Ostland, Reichskommissariat Ukraine) war der Wirtschaftsstab Ost nicht zuständig.

Die Wirtschaftskommandos stützten sich bei ihrer Arbeit auf Dienststellen der Abteilung IV Wi (Wirtschaft) bei den Feldkommandanturen und den Armeeoberkommandos. Bei den in der folgenden Grafik aufgeführten Außenstellen handelt es sich um geplante Einsatzgrenzen der Wirtschaftsinspektionen.[5]

Wi Fü Stab Ost → Wi Stab Ost → Wi Inspektionen → Wi Kdos → Außenstellen
Murmansk Archangelsk
Nord (Riga) Petersburg Wologda
Reval
Riga
Wilna
Mitte (Moskau) Gorkij
Moskau Rybinsk
Jaroslaw
→Tula Brjansk
Minsk
Süd (Kiew) Charkow Kursk
Woronesch
Stalingrad
Rostow am Don
→Stalino
Kiew
Dnepropetrowsk Kertsch
Sewastopol
Odessa
Kischinew
Lemberg
z. b. V. (Hessen) →z. b. V. →z. b. V.
→z. b. V.
→z. b. V. (Westfalen) Grosny
Baku
Tiflis Batumi
Krasnodar

Abkürzungen und Symbole:
Wi Fü Stab: Wirtschaftführungsstab
Wi Stab: Wirtschaftsstab
Wi Kdo: Wirtschaftskommando
→: Unterstellung

Wirtschaftsunternehmen

Eine Vielzahl von privaten oder halbstaatlichen Ostgesellschaften wurden befristet zu Treuhändern erklärt, die Monopole für ganze Branchen erhielten, unter anderen:

Mit den Ölquellen auf sowjetischem Gebiet befasste sich die schon länger bestehende Kontinentale Öl AG. Außerdem wurde eine Vielzahl von Treuhändern für Einzelbetriebe ernannt.

Nach eigenen Angaben erfasste die ZO bei einem Umsatz von 3 Milliarden Reichsmark bis zum 31. März 1944 unter anderem 9,2 Millionen Tonnen Getreide (einschließlich 0,2 Millionen Tonnen Hülsenfrüchte), von denen 5,7 Millionen Tonnen an die Wehrmacht gingen und 1,1 Millionen Tonnen an deutsche Dienststellen und die einheimische Bevölkerung.[6]

Wirtschaftsführungsstab Ost

Dem Wirtschaftsstab Ost wurde ein „Wirtschaftsführungsstab“ (WiFüStOst) vorangestellt. Er hatte die Aufgabe, diese Behörde über ihr Leitungsgremium „Wirtschaftsstab Ost“ mit den Behörden des Vierjahresplans zu koordinieren.

Der Vorsitz im WiFüStOst oblag Göring und seinem Stellvertreter, dem Staatssekretär Paul Körner vom Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan

General Wilhelm Schubert, 1941

Neben Göring und Körner waren die ursprünglichen ständigen Mitglieder:[7]

dem Federführung und praktische Arbeit oblagen, und dem Generalleutnant Wilhelm Schubert unterstellt war.

Bald danach kamen weitere ständige Mitglieder des WiFüStOst hinzu:[8]

Im Wirtschaftsführungsstab Ost wurde die so genannte Grüne Mappe erstellt, die alle wesentlichen ökonomischen Daten des zu erobernden Gebietes und die wichtigsten Zielsetzungen für dessen wirtschaftliche Ausbeutung enthielt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bundesarchiv: Wirtschaftsstab Ost - Einleitung, abgerufen am 3. Juni 2015.
  2. Dok. PS-1317, Aktennotiz üb(er) Besprechung bei Thomas am 28. Februar 1941, vom 1. März 1941, in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg, 14. November 1945 – 1. Oktober 1946 (IMG), Bd. 27, Nürnberg 1948, S. 170; siehe auch Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Band 1, S. 233.
  3. Rolf-Dieter Müller (Hrsg.): Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941–1943. Der Abschlussbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew. Boldt, Boppard am Rhein, 1991, S. 2.
  4. Rolf-Dieter Müller: Von der Wirtschaftsallianz zum kolonialen Ausbeutungskrieg. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Band 4: Der Angriff auf die Sowjetunion. Deutsche Verlags-Anstalt, Deutsch-Verlags-Anstalt, Stuttgart 1983, S. 98–189, hier S. 131.
  5. Zu den Daten der Grafik siehe: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg, 14. November 1945 – 1. Oktober 1946, Bd. 27, Nürnberg 1948, S. 32–38, Dok. 1157-PS, Besprechung des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes über den Wirtschaftsstab Oldenburg, 29. April 1941; vgl. auch Rolf-Dieter Müller: Von der Wirtschaftsallianz zum kolonialen Ausbeutungskrieg. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Band 4: Der Angriff auf die Sowjetunion, S. 135 (dort Grafik: Die geplanten Einsatzgrenzen der Wirtschaftsinspektionen.)
  6. Hans Umbreit: Die deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten 1942-1945, in: Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit(Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs Band 5/2: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942 bis 1944/45. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-06499-7, S. 201.
  7. Alex J. Kay: Verhungernlassen als Massenmordstrategie. Das Treffen der deutschen Staatssekretäre am 2. Mai 1941. In: Zeitschrift für Weltgeschichte, 11. Jg. (2010), Heft 1, S. 81–105, hier S. 90.
  8. Kay: Verhungernlassen als Massenmordstrategie, S. 90–91 u. 100.

Weblinks

Literatur

  • Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Band 1. (= Nachdr. der Ausg. Berlin, Akademie-Verlag, 1969–1996, erg. durch ein Vorwort und Gesamtregister) K.G. Saur Verlag, München 1999, ISBN 3-598-11428-1.
  • Alex J. Kay: Verhungernlassen als Massenmordstrategie. Das Treffen der deutschen Staatssekretäre am 2. Mai 1941. In: Zeitschrift für Weltgeschichte, 11. Jg. (2010), Heft 1, S. 81–105.
  • Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs, Band 5/1: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1939 bis 1941. Hrsg.: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06232-3.
  • Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs Band 5/2: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942 bis 1944/45. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-06499-7.
  • Rolf-Dieter Müller (Hrsg. u. Einleitung): Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941-1943. Der Abschlussbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew. Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1991, ISBN 3-7646-1905-8.
  • Rolf-Dieter Müller: Von der Wirtschaftsallianz zum kolonialen Ausbeutungskrieg. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Band 4: Der Angriff auf die Sowjetunion. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06098-3, S. 98–189, (hier S. 129–136: Der Aufbau der Wirtschaftsorganisation Ost.)
  • Norbert Müller: Okkupation, Raub, Vernichtung. Militärverlag der DDR, Berlin 1980, S. 49 f.