Wolfgang Benedek

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Wolfgang Benedek (* 14. Februar 1951 in Knittelfeld, Steiermark) ist ein österreichischer Jurist und Autor.

Benedek ist Universitätsprofessor für Völkerrecht im Ruhestand. Er war von 2003 bis 2016 Leiter des Instituts für Völkerrecht und internationale Beziehungen an der Universität Graz und ist Mitbegründer des ETC Graz (Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie) sowie des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie an der Universität Graz (UNI-ETC) und langjähriger Obmann von WUS Austria.[1] Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Leben

Nach Studien der Rechtswissenschaften und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Volkswirtschaft übernahm Benedek 1974 eine Stelle als Vertrags- bzw. Universitätsassistent am Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität Graz. 1988 habilitierte er sich an der Universität Graz bei Konrad Ginther über „Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht“ und erhielt die Venia für Völkerrecht und das Recht der internationalen Organisationen.[2]

Seit 2002 ist er Universitätsprofessor am Institut für Völkerrecht, dessen Leiter er von 2003 bis 2016 war.[3][4] Er unterrichtet außerdem an der Diplomatischen Akademie in Wien, und im regional-europäischen Masterprogramm für Menschenrechte und Demokratie in Sarajewo sowie an den Universitäten Venedig und Laibach.

Neben seiner Forschung zum internationalen Entwicklungs- und Wirtschaftsvölkerrecht hat Benedek zum internationalen und regionalen Menschenrechtsschutz, zum Flüchtlings- und Asylrecht sowie zum Konzept der menschlichen Sicherheit (human security) publiziert. Die Beschäftigung mit der Beziehung zwischen digitalen Räumen und den Menschenrechten bildet einen weiteren Forschungsfokus Benedeks.[5] In diesem Zusammenhang war Benedek unter anderem an der Erstellung der Charter of Human Rights and Principles for the Internet (Version 1.1, August 2014) beteiligt.[6] Von 2019 bis 2021 leitete er ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zu Online Hate Speech.[7]

Weiters tritt Benedek als Initiator und Leiter wichtiger außeruniversitärer Institutionen, mit Schwerpunktsetzung Südosteuropa auf: Als Obmann von World University Service (WUS) Austria entwickelte Benedek seit 1992 umfangreiche Hilfs- und Kooperationsaktivitäten zugunsten von Universitäten, vor allem Bosnien und Herzegowinas, Montenegros, des Kosovo und Serbiens. Mit seiner Unterstützung kam es zur Gründung einer Reihe von universitären Menschenrechtszentren in diesem Raum, die in der Folge mit Hilfe eines EU-Projektes zu einem Netzwerk von insgesamt neun Zentren verbunden wurde. Die Koordination übernahm dabei das auf seine Initiative im Jahr 2000 errichtete Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC) in Graz, welches er bis 2010 leitete und in dessen Rahmen eine Vielzahl von Trainings- und Forschungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte abgewickelt werden. Für seine Tätigkeit im Bereich der Universitätskooperation mit Südosteuropa erhielt er unter anderem die Ehrenbürgerschaft der Stadt Sarajevo sowie Ehrendoktorate der Universitäten Pristina und Sarajevo.[8]

Auch im afrikanischen Raum trug Benedek zum Aufbau institutioneller Zusammenarbeit bei und leitete internationale Bildungs- und Kooperationsprojekte. Von 1993 bis 1999 leitete er den Postgraduiertenlehrgang über "Human Rights of Women" in Stadtschlaining und in Kampala, Uganda. Im Rahmen von APPEAR (Austrian Partnership for Higher Education and Research in Development Project) und AAPHRE (Advanced Academic Partnership on Legal and Human Rights Education) wurden Kooperationen zwischen dem Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, der School of Law and Federalism der Ethiopian Civil Service University und dem Menschenrechtszentrum der Addis Abeba University geknüpft.[9]

Als Konsulent bzw. Experte war er für die Afrikanische Kommission für die Rechte des Menschen und der Völker in Banjul, Gambia, für UNITAR in New York, für das UN-Menschenrechtszentrum in Genf, für die Europäische Gemeinschaft in Brüssel, für die UNESCO in Paris und für den Europarat in Straßburg tätig. Als Experte begleitete er die Stadt Graz bei ihrer Erklärung zur Menschenrechtsstadt im Jahr 2001. Von der Einrichtung des Menschenrechtsbeirates der Stadt Graz im Jahr 2007 bis 2011 war er dessen Vorsitzender.[10]

Die OSZE setzte Benedek 2018 im Rahmen des Moskauer Mechanismus als Berichterstatter für Tschetschenien ein. In seinem Bericht stellte Benedek schwere Menschenrechtsverletzungen gegen sexuelle Minderheiten und Menschenrechtsaktivisten fest.[11] Im September 2020 setzte die OSZE Benedek erneut als Berichterstatter ein, um den weit verbreiteten Behauptungen über eine sich verschlechternde Menschenrechtslage und möglichen Wahlfälschungen in Belarus nachzugehen. Daraufhin legte er am 5. November 2020 seinen Untersuchungsbericht dem Ständigen Rat der OSZE in Wien vor, in dem er umfangreiche Menschenrechtsverletzungen feststellte und die Wahlen für weder transparent noch fair erklärte.[12] Schließlich formulierte er seinem Mandat entsprechend über 80 Empfehlungen, die sich vorwiegend an Weißrussland, aber auch die OSZE und die internationale Gemeinschaft richten.[13][14] Mit der Entschließung des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen von 9. November 2020 wurde Benedek erneut zum Mitglied des Ständigen Schiedshofes in Den Haag ernannt.[15]

Benedek kommentiert regelmäßig Menschenrechtsfragen in der Kleinen Zeitung („Tribüne“) und anderen Medien. Er äußerte sich wiederholt in Leserbriefen und Interviews kritisch zur restriktiven Flüchtlings- und Asylpolitik europäischer Staaten.[16][17]

In die Kritik geriet Benedek ab dem Jahr 2019 aufgrund seiner angeblich mangelnden Distanzierung von der antiisraelischen BDS-Bewegung.[18][19] Einen weiteren Kritikpunkt an Benedek bildete auch seine angebliche Nähe zur immer wieder kritisierten propalästinensischen Steirischen Friedensplattform.[20] Dieser Organisation wird u. a. der Gebrauch antisemitischer Stereotype vorgeworfen.[21] Im Jahr 2018 erschien auf der Homepage der Friedensplattform ein Gastkommentar, der für den 2017 wegen Terrorismus und anderer Straftaten verurteilten Abu H. Partei ergriff.[22] Benedek bezeichnete die Steirische Friedensplattform zwar als “durchwegs seriös”, erklärte aber auch, dass er sie “nicht unterstützte”, man sich mit ihr dennoch “auseinandersetzen müsse”. Er trete nur für die Meinungsäußerungsfreiheit israelkritischer Gruppen ein. Nach Bekanntwerden des genannten Artikels über Abu H. gab Benedek an, den Fall nicht zu kennen. Benedek betonte aber auch, dass es Gesinnungsjustiz, wie das der fragliche Artikel insinuiere, in Österreich nicht gebe.[23] Neos und Freiheitliche forderten im Zusammenhang mit diesen Medienberichten seine Entfernung aus dem Grazer Menschenrechtsbeirat.[24] Der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz Elie Rosen schloss sich der Forderung an.[25] Der Bürgermeister der Stadt Graz, Siegfried Nagl, stellte jedoch klar, dass er dafür keinen Anlass sehe und lobte, dass der Menschenrechtsbeirat in sensiblen Zonen stets den Dialog suche.[26]

Ehrungen und Auszeichnungen

  • Ehrendoktorat der Universität Sarajevo
  • Ehrendoktorat der Universität Pristina
  • Ehrenbürgerschaft der Stadt Sarajevo[27]
  • Anerkennungspreis der Bruno-Kreisky-Stiftung (mit WUS Austria)[28]
  • Großes Ehrenzeichen des Landes Steiermark (im Februar 2011 als Protest gegen den Beschluss eines generellen Bettelverbots in der Steiermark temporär zurückgegeben: „für die Zeit, bis der steirische Landtag oder der Verfassungsgerichtshof das generelle Bettelverbot aufhebt“; die Aufhebung des Verbots durch den öst. Verfassungsgerichtshof erfolgte im Jahr 2013)[29]
  • Bürger der Stadt Graz (2015)[30]
  • Humanitätspreis des Roten Kreuzes aus der Heinrich-Treichl-Stiftung (2016)[31]

Schriften (Auswahl)

Weblinks

Belege

  1. WUS Austria |. Abgerufen am 10. Februar 2021 (englisch).
  2. Lebensläufe und Publikationslisten - Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  3. Mit Stimme und Stärke. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  4. ETC Graz: Wolfgang Benedek. 10. Juli 2019, abgerufen am 10. Februar 2021.
  5. Tatort Internet. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  6. IRPC Charter. In: Internet Rights and Principles Coalition. Abgerufen am 10. Februar 2021 (amerikanisches Englisch).
  7. NoHate@WebStyria. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  8. Mitteilungsblatt der Universität Graz. (Memento vom 11. Juni 2012 im Internet Archive). 21. Jänner 2004. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  9. project131 - AAPLHRE. Abgerufen am 10. Februar 2021 (englisch).
  10. Neuer Vorsitz im Grazer Menschenrechtsbeirat. (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive). Website der Stadt Graz. Abgerufen am 4. August 2014.
  11. 07 37 Uhr, 21 Dezember 2018: Grazer Völkerrechtler: OSZE-Bericht bestätigt Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. 21. Dezember 2018, abgerufen am 10. Februar 2021.
  12. Von Nina Koren | 05 30 Uhr, 17 November 2020: Im Interview: Wolfgang Benedek: „Die Wahl in Weißrussland muss wiederholt werden“. 17. November 2020, abgerufen am 5. Mai 2021.
  13. OSCE Rapporteur’s Report under the Moscow Mechanism on Alleged Human Rights Violations related to the Presidential Elections of 9 August 2020 in Belarus. Abgerufen am 10. Februar 2021 (englisch).
  14. ORF at/Agenturen red: Grazer Jurist beurteilt Menschenrechtslage in Weißrussland. 13. Oktober 2020, abgerufen am 10. Februar 2021.
  15. Univ.-Prof.i.R Wolfgang Benedek erneut zum Mitglied des Ständigen Schiedshofes in Den Haag ernannt. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  16. Rechtspopulisten haben einen engen Menschenrechtsbegriff. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  17. ASYLKOORDINATION ÖSTERREICH Asylorganisationen fordern klares Bekenntnis zum Flüchtlingsschutz de. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  18. Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz: Präsident der Jüdischen Gemeinde fordert Rücktritt Wolfgang Benedeks. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  19. DIE MENSCHENRECHTE ALS DECKMANTEL Erklärung der Gesellschaft der Freunde der Jüdischen Gemeinde Graz. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  20. Steirische "Friedensplattform", Antisemitismus und Israelhass. Abgerufen am 5. Mai 2021 (deutsch).
  21. PressReader.com - Zeitungen aus der ganzen Welt. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  22. http://www.friedensplattform.at/?p=4842. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  23. Von Hans Breitegger | 05 00 Uhr, 18 Februar 2020: Eklat: Grazer Menschenrechtsbeirat: Jüdische Gemeinde lehnt Mitglied ab. 18. Februar 2020, abgerufen am 10. Februar 2021.
  24. Freiheitsforderung für Terrorist sorgt für Wirbel. Abgerufen am 20. Oktober 2020.
  25. Steirische Plattform will Freiheit für Terroristen. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  26. Bernd Hecke, Gerald Winter-Pölsler, Das harte Match um Menschenrechte, Kleine Zeitung Steiermark, 22. April 2021
  27. Kurzbiographie Wolfgang Benedek (Memento vom 15. Januar 2013 im Webarchiv archive.today). Website der Universität Graz. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  28. Preisträger Bruno Kreisky Preis. Website der Bruno Kreisky Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  29. Bettelverbot: Völkerrechtler gibt Ehrenzeichen zurück Die Presse.com vom 16. Februar 2011, abgerufen am 16. Februar 2011; vollständiger Text des Zurücklegungs-Briefes in: derstandard.at 15. Februar 2011, abgerufen 1. März 2011.
  30. Stadtportal der Landeshauptstadt Graz, Sabine Reszler: BürgerInnen der Stadt Graz - Stadtportal der Landeshauptstadt Graz. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  31. Humanitätspreis des Roten Kreuzes aus der Heinrich-Treichl-Stiftung