World Inequality Report

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Der World Inequality Report, dt. Bericht zur weltweiten Ungleichheit, ist ein Bericht des World Inequality Lab der École d’Économie de Paris, der aufgrund der Daten der World Wealth and Income Database (WID) die globale Einkommens- und Vermögensungleichheit schätzt.[1] Die Darstellung von Ausmaß und Entwicklung der wirtschaftlichen Ungleichheit ist Grundlage der öffentlichen Diskussion des Themas und möglicher politischer Maßnahmen zur Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichheit.

Der erste Bericht wurde unter dem Titel World Inequality Report 2018 am 14. Dezember 2017 während der ersten WID.world Conference an der École d’Économie de Paris veröffentlicht. Er wurde von Facundo Alvaredo, Lucas Chanel, Thomas Piketty, Emmanuel Saez und Gabriel Zucman editiert. Der Bericht beschreibt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich seit 1980 rund um den Globus zugenommen hat. In Europa nahm die Ungleichheit weniger stark zu, während in Nordamerika und Asien der Anstieg rasch erfolgte. Im Nahen Osten, in Afrika und in Brasilien verharrte die Einkommensungleichheit auf sehr hohem Niveau. Am größten ist sie im Nahen Osten, wo die obersten 10 % der Bevölkerung 60 % des Nationaleinkommens erhalten.

World Inequality Lab

Am World Inequality Lab – angesiedelt an der École d’Économie de Paris – arbeiten mehr als 100 Forscher aus mehr als 70 Ländern zusammen an der Fortschreibung und Erweiterung der World Wealth and Income Database (WID).[2] Mittels der Daten der WID werden Berichte zur Ungleichheit und Arbeitspapiere zu inhaltlichen und methodischen Fragen erstellt. Die WID will ein Informationszentrum für die akademische Forschung[3][4] und die breite Öffentlichkeit sein.[5] Die WID ist eine Open-Source-Datenbank.

Ausgangspunkt war die World Top Incomes Database (WTID). Diese fokussierte sich auf die Konzentration des Reichtums der obersten zehn Prozent in einer bestimmten Bevölkerung.[6] Die erste WID von 2013, die im September 2013 in ein Open-Source-Repository gestellt wurde, wurde von Facundo Alvaredo, Anthony B. Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez und Gabriel Zucman zusammengestellt.[7] Bis zum Jahr 2015 lieferte das WID Datenreihen zur Verteilung von Einkommen und Vermögen in dreiunddreißig Ländern, hauptsächlich aus Amerika und Europa. Damals bestand schon die Absicht, Datenreihen für weitere vierzig Länder aufzunehmen.

Von 2016 bis 2017 studierten Piketty, Saez und Zucman im Rahmen des Centers for Equitable Growth (CEG) 2015 Verteilungsstatistiken der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Vereinigten Staaten. Die Verteilungen von Einkommen und Vermögen vor Steuern und nach Steuern werden mittels der nationalen Einkommens- und Produktkonten und dem Zahlungsmittelfluss der Vereinigten Staaten untersucht.[6][8][9][10][11]

Bericht zur weltweiten Ungleichheit 2018

Ziel des Berichts ist es, den gesellschaftlichen Handlungsträgern die Fakten für eine informierte öffentliche Debatte zum Thema Ungleichheit bereitzustellen. Ziel sei es nicht, einen gesellschaftlichen Konsens zum Thema Ungleichheit herzustellen. Dazu werde es niemals kommen, einfach weil sich das ideale Ausmaß an Ungleichheit nicht wissenschaftlich bestimmen lasse. Derartige Entscheidungen müssten demokratisch ausgehandelt werden. Dazu brauche man aber die vorgelegten gründlichen und transparenten Informationen zu Einkommen und Vermögen.[12] Der 300 Seiten starke Bericht umfasst fünf Teile. Teil I beschreibt Ziele und Methoden[13] zur Messung der wirtschaftlichen Ungleichheit; Teil II beschreibt die Entwicklungen der Einkommensungleichheit, zuerst auf globaler Ebene, anschließend auf Länderebene für die USA, Frankreich, Deutschland, China, Russland, Indien, Nahost, Brasilien und Südafrika; Teil III stellt die Dynamiken der Entwicklung der öffentlichen und der privaten Vermögen dar; Teil IV beschreibt die Entwicklung der globalen Vermögensungleichheit; Teil V beschreibt Szenarien der möglichen zukünftigen Entwicklung und diskutiert Instrumente zur Bekämpfung der Ungleichheit.

Erste WID.world Konferenz

Die Konferenz fand am 14. und 15. Dezember in Paris statt. Sie wurde von der École d’Économie de Paris, dem Institute for New Economic Thinking New York, dem Washington Center for Equitable Growth (CEG), der Ford Foundation und dem Europäischen Forschungsrat getragen. Neben der Veröffentlichung des Berichts[14] wurden eine Reihe von Forschungspapieren über Einkommen und Vermögensungleichheit präsentiert.[15]

Medienberichterstattung

Innerhalb von Tagen nach der Veröffentlichung wurde der Bericht in verschiedenen Artikeln in der New York Times, im Guardian, der Financial Times und anderen Medien aufgenommen.[16][17][18][19]

Laut der New York Times spielen politische Programme eine große Rolle. Eine aggressivere Umverteilung durch Steuern und Transfers habe Europa vor den akuten Disparitäten bewahrt, an die sich die Amerikaner gewöhnt haben. Der ungleiche Zugang zu Bildung trage dazu bei, die Ungleichheit in den Vereinigten Staaten über die Generationen hinweg zu reproduzieren. Der New York Times-Artikel stellt auch fest, dass sich Chinas Strategie – basiert auf gering qualifizierten Fertigungen für den Export und auf aggressiven Investitionen in die Infrastruktur – bei der Anhebung des Lebensstandards für die untere Hälfte der Bevölkerung als wirksamer erwiesen hat als die eher nach innen gerichtete Strategie Indiens, die die Vorteile der Globalisierung auf die gut ausgebildete Elite begrenzt hat.

Tetlow von der Financial Times beschreibt die Ungleichheit als das bestimmende Merkmal unserer Zeit, in der die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Der Artikel in der India Times lenkt die Aufmerksamkeit auf die Art und Weise, wie Reformen in Indien seit den 1980er Jahren vorangetrieben werden; dies habe zu einem erheblichen Anstieg der Ungleichheit geführt, so dass die Spitzenverdiener von 0,1 % weiterhin mehr Wachstum verzeichnen als alle in den unteren 50 % zusammen. Gemäß Word Inequality Report erreicht die Einkommensungleichheit in Indien inzwischen historische Spitzenwerte. Im Jahr 2014 betrug der Anteil des Nationaleinkommens von Indiens Top 1 % Verdiener 22 %, während der Anteil der Top 10 % bei rund 56 % lag.

Daniel Binswanger meint in der Republik vom 20. Januar 2018, dass die WID die bisher zuverlässigsten und umfangreichsten Daten zur weltweiten Ungleichheit vorlegt. Der Bericht umfasse auch Regionen, zum Beispiel den Nahen Osten, aus denen bisher nur sehr wenige Daten zugänglich waren. Es würden nicht nur die obersten, sondern auch die mittleren und unteren Einkommens- und Vermögenskategorien erfasst, so dass jetzt eine umfassende Diskussionsgrundlage vorliege.[20]

Einzelnachweise

  1. Kurzfassung in deutscher Sprache
  2. Homepage der WID
  3. Anthony B. Atkinson, Thomas Piketty, and Emmanuel Saez, "Top Incomes in the Long Run of History," Journal of Economic Literature 49, no. 1 (2011): 3-71,
  4. Facundo Alvaredo, Anthony B Atkinson, Thomas Piketty, and Emmanuel Saez, "The Top 1 Percent in International and Historical Perspective,". Journal of Economic Perspectives 27, no. 3 (2013): 3-20.
  5. Neil Irwin: Thomas Piketty Responds to Criticism of His Data. In: New York Times. 29. Mai 2014 (Online [abgerufen am 14. Dezember 2017]).
  6. a b The World Wealth and Income Database (WID). In: Journal of World-Historical Information (JWHI). 2-3 (2). Modul:Vorlage:Handle * library URIutil invalid.
  7. Facundo Anthony, Anthony B. Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Gabriel Zucman: The World Wealth and Income Database (WID). 1. September 2013.
  8. Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Gabriel Zucman: Summary: CEG Grant: US Distributional Accounts (PDF) Juni 2015.
  9. Piketty, Thomas. 2014. Capital in the 21st Century. Cambridge: Harvard University Press.
  10. Piketty, Thomas, and Emmanuel Saez. 2003. “Income Inequality in the United States, 1913-1998,” Quarterly Journal of Economics 118(1), 1-39.
  11. Saez, Emmanuel and Gabriel Zucman. 2014.“Wealth Inequality in the United States since 1913: Evidence from Capitalized Income Tax Data,” NBER working paper 20625.
  12. Facundo Alvaredo, Lucas Chanel, Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Gabriel Zucman: World Inequality Report (2018) (PDF) S. 300. 14. Dezember 2017. Abgerufen am 14. Dezember 2017. "This report emphasizes recent research articles written by: Facundo Alvaredo Lydia Assouad Anthony B. Atkinson Charlotte Bartels Thomas Blanchet Lucas Chancel Luis Estévez-Bauluz Juliette Fournier Bertrand Garbinti Jonathan Goupille-Lebret Clara Martinez-Toledano Salvatore Morelli Marc Morgan Delphine Nougayrède Filip Novokmet Thomas Piketty Emmanuel Saez Li Yang Gabriel Zucman"
  13. Methodology Die Methoden zur Erstellung der Schätzungen sind auf der Website des Berichts verfügbar.
  14. (save the date) Release of the World Inequality Report 2018 - 14 December 2017. In: WID. Dezember 2017. Abgerufen am 14. Dezember 2017.
  15. Programm und Beiträge der WID.world Conference 2017
  16. Eduardo Porter, Karl Russell: It’s an Unequal World. It Doesn’t Have to Be. In: New York Times. 14. Dezember 2017 (Online [abgerufen am 16. Dezember 2017]): "Examining the “World Inequality Report” — published Thursday by the creators of the World Wealth and Income Database, who include the economists Thomas Piketty and Emmanuel Saez — it is tempting to see the rising concentration of incomes as some sort of unstoppable force of nature, an economic inevitability driven by globalization and technology. The report finds that the richest 1 percent of humanity reaped 27 percent of the world’s income between 1980 and 2016. The bottom 50 percent, by contrast, got only 12 percent."
  17. Rupert Neate: World's richest 0.1% have boosted their wealth by as much as poorest half. 14. Dezember 2017, abgerufen am 16. Dezember 2017: „Inequality report also shows UK’s 50,000 richest people have seen their share of the country’s wealth double since 1984“
  18. Gemma Tetlow: Is the world becoming more unequal? In: Financial Times. London, UK 13. Dezember 2017 (Online [abgerufen am 16. Dezember 2017]).
  19. ET Bureau: Indian economic inequality widened since 1980: Report. In: India Times. 14. Dezember 2017 (Online [abgerufen am 16. Dezember 2017]).
  20. Daniel Binswanger. Die Ungleichheit die wir wollen

Weblinks

Siehe auch