Wulfilabibel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Blatt 16v, enthaltend Mk 3,26–32 EU, aus dem Codex Argenteus, einer Abschrift der Wulfilabibel

Die Wulfilabibel, auch als Gotenbibel bezeichnet, ist eine von Bischof Wulfila (311–383) im 4. Jahrhundert geschaffene Übersetzung vor allem des Neuen Testamentes ins Gotische, wobei die griechische Bibel die Vorlage bildete.

Für diese Übersetzung erfand Wulfila die gotische Schrift, während die Goten bis dahin mit Runen schrieben. Die Übersetzung entstand in Nicopolis ad Istrum im heutigen Bulgarien. Sie ist die wichtigste Quelle der gotischen Sprache und gehört neben den hinsichtlich des Textumfangs viel kleineren Runeninschriften zu den ältesten schriftliche Zeugnissen einer germanischen Sprache. Daraus ergibt sich ihre große Bedeutung für die Sprachgeschichte.

Handschriften

Von der Wulfilabibel sind mehrere Handschriften aus dem 6. bis 8. Jahrhundert mit einem großen Teil des Neuen Testaments und kleinen Teilen des Alten Testaments erhalten, die hauptsächlich aus Italien stammen. Bei diesen Handschriften handelt es sich um die Purpurhandschrift Codex Argenteus (Evangelien), heute bis auf ein Blatt (Speyer-Fragment) in der Universitätsbibliothek in Uppsala aufbewahrt, den Codex Ambrosianus A bis Codex Ambrosianus E (Briefe, Skeireins, Nehemia), den Codex Carolinus (Römerbrief), den Codex Vaticanus Latinus 5750 (Skeireins), den Codex Gissensis (Trümmer des Lukasevangeliums) und die Fragmenta Pannonica, Bruchstücke einer 1 mm dicken Metallplatte mit Versen des Johannesevangeliums. Einige für die Entwicklung der Kirche wichtige Bücher wie die Apostelgeschichte tauchen in der Wulfilabibel nicht auf.

Textbeispiel aus der Wulfila-Bibel

Datei:Lord's Prayer (Gothic).ogg

Lord's Prayer in Wulfila's Gothic alphabet, with transliteration - Vaterunser in Wulfila's gotischer Schrift, mit Übertragung.jpg

Der Text des Vaterunsers (Mt 6,9–13 EU) ist im Codex Argenteus auf fol. 4 recto, letzte Zeile, und auf fol. 5 verso, Zeilen 1 bis 12, zu finden. Der nachfolgenden Abschrift ist eine Transliteration beigefügt. Zur genaueren Beschreibung der Schriftzeichen, Interpunktion und Worttrennung des Vaterunsers siehe Artikel Gotisches Alphabet.

Literatur

  • Wolfgang Krause: Handbuch des Gotischen. Handbücher für das germanistische Studium, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1963, 2., verbesserte Auflage – mit Textproben aus verschiedenen Handschriften und mit umfangreichem Wörterverzeichnis.
  • Frederick Lauritzen: Nonnos and Wulfila. In: Parekbolai. 9, 2019, S. 19–30.
  • Frederick Lauritzen: The gothic Psalter between Crimea and Bologna. In: Revue des Etudes Tardo-Antiques. 9, 2019, S. 109–120.
  • Wilhelm Streitberg (Hrsg.): Die Gotische Bibel. Erster Teil. Der gotische Text und seine griechische Vorlage. Mit Einleitung, Lesarten und Quellennachweisen sowie den kleinern Denkmälern als Anhang, Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1908
  • Elfriede Stutz: Das Neue Testament in Gotischer Sprache. In: Die alten Übersetzungen des Neuen Testaments, die Kirchenväterzitate und Lektionare – Der gegenwärtige Stand ihrer Erforschung und ihre Bedeutung für die griechische Textgeschichte: Kurt Aland (Hrsg.). Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung. 5. Auflage, De Gruyter, Berlin/Boston 1972 (Reprint 2011). ISBN 978-3-11-082701-9, S. 375–402.
  • Piergiuseppe Scardigli: Frühe Bibelübersetzungen: Gotisch. In: Harald Kittel (Hrsg.) Übersetzung-Translation-Traduction: An International Encyclopedia of Translation Studies. Mouton de Gruyter, Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-020328-8, S. 2363–2366 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 26, 2)
  • Ingeborg Poppe: Das Johannes-Evangelium des Gotenbischofs Wulfila. Aus dem Gotischen übersetzt und erläutert von I. Poppe. I. Teil: Wulfilas Johannes-Evangelium ins Deutsche übersetzt / II. Teil: Sprachliche Besonderheiten im gotischen Johannes-Evangelium Wulfilas. Edition Immanente, Berlin 2022, ISBN 978-3-942754-67-5, 128 S.

Weblinks