Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

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Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

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Staatliche Ebene Land
Aufsichtsbehörde Senatskommissarin für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau / Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz
Gründung 1981
Hauptsitz Bremen
Behördenleitung Bettina Wilhelm
Bedienstete 20
Netzauftritt https://www.frauen.bremen.de/

Die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) ist eine Behörde der Freien Hansestadt Bremen. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es darauf hinzuwirken und darüber zu wachen, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung der Frau erfüllt wird.

Rechtsgrundlage und Behördenstruktur

Rechtsgrundlage der ZGF ist das Gesetz über die Errichtung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau,[1] das ihr weitreichende Beteiligungs-, Informations-, Kontroll- und Vorschlagsrechte zuweist. Ferner hat die ZGF Aufgaben im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Frauenbeauftragten im bremischen öffentlichen Dienst nach dem Landesgleichstellungsgesetz.[2]

Die ZGF unterliegt der Dienst- und Rechtsaufsicht der Senatskommissarin für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (derzeit Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz Claudia Bernhard). Eine Fachaufsicht findet nicht statt.[3]

Landesbeauftragte für Frauen

Geleitet wird die Behörde durch die Landesbeauftragte für Frauen, ein in Bremen durch ein Gesetz vom Landesparlament verankertes Amt. Sie wird durch die Bremische Bürgerschaft gewählt und für 12 Jahre vom Senat bestellt. Als erste Bremer Frauenbeauftragte wurde im Jahre 1982 Ursel Kerstein gewählt. Ihr folgte 1994 Ulrike Hauffe. Im Jahr 2006 wurde sie für eine zweite Amtszeit bestätigt.[4] Das Amt der Landesfrauenbeauftragte wird derzeit durch Bettina Wilhelm ausgeübt. Sie ist seit der Gründung der ZGF 1981 Bremens dritte Landesbeauftragte und trat am 1. November 2017 ihr Amt an.[5]

Die Landesbeauftragte für Frauen nimmt an der Staatsrätesitzung in beratender Funktion teil und kann so an dieser zentralen Stelle Einfluss zugunsten der Gleichstellung von Frauen nehmen.

Arbeit der Behörde

Die Behörde verfügt derzeit über 20 Mitarbeiter, davon vier in Bremerhaven.[6][7] Die ZGF arbeitet schwerpunktmäßig zu den Fachbereichen Gewalt gegen Frauen, klischeefreie Berufsorientierung, Digitalisierung, Arbeit und Wirtschaft, Gesundheit, Wissenschaft sowie zu Rechtsangelegenheiten.

Sie informiert die Öffentlichkeit über frauenpolitische Themen, um den Forderungen von Frauen Nachdruck zu verleihen. Zudem unterstützt und vernetzt die ZGF Fraueneinrichtungen, Initiativen und Organisationen mit Politik und Verwaltung und bringt ihre fachliche Expertise ein. Beispielsweise leitet und koordiniert die ZGF seit 1994 das bremer forum frauengesundheit.[8] Dem Verbund gehören Vertreter aus Beratungsstellen, Projekten, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Fach- und Berufsverbänden, Kliniken, Ärzte- und Arbeitnehmerkammer, Krankenkassenverbänden, Behörden und öffentlichen Gesundheitsdiensten an. In Bremerhaven gründete die ZGF im Jahr 2012 gemeinsam mit anderen Organisationen das Netzwerk für Alleinerziehende.[9]

Im Fall von Gesetzesvorhaben nehmen Vertreterinnen der ZGF zugunsten von Frauen und Mädchen Stellung und regen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene Maßnahmen an, um Strukturen nachhaltig zu verändern. So legte die ZGF im Jahr 1989 dem Bremer Senat einen Entwurf für ein Frauenförderungsgesetz vor. Er bezieht sich auf den öffentlichen Dienst, soll aber auch Signalwirkung auf die Privatwirtschaft haben. Am 7. November 1990 mündete die Initiative in das Bremer Landesgleichstellungsgesetz (LGG).[10] Es schreibt die Förderung von Frauen fest und definiert dazu konkrete Maßnahmen. Das Gesetz war damals in Deutschland das erste seiner Art. Außerdem erstellte die ZGF im Jahr 2002 gemeinsam mit dem Senator für Finanzen ein Konzept zur Implementierung eines Gender Mainstreamings für das Land Bremen. Bei allen fachlichen Entscheidungsprozessen und Verwaltungsaufgaben der Bremer Landespolitik erfolgt nun eine Prüfung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Frauen und Männer und auf die Geschlechterverhältnisse. Gemeinsam mit dem Senator für Finanzen hat die ZGF die Federführung für die ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming.[11] Im März 2022 beschloss der Bremer Senat den Landesaktionsplan mit über 70 konkreten Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Der Aktionsplan wurde unter der gemeinsamen Federführung von ZGF und der Bremer Senatorin für Frauen erarbeitet.[12]

Zudem ist die ZGF im Land Bremen die zentrale Beschwerdestelle für sexistische Werbung auf öffentlichen Flächen. In dieser Funktion nimmt sie Beschwerden von Bürgern über anstößige Motive auf und prüft den Sachverhalt. Ihre Einschätzung gibt sie anschließend an die für die Fläche zuständige Fachbehörde weiter.[13]

Die ZGF Bremen beteiligt sich zum, jährlich am 8. März stattfindenden, Internationale Frauentag an einer offenen Arbeitsgruppe rund um den Landesfrauenrat Bremen. Die Arbeitsgruppe benennt das Motto und organisiert Veranstaltungen. In Bremerhaven ist es das dortige ZGF-Büro mit einer Reihe von Partnern, die gemeinsam ein Motto auswählen und Events dazu anbieten. Die ZGF unterstützt und begleitet die Aktivitäten in beiden Städten und veröffentlicht jährlich einen Veranstaltungskalender[14][15] im Internet mit allen Terminen zum Weltfrauentag in Bremen und Bremerhaven.

Auch an öffentlichkeitswirksamen Events und Aktionen beteiligt sich die ZGF regelmäßig. Dazu gehört beispielsweise die Teilnahme an dem weltweit stattfindenden Protest One Billion Rising,[16] der sich jährlich am 14. Februar gegen Gewalt an Frauen und Mädchen richtet. Die ZGF protestierte außerdem gegen die Bremer Schaffermahlzeit, eine traditionelle Männerveranstaltung, die nach fast 500 Jahren 2020 erstmals Schafferinnen die Teilnahme erlaubte.[17][18]

Etatkürzungen und Kritik an der Behörde

Im Januar 2010 kritisierte der damalige Bremer FDP-Fraktionschef Uwe Woltemath indirekt die Arbeit der ZGF in einem Zeitungsinterview. Um sinnvolle Einsparungen im Bremer Landeshaushalt vorzunehmen, wolle die FDP durch „eine echte Verwaltungsreform den Sektor stärken, der direkt für den Bürger arbeitet und da sparen, wo jemand nichts anderes tut als Aktendeckel zu beschriften. Die momentane Situation ist doch so, dass beispielsweise die Zentralstelle für die Verwirklichung der Rechte der Frau von der Personaleinsparungsquote ausgenommen ist, während die Öffnungszeiten der Polizeireviere aus Personalnot zurückgefahren werden.“[19]

Aufgrund des knappen Etats der Behörde, konnte das Bremer Frauenstadtbuch mit über 300 Anlaufstationen und Angeboten nicht-kommerzieller Einrichtungen für Frauen 2009 nicht wieder nachgedruckt werden und erschien erstmals nur in der Online-Version. Hierdurch blieben aus Sicht der ZGF viele Frauen von diesen Informationen ausgeschlossen, die keinen Zugang zum Internet hätten – etwa Migrantinnen, Einkommensschwache oder Seniorinnen. Eine aktualisierte Neuauflage des zuletzt 2005 mit 8000 Druckexemplaren erschienenen und zwischenzeitlich vergriffenen kostenlosen Informationswerkes fand erst Ende 2010 statt.

Die ZGF hatte nach eigenen Angaben 2009 11,6 Stellen besetzt und musste sich für das darauffolgende Haushaltsjahr auf 11,2 Stellen beschränken. Die Landesbeauftragte verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Aufgaben wie die Beratung von Senatsressorts oder die Prüfung von Vorlagen auf Geschlechtergerechtigkeit im damals laufenden Jahr 2009 von der Behörde nur noch eingeschränkt erfüllt werden konnten. In Reaktion darauf äußerte die Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann (CDU), Mitglied des Gleichstellungsausschusses der Bürgerschaft, es dürfe nicht passieren, dass die Stelle der Landesfrauenbeauftragten nur noch auf dem Papier existiere und sie nicht mehr agieren könne.[20]

Eine Modernisierung der Zentralstelle und des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) forderte 2010 der Bremer FDP-Vorsitzende Oliver Möllenstädt, damals Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion für Gleichstellungspolitik. Zwar seien immer noch mehr Männer als Frauen in den Chefetagen, in Kindergärten und Grundschulen seien Frauen aber unter sich. Die ausschließliche Ausrichtung des Gesetzes auf Frauen (d. h. die fehlende Förderung von Männern in frauendominierten Bereichen) sei in weiten Bereichen überholt.[21]

Mögliche Abschaffung der Behörde

Der Entwurf des FDP-Wahlprogramms zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft im Mai 2011 sah die Abschaffung der Behörde vor. Ihr „Eigenleben [...] als teurer, aufgeblähter und weitgehend überflüssig gewordener Behördenapparat“ müsse beendet werden. Die Aufgaben sollten nach einem Wahlerfolg der FDP von dem für Gleichstellungsfragen zuständigen Senatsmitglied wahrgenommen werden. Der bisher beschrittene Weg Bremens in der Geschlechterpolitik folgte nach damaliger FDP-Auffassung einem überkommenen Frauenbild und der unzutreffenden Vorstellung, ausschließlich Frauen seien Opfer von Geschlechterkonflikten und Diskriminierung. Umgesetzt werden sollte die Abschaffung der ZGF in einem im Wahlprogramm formulierten weitreichenden Gesamtkonzept zur Gleichstellung von Mann und Frau, das gleichermaßen auch Männer in den Blick nehmen sollte.[22] Dieses sah auch eine Abschaffung der bislang rein auf Frauen bezogenen Strukturen der Frauenbeauftragten im öffentlichen Dienst vor, zudem wäre infolge des FDP-Reduzierungskonzepts für die Parlamentsausschüsse der Ausschuss für die Gleichstellung der Frau[23] in der Bürgerschaft als eigenständiges Gremium wegfallen.[24]

Die Position der FDP Bremen änderte sich ab dem Jahr 2015, nachdem Lencke Wischhusen zur Vorsitzenden der FDP gewählt wurde. Wischhusen setzt sich prominent für frauenpolitische Themen ein.[25][26] Sie ist zudem Vorsitzende des Ausschusses für Gleichstellung der Frau des Bremer Parlamentes[27] und lobte in dieser Funktion wiederholt die Arbeit der ZGF.

Auszeichnung des ZGF-Projekts „frauenseiten.bremen.de“

Das Portal und Internetmagazin „frauenseiten.bremen.de“, das als Projekt der ZGF startete, wurde vom Bundeswirtschaftsministerium im Wettbewerb „Wege ins Netz“ als Lern- und Kommunikationsort in der Kategorie „Frauen“ im Jahr 2009 mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Auf der Internetseite schreiben Frauen zu vielfältigen Genderthemen und lernen, wie sie das Internet nutzen können. Die ausgezeichneten Projekte vermitteln nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums vorbildlich Kompetenzen im Umgang mit dem Internet. Sie leisteten damit einen aktiven Beitrag zur Digitalen Integration. Dass auch ein solches Projekt auf freiwilliger Arbeit beruhe, so die Landesfrauenbeauftragte, sei Zeichen der Zeit: „Es gibt für unsere Themen keine Sponsoren mehr, […] das war früher anders.“[28][29][30]

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gleichberechtigung-Zentralstellengesetz. Transparenzportal Bremen, abgerufen am 16. April 2016.
  2. Landesgleichstellungsgesetz. Transparenzportal Bremen, abgerufen am 16. April 2016.
  3. Senatskommissarin für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. gesundheit.bremen.de, abgerufen am 9. Dezember 2021.
  4. Pressestelle des Senats - Ulrike Hauffe: „Ich werde weiter kooperativ und unbequem sein“. Abgerufen am 9. Dezember 2021.
  5. Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) - Landesbeauftragte für Frauen. Abgerufen am 9. Dezember 2021.
  6. Internetseite der ZGF: Ansprechpartnerinnen in Bremen., Ansprechpartnerinnen in Bremerhaven. Abruf am 24. Januar 2012.
  7. Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) - Ansprechpartner/-innen Bremerhaven. Abgerufen am 9. Dezember 2021.
  8. Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) - Gremien. Abgerufen am 2. März 2022.
  9. Netzwerk Chancen für Alleinerziehende in Bremerhaven. In: familiennetz bremen. Abgerufen am 2. März 2022 (deutsch).
  10. Transparenzportal Bremen - Gesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Bremen (Landesgleichstellungsgesetz) vom 20. November 1990. Abgerufen am 2. März 2022.
  11. Gender Mainstreaming ist die Durchsetzung der Gleichstellung. Abgerufen am 2. März 2022.
  12. Nina Willborn: Schutz vor Gewalt für Frauen: Neuer Landesaktionsplan in Bremen - WESER-KURIER. 1. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
  13. Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) - Sexistische Werbung. Abgerufen am 2. März 2022.
  14. weltfrauentag-bremen.de – Weltfrauentag Bremen. Abgerufen am 2. März 2022 (deutsch).
  15. fis: Aktionen zum Weltfrauentag am 8. März - WESER-KURIER. 15. Februar 2022, abgerufen am 2. März 2022.
  16. Demonstrationen: Hunderte Menschen tanzen gegen Gewalt an Mädchen und Frauen. In: Die Zeit. 14. Februar 2022, abgerufen am 2. März 2022.
  17. Sensation in Bremen: Janina Marahrens-Hashagen wird erste Schafferin. Abgerufen am 2. März 2022.
  18. Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) - Schaffermahlzeit. Abgerufen am 2. März 2022.
  19. Bremer Anzeiger: „Es bringt nichts, auf den Bund zu zeigen“. Der Bremer FDP-Fraktiosnchef Uwe Woltemath im Gespräch. 3. Januar 2010.
  20. kreiszeitung.de: Der Gleichstellungsbeauftragten geht das Geld aus. 22. September 2009
  21. Weser Report: Pro & Contra. 17. November 2010.
  22. Das Bürgerprogramm 2011. Stark für Bremen und Bremerhaven. Wahlprogramm des FDP-Landesverbandes Bremen zur Bürgerschaftswahl 2011. Entwurf, Stand: 24. Januar 2011. S. 60f. Abgerufen am 2. Februar 2011.
  23. Bremische Bürgerschaft: Ausschuss für die Gleichstellung der Frau. Abgerufen am 2. Februar 2011.
  24. Die Parlamentsausschüsse sollten nach FDP-Vorstellungen später den genannten Senatsressorts entsprechen. Das Bürgerprogramm 2011. Stark für Bremen und Bremerhaven. Wahlprogramm des FDP-Landesverbandes Bremen zur Bürgerschaftswahl 2011. Entwurf, Stand: 24. Januar 2011. S. 33. Abgerufen am 2. Februar 2011.
  25. Silke Hellwig: Bremerin Lencke Wischhusen vereint Mutterschaft und Parlamentsmandat - WESER-KURIER. Abgerufen am 7. April 2022.
  26. Lencke Wischhusen - Fraktion der FDP Bremen in der Bremischen Bürgerschaft. In: FDP Fraktion Bremen. Abgerufen am 7. April 2022 (deutsch).
  27. Bremische Bürgerschaft: Ausschuss für die Gleichstellung der Frau. Abgerufen am 7. April 2022.
  28. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Wettbewerb "Wege ins Netz" – Preisträger 2009: Kategorie "Frauen". (Memento vom 8. Mai 2010 im Internet Archive)
  29. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Ausgezeichnete Projekte. (Memento vom 8. Mai 2010 im Internet Archive)
  30. kreiszeitung.de: Der Gleichstellungsbeauftragten geht das Geld aus., 22. September 2009