Zonen-Gaby

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Zonen-Gaby ist eine fiktive Person, die im November 1989, dem Monat des Mauerfalls, auf dem Titelbild der westdeutschen Satirezeitschrift Titanic mit einer geschälten Salatgurke und dem Ausspruch „Meine erste Banane“ zu sehen war.[1]

Hintergrund

Der Bananen-Mangel der DDR war schon lange Gegenstand westdeutscher Satire. Das Kabarett Die Stachelschweine stellte 1965 eine Folge der Sendung Was bin ich? nach, in der der prominente Gast Walter Ulbricht statt der üblichen 5 D-Mark jeweils eine Banane erhielt.[2]

Bereits vor der Grenzöffnung am 9. November 1989 entwickelte sich eine Ausreisewelle aus der DDR (im Westen jahrzehntelang als Zone bezeichnet). In deren Rahmen erreichten Zehntausende Ostdeutsche auf Umwegen die Bundesrepublik (beispielsweise über die Botschaft der Bundesrepublik in Prag oder über Ungarn, das bereits im Juni 1989 seine Grenze zu Österreich geöffnet hatte). In Westdeutschland erlangten viele eingereiste DDR-Bürger erstmals Zugang zu Waren, die auf Grund der dortigen Mangelwirtschaft im DDR-Einzelhandel nicht oder nur schwer erhältlich waren, beispielsweise Südfrüchte. In den von den Ostdeutschen nach der Grenzöffnung in großer Zahl frequentierten Supermärkten waren die Dessertbananen als Erstes ausverkauft.[3]

Die Titanic-Redakteure berieten, wie sie das Thema der DDR-Flucht satirisch aufgreifen konnten. Sie unterhielten sich dabei über Fernsehbilder, in denen Bundesdeutsche an über Ungarn ausgereiste DDR-Bürger Bananen verteilten.[4]

Titelbild

Hierauf spielte das Titanic-Cover an. Es zeigte eine lächelnde, stereotypisch „ostdeutsch“ aussehende junge Frau mit Kraushaarfrisur und Jeansbekleidung (Schnee-Jeans waren zu dieser Zeit in der DDR in Mode[5] und wurden auch als Ausreiser-Kluft bezeichnet[6]) sowie Freudentränen in den Augen. Sie hielt eine Salatgurke in der Hand, die in einer Weise geschält war, die typischerweise für Bananen verwendet wird. Die Schlagzeile lautete: „Zonen-Gaby (17) im Glück (BRD): Meine erste Banane“. Hierdurch wurde auf die dem Klischee nach fehlende Vertrautheit der Ostdeutschen mit Bananen angespielt, die durch die nun mögliche Ausreise in den Westen erstmals zugänglich wurde.

Rezeption

Das Titelblatt entwickelte sich – begünstigt durch die Aktualität im Zuge des Mauerfalls – zu einem populären Poster- und Postkartenmotiv und ist als solches noch heute weithin bekannt,[4] auch über Deutschland hinaus.[7] Der Literaturkritiker und Schriftsteller Hellmuth Karasek bezeichnete das Cover als „eine der genialsten Karikaturen“ und als „Highlight des politischen Witzes“, das „Ost und West einander näher gebracht“ habe.[8]

Gelegentlich gibt es in den deutschen Medien Presseberichte über die reale Person, die als Zonen-Gaby für das Foto Modell gestanden hatte. Sie ist in Wirklichkeit eine medizinisch-kaufmännische Angestellte aus Worms, die mit dem damaligen Chefredakteur der Titanic persönlich befreundet und damals 29 Jahre alt war.[4][7]

Weitere Titanic-Titelbilder mit Zonen-Gaby

Im Juli 2005 titelte Titanic mit einem in das Bild von 1989 hineinmontierten Kopf von Angela Merkel und der Titelzeile: „Zonen-Geli (61) im Glück (BRD): Meine erste Banane“ und spielte damit auf die Kanzlerkandidatur Merkels an.[9]

Im November 2009 zeigte die Zeitschrift Guido Westerwelle auf dem Titel, hineinmontiert in das Bild der Jeansjacke, allerdings ohne Gurke, mit dem Text "Bundes-Guido (47) im Glück (schwarz-gelb): Meine erste Banane (nicht im Bild)", eine Anspielung auf die 2004 bekannt gewordene Homosexualität des damaligen Bundesaußenministers.[10]

Im September 2015 titelte Titanic erneut mit einer Montage des Bildes von 1989, bei dem an die Seite der Zonen-Gaby ein breit grinsender Schwarzer und die neue Titelschlagzeile „Flüchtlings-Joe (52 cm) im Glück (Asyl): Meine erste Zonen-Gaby.“ hinzugefügt sind. Am Kopf der Zonen-Gaby wurde außerdem die Gedanken-Textblase „Hihi.. Banana-Joe“ eingefügt. Das Magazin spielt damit auf die Flüchtlingskrise in Europa 2015 an.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Nicole Zepter: Wer lacht noch über Zonen-Gaby? Ein Vorschlag zur Versöhnung. Tropen, 2022, ISBN 978-3-608-50506-1.

Einzelnachweise

  1. Titanic-Archiv mit Download des Heftes 11/1989 als PDF
  2. Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e. V., Katalog zur Ausstellung „Hundert Jahre deutsches Kabarett“, Teil IV, S. 83
  3. Mehr als eine Frucht. In: orf.at. 31. Oktober 2012, abgerufen am 9. April 2014.
  4. a b c Martin Zips: Titanic-Covergirl: Zonen-Gaby packt aus. In: sueddeutsche.de. 17. Mai 2010, abgerufen am 9. April 2014 (Print: Süddeutsche Zeitung vom 16. Oktober 2009).
  5. Rebecca Menzel: Jeans in der DDR. Vom tieferen Sinn einer Freizeithose, Ch. Links, Berlin 2004, S. 169 (Google Books).
  6. Dieter Herberg, Doris Steffens, Elke Tellenbach: Schlüsselwörter der Wendezeit. Wörter-Buch zum öffentlichen Sprachgebrauch 1989/90, de Gruyter, Berlin 1997, S. 133 (Google Books).
  7. a b Was macht eigentlich „Zonen-Gaby“? bild.de, 28. September 2010, abgerufen am 27. April 2013: „Das Bild machte Karriere – weltweit“
  8. Anne Hähnig: Die Zonen-Gaby hat Ost und West vereint. Interview mit Hellmuth Karasek. zeit.de, 9. Dezember 2012, S. 2, abgerufen am 27. April 2013 (Print: Die Zeit nr. 50/2012).
  9. Titanic-Magazin.de, Cover von Heft Juli 2005
  10. Heftarchiv | TITANIC – Das endgültige Satiremagazin. Abgerufen am 5. Oktober 2019.
  11. Titelbild der Titanic, Ausgabe September 2015