Zwerg-Rohrkolben
Zwerg-Rohrkolben | ||||||||||||
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Zwerg-Rohrkolben (Typha minima), Fruchtstand | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Typha minima | ||||||||||||
Funck ex Hoppe |
Der Zwerg-Rohrkolben (Typha minima) ist eine sehr seltene zur Familie der Rohrkolbengewächse (Typhaceae) gehörende Sumpfpflanze. Er ist durch seine fast kugelrunden Fruchtstände gekennzeichnet und bildet häufig artenarme Dominanzbestände in ruhigen Buchten und Altarmen größerer Flüsse. Im Zuge der Flussregulierungen der vergangenen hundert Jahre verzeichnet die Art einen dramatischen Rückgang und gilt heute zentral- und europaweit als vom Aussterben bedroht.
Beschreibung
Der Zwerg-Rohrkolben ist eine 30 bis 70, zuweilen 140 cm hohe ausdauernde krautige Pflanze mit kurzen 5 bis 8 Millimeter dicken Rhizomen. Die Blätter sind sehr schmal linealisch, blaugrün und nicht glänzend. Sie erreichen bis zu 30 Zentimeter Länge und 1 bis 2 Millimeter Breite. Es sind nur die sterilen Triebe beblättert, an den Blütenstängeln fehlen sie. Diese verfügen nur über spreitenlose Blattscheiden. Die Blattspreiten sind im Querschnitt halbkreisförmig, unterseits deutlich gewölbt und oben flach. Sie sind mit einem schwammigen Mark gefüllt. Die Blattscheiden sind offen und an der Scheidenmündung leicht geöhrt.
Die Blüten sind eingeschlechtig. Die weiblichen Blüten bilden einen eiförmig-kugeligen bis etwa 4 Zentimeter langen, braunschwarzen Kolben – im Gegensatz zu den übrigen europäischen Typha-Arten mit zylindrischen Kolben. Darüber befinden sich durch einen 0,5 bis 3 Zentimeter langen Sprossabschnitt getrennt die männlichen Blüten, welche ein- bis zweimal so lang wie die weiblichen Kolben werden. Die weiblichen Blüten verfügen über einen gestielten Fruchtknoten, der von einem dichten Haarkranz umgeben ist. Die drei einzelnen Staubblätter der männlichen Blüten sind nur von wenigen Haaren umgeben. Die Haupt-Blühperiode der Art dauert von Mitte April bis in den Juni. Im August kann es zu einer weiteren Blüte kommen.
Ökologie
Der Zwerg-Rohrkolben ist ein Hemikryptophyt und Hydrophyt. Die Überwinterungsknospen liegen unter Wasser. Die lichtliebende Pflanze erträgt keine Beschattung. Ihr ökologischer Schwerpunkt liegt auf stickstoffarmen bis stickstoffärmsten, basen- oder kalkreichen, durchnässten regelmäßig überschwemmten und luftarmen Böden. Die Bestäubung der Blüten erfolgt durch den Wind (Anemophilie). Die Ausbreitung erfolgt durch Flugsamen (Anemochorie) aber auch effektiv durch die Verdriftung von Rhizombruchstücken und Erdschollen.
Die vegetative Ausbreitung erfolgt über kurze Rhizome, die bis zu 20 cm tief in den Boden wachsen und dann bogig aufsteigen, wodurch eine rasche Besiedlung neu eroberter Standorte möglich ist. Er ist jedoch ein konkurrenzschwacher Pionier und wird im Zuge der Auensukzession ebenso rasch wieder von höherwüchsigen Pflanzen wie Großseggen und Schilf abgelöst. Ohne sporadische Hochwasser, die den Standort mit neuem Schlick überdecken oder offen halten, wird der Zwerg-Rohrkolben innerhalb von 10 bis 50 Jahren infolge der natürlichen Sukzession verdrängt. Die Art kann nur überleben, solange die natürliche Auendynamik nicht gestört ist und immer wieder auf neue geeignete vegetationslose Standorte vom Fluss geschaffen werden.
Im Gegensatz zu den anderen Arten der Gattung, bei welchen die Samen die Fruchthülle bei längerem Kontakt mit dem Wasser verlassen, absinken und unter Wasser auskeimen (anaerob), verbleiben sie beim Zwerg-Rohrkolben immer in der Fruchthülle und keimen an der Luft unter aeroben Bedingungen. Sowohl Früchte wie auch junge Keimlinge sinken nicht ab und werden vom Wasser an die Flussufer verfrachtet, wo sie auf Schlick und Feinsand keimen und ihre Primärwurzeln im Substrat verankern. Die Keimrate reifer Früchte liegt bei 90 %, doch nimmt die Keimrate rasch ab. Nach etwa einem Jahr keimen die Samen nicht mehr.
Verbreitung und Standorte
Der Zwerg-Rohrkolben ist von Europa bis zur Mongolei verbreitet.[1] Er hat ein stark disjunktes Areal, das große Lücken aufweist. Sein Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf die großen Flusssysteme der Alpen mit dem Alpenvorland, der Apenninenhalbinsel, des Donaugebietes und des Balkans sowie der Gebirge Zentral- und Mittelasiens.
Im Alpenraum gibt es heute nur noch wenige kleine isolierte Vorkommen im Durancetal und in Hochsavoyen in Frankreich sowie in Graubünden in der Schweiz. Ferner sind im Wallis mehrere in den letzten Jahren künstlich angesiedelte Populationen vorhanden. Die ehemals großen Populationen in Deutschland sind heute alle erloschen. In Österreich ist die Art ebenfalls stark zurückgegangen. Reste der ehemals großen Vorkommen gibt es noch in Vorarlberg und in Tirol. Diese sind heute alpenweit die größten Populationen.
Er ist eine Pionierart großer alpiner Flussauen. Er wächst an periodisch überschwemmten Ufern langsam fließender, reiner und kühler Gewässer. Er besiedelt vorzugsweise vegetationslose neu entstandenen Altwasser und ruhige Mäander des Hauptflussbettes mit basenreichen meist kalkhaltigen, humosen, sandig-schluffigen und kiesigen Ablagerungen (Schwemmsandböden). Er bildet auf der Alpen-Nordseite zusammen mit dem Bunten Schachtelhalm (Equisetum variegatum) eine artenarme Pflanzengesellschaft (Assoziation), die sogenannte Zwergrohrkolben-Gesellschaft (Equiseto-Typhetum minimae Br. Bl. in Volk 1939) aus dem Verband Caricion bicolori-atrofuscae. Sekundär kann das Rohrkolbengewächs Kiesgruben mit Grundwasseranschluss und künstliche Schwemmsandflächen besiedeln.
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 4fw+ (sehr feucht, im Bereich von fließendem Bodenwasser, aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[2]
Gefährdung und Schutz
Der Zwerg-Rohrkolben ist europaweit akut vom Aussterben bedroht. Er ist Bestandteil der Berner Konvention, deren Umsetzung vor allem in der EG-Vogelschutzrichtlinie sowie in der FFH-Richtlinie erfolgt. Die Zwergrohrkolben-Gesellschaft ist im Anhang I der FFH-Richtlinie als prioritärer Lebensraum eingestuft worden, für den besondere Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung im Rahmen des Europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 getroffen werden sollen. In Deutschland wurde diese Art noch 1996 als vom Aussterben bedroht (Gefährdungskategorie 1) in der Roten Liste gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen gelistet.[3] Auch in Österreich ist der Zwerg-Rohrkolben in der Artenliste der in Österreich vom Aussterben bedrohten Farn- und Blütenpflanzen geführt.[4] In der Schweiz gilt die Art als stark gefährdet.[5]
Die Gefährdungsursachen sind vor allem im Ausbau und der Regulierung größerer Flüsse sowie der ausbleibenden Auendynamik zu suchen. Ferner sind Kiesabbau, der Bau von Verkehrswegen sowie Grundwasser- und Flussbettabsenkungen zu nennen. In der Schweiz und in Österreich wird versucht, den Zwerg-Rohrkolben wieder anzusiedeln.[6]
Taxonomie
Typha minima wurde von Heinrich Christian Funck, der sie am Fuße des Untersberges bei Salzburg sammelte, als erstem als eigenständige Art erkannt und benannt, aber nicht gültig beschrieben.[7] Die gültige Erstbeschreibung wurde 1794 im gleichen Zeitschriftenband von David Heinrich Hoppe veröffentlicht.[8]
Quellen
Literatur
- David John Galeuchet, Rolf Holderegger: Erhaltung und Wiederansiedlung des Kleinen Rohrkolbens (Typha minima) – Vegetationsaufnahmen, Monitoring und genetische Herkunftsanalysen. In: Botanica Helvetica. Band 115, Nr. 1, 2005, S. 15–32, DOI:10.5169/seals-743.
- Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2000, ISBN 3-8001-3364-4, S. 682.
- Christoph Käsermann: CR Typha minima L. – Kleiner Rohrkolben – Typhaceae. In: Christoph Käsermann, Daniel M. Moser (Hrsg.): Merkblätter Artenschutz – Blütenpflanzen und Farne. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern 1999, S. 284–285 (PDF-Datei).
- Norbert Müller: Artenhilfsmaßnahme für den Zwergrohrkolben (Typha minima Hoppe) im Tiroler Lechtal. Stand Juli 2005 (PDF-Datei (Memento vom 31. August 2006 im Internet Archive)).
- Erich Oberdorfer: Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil I: Fels- und Mauergesellschaften, alpine Fluren, Wasser-, Verlandungs- und Moorgesellschaften. 4. Auflage. Gustav Fischer, Jena/Stuttgart 1998, ISBN 3-437-35280-6.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Unter Mitarbeit von Theo Müller. 7., überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1994, ISBN 3-8252-1828-7.
Einzelnachweise
- ↑ Rafaël Govaerts (Hrsg.): Typha minima. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 5. Juni 2020.
- ↑ Typha minima Hoppe In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 8. April 2021.
- ↑ Dieter Korneck, Martin Schnittler, I. Vollmer: Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Deutschlands. In: Schriftenreihe für Vegetationskunde. Band 28, 1996, S. 21–187 (Auszug als PDF-Datei).
- ↑ Harald Niklfeld: Rote Liste gefährdeter Pflanzen Österreichs (= Grüne Reihe des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie. Band 10). 2. Auflage. Austria-Medien-Service, Wien 1999, ISBN 3-85333-028-2 (Auszug: Artenliste der in Österreich vom Aussterben bedrohten Farn- und Blütenpflanzen) (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive)
- ↑ D. Moser, A. Gygax, B. Bäumler, N. Wyler, R. Palese: Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Farn- und Blütenpflanzen. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; Zentrum des Datenverbundnetzes der Schweizer Flora, Chambésy; Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève, Chambésy, 2002, S. 105 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: PDF-Datei; 1194 kB).
- ↑ Daniela Csencsics, David Galeuchet, Andreas Keel, Catherine Lambelet, Norbert Müller, Philippe Werner, Rolf Holderegger: Der Kleine Rohrkolben. Bedrohter Bewohner eines seltenen Lebensraumes. In: WSL Merkblatt für die Praxis. Band 43, 2008, S. 1–8 (PDF-Datei; 306 kB).
- ↑ Heinrich Christian Funck: Botanische Exkursion nach dem Untersperg. In: Botanisches Taschenbuch für die Anfänger dieser Wissenschaft und der Apothekerkunst. Jahrgang 1794, S. 118–125 (hier: S. 118; online).
- ↑ David Heinrich Hoppe: Anmerckungen von dem Herausgeber. In: Botanisches Taschenbuch für die Anfänger dieser Wissenschaft und der Apothekerkunst. Jahrgang 1794, S. 186–193 (hier: S. 187; online).
Weblinks
- Typha minima in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2021.3. Eingestellt von: Kavak, S., 2014. Abgerufen am 25. Dezember 2021.
- Typha minima. FloraWeb.de
- Zwerg-Rohrkolben. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Verbreitungskarte im Quadrantenraster auf deutschlandflora.de (Netzwerk Phytodiversität Deutschland e.V.)
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Typha minima. In: FLORON Verspreidingsatlas Planten (Verbreitungsatlas der Flora der Niederlande) (niederl.)
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Typha minima. In: Portál informačního systému ochrany přírody (ISOP) (Informationsportal für Naturschutz in der Tschechischen Republik mit Verbreitungskarten) (tschech.)