Quelltext der Seite Amtsgericht

[[Datei:Weinheim 2011 020.jpg|mini|hochkant|Eingang zum [[Amtsgericht Weinheim]] mit blinder [[Justitia]]]]
Das '''Amtsgericht''' ist in [[Deutschland]] neben dem [[Landgericht]] (und selten dem [[Oberlandesgericht]]) die Eingangs[[Instanz (Recht)|instanz]] der [[Ordentliche Gerichtsbarkeit (Deutschland)|ordentlichen Gerichtsbarkeit]]. Die Bezeichnung rührt von [[Amt (historisches Verwaltungsgebiet)|Ämtern]] her, den früheren Verwaltungs- und Gerichtsbezirken vieler Territorien im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]].

In der [[Schweiz]] war ''Amtsgericht'' bis in die jüngere Vergangenheit der Name der ersten Gerichtsinstanz in den Kantonen [[Kanton Bern|Bern]], [[Kanton Luzern|Luzern]] und [[Kanton Solothurn|Solothurn]]; zu diesen siehe den Artikel [[Bezirksgericht (Schweiz)]].

== Aufbau ==
Die Gerichtsorganisation der Amtsgerichte unterliegt in Deutschland den Ländern ({{Art.|92|GG|juris}} des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]]). Sie errichten Amtsgerichte durch Landesgesetz und weisen diesen Gerichtsbezirke zu. Die Gerichtsbezirke orientieren sich dabei meist an Verwaltungsgrenzen. Mehrere Amtsgerichte haben etwa die Städte [[Berlin]] (11), [[Hamburg]] (8), [[Essen]] und [[Duisburg]] (je 3) sowie [[Bremen]], [[Herne]], [[Mönchengladbach]], [[Karlsruhe]] und [[Stuttgart]] (je 2). Durch Landesgesetz können die Länder auch bestimmte Aufgaben bei bestimmten Amtsgerichten bezirksübergreifend bündeln. Durch Staatsvertrag ist eine Konzentration sogar länderübergreifend möglich. Diese Regelung kommt vor allem bei den [[Zentrales Mahngericht|Mahngerichten]] zum Tragen.

Um die staatliche Rechtspflege dem [[Bürgernähe|Bürger möglichst nah]] und direkt anbieten zu können, gibt es in Deutschland sehr viele Amtsgerichte über die Fläche verteilt. Als erste Anlaufstelle können auch Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle aufgenommen werden, die für andere Gerichte bestimmt sind. Sie werden dann vom aufnehmenden Amtsgericht aus weitergeleitet.

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Zahl der in Deutschland bestehenden Amtsgerichte (Zweigstellen werden nicht gezählt):

{| class="wikitable sortable zebra"
|-
! [[Land (Deutschland)|Land]] !! data-sort-type="number"| Anzahl Amtsgerichte
|-
| {{DE-BW}} || 108<ref>[http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=GerOrgG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true §§ 4–6, Anlage Gerichtsorganisationsgesetz] vom 3. März 1976</ref>
|-
| {{DE-BY}} || {{0}}73<ref>[http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayGerOrgG-5 Art. 5 GerOrgG] vom 25. April 1973</ref>
|-
| {{DE-BE}} || {{0}}11<ref>[http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=GerZustG+BE+%C2%A7+2&psml=bsbeprod.psml&max=true § 2 Gesetz über die Zuständigkeit der Berliner Gerichte] vom 25. September 1990</ref>
|-
| {{DE-BB}} || {{0}}24<ref>[http://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212709 §§ 1, 2 BbgGerOrgG] vom 19. Dezember 2011</ref>
|-
| {{DE-HB}} || {{0}}{{0}}3<ref>[https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.66792.de&asl=bremen203_tpgesetz.c.55340.de&template=20_gp_ifg_meta_detail_d § 1 AGGVG] vom 11. Oktober 1960</ref>
|-
| {{DE-HH}} || {{0}}{{0}}8<ref>[http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-GVGAGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr § 1 HmbAGGVG] vom 31. Mai 1965</ref>
|-
| {{DE-HE}} || {{0}}41<ref>[https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-GerOrgGHErahmen §§ 3, 4, Anlage  Gerichtsorganisationsgesetz] vom 8. Februar 2005</ref>
|-
| {{DE-MV}} || {{0}}10<ref>[http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-GerStrukGMVrahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr §§ 4, Anlage Gerichtsstrukturgesetz] vom 7. April 1998</ref>
|-
| {{DE-NI}} || {{0}}80<ref>[http://www.nds-voris.de/jportal/portal/t/v81/page/bsvorisprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=142&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-JustizGNDrahmen&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint § 32, Anlage 1 NJG] vom 16. Dezember 2014</ref>
|-
| {{DE-NW}} || 129<ref>[https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?sg=0&menu=1&anw_nr=2&gld_nr=%203&ugl_nr=300&val=13584&ver=0&aufgehoben=N&keyword=&bes_id=13584&typ=Kopf § 11 JustG NRW] vom 26. Januar 2010</ref>
|-
| {{DE-RP}} || {{0}}46<ref>[http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/2c9/page/bsrlpprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=9&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-GerOrgGRPV49P6&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint § 6 GerOrgG] vom 5. Oktober 1977</ref>
|-
| {{DE-SL}} || {{0}}10<ref>[https://recht.saarland.de/bssl/document/jlr-GerOrgGSLV2P2 § 2 SGerOG] vom 23. Oktober 1974</ref>
|-
| {{DE-SN}} || {{0}}25<ref>{{§§|3393|revosax|seite=xanl|text=Anlage (zu § 1 Abs. 4)}} des Sächsischen Justizgesetzes</ref>
|-
| {{DE-ST}} || {{0}}25<ref>[http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/?quelle=jlink&query=GerOrgG+ST&psml=bssahprod.psml&max=true&aiz=true § 3, Anlage GerOrgG LSA] vom 24. August 1992</ref>
|-
| {{DE-SH}} || {{0}}22<ref>[http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=JustizG+SH&psml=bsshoprod.psml&max=true&aiz=true § 30, Anlage 1 LJG] vom 17. April 2018</ref>
|-
| {{DE-TH}} || {{0}}23<ref>[http://landesrecht.thueringen.de/jportal/?quelle=jlink&query=GStG+TH&psml=bsthueprod.psml&max=true&aiz=true § 4, Anlage ThürGStG] vom 16. August 1993</ref>
|-
| '''Gesamt:''' || '''638'''
|}

Amtsgerichte müssen mit mindestens einem [[Richter (Deutschland)|Richter]] besetzt sein ({{§|22b|GVG|juris}} Absatz 1 GVG). In diesem Fall bestimmt das Präsidium des übergeordneten Landgerichts einen Richter seines Bezirks zum ständigen Vertreter. In Deutschland gibt es 23 Amtsgerichte, die mit nur einem Richter besetzt sind.<ref>[http://www.dokumentation.landtag-mv.de/Parldok/dokument/36124/volksbegehren-gegen-die-gerichtsstrukturreform-gesetz-zur-aufhebung-der-mit-dem-gerichtsstrukturneuordnungsgesetz-beschlossenen-%C3%A4nderungen.pdf Drucksache 6/4027 des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, S. 8]</ref>

{{Anker|Leitung des Amtsgerichts}}
Die meisten Amtsgerichte werden von einem Direktor (Direktor des Amtsgerichts, [[Besoldungsordnung R|Besoldungsgruppe]] R&nbsp;2, bei ganz kleinen Amtsgerichten auch R&nbsp;1 mit Amtszulage) geleitet. Die allgemeine Dienstaufsicht ist dann von der [[Landesjustizverwaltung]] dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen worden ({{§|22|GVG|juris}} Absatz 3 Satz 1 GVG).

Große Amtsgerichte mit vielen Richterplanstellen werden indessen von einem durch die Landesjustizverwaltung ernannten Präsidenten (Präsident des Amtsgerichts, Besoldungsgruppen R&nbsp;3 bis R&nbsp;6) geleitet und Präsidial(amts)gerichte genannt ({{§|22|GVG|juris}} Absatz 3 Satz 2 GVG). Beispiele hierfür sind das [[Amtsgericht München]], das [[Amtsgericht Dortmund]], das [[Amtsgericht Frankfurt am Main]] und das [[Amtsgericht Leipzig]]. 

Ob der Leiter eines Amtsgerichts Direktor oder Präsident ist, bestimmt das Landesrecht. In Nordrhein-Westfalen ist er gemäß § 4 JustG NRW grundsätzlich Direktor, soweit das Justizministerium nicht anders entscheidet.<ref>{{Internetquelle |autor=Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Referat 14 |url=https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000673#det324853 |titel=Gesetze und Verordnungen {{!}} Landesrecht NRW |zugriff=2018-02-05}}</ref>

== Zuständigkeit und Besetzung ==
Die Amtsgerichte werden in [[Zivilsache|Zivil-]] und [[Strafsache]]n tätig ({{§|13|GVG|juris}} [[Gerichtsverfassungsgesetz|GVG]]). Sie sind mit Einzelrichtern besetzt ({{§|22|GVG|juris}} Absatz 1 GVG).

=== Zivilsachen ===
Unter anderem für [[Mahnverfahren]] (vergleiche auch [[Zentrales Mahngericht]]) ist es ausschließlich zuständig. Ferner werden bei den Amtsgerichten unter anderem das [[Handelsregister]], das [[Genossenschaftsregister]], das [[Vereinsregister]] und das [[Güterrechtsregister]] geführt. Es ist daher [[Registergericht]]. Zum Amtsgericht gehört auch das [[Grundbuchamt]]. Die öffentlichen Register und das Grundbuch werden nach den Vorschriften über die [[Freiwillige Gerichtsbarkeit (Deutschland)|freiwillige Gerichtsbarkeit]] geführt. Entscheidungsbefugt sind je nach Sache der [[Einzelrichter]], der [[Rechtspfleger]] oder der [[Urkundsbeamte]] der Geschäftsstelle.

In [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten]] ist das Amtsgericht zuständig bei einem [[Streitwert]] bis einschließlich 5.000&nbsp;Euro ({{§|23|GVG|dejure}} Nr.&nbsp;1 [[Gerichtsverfassungsgesetz|GVG]]). Unabhängig vom Streitwert ist es unter anderem in [[Mietvertrag (Deutschland)|Mietsachen]] betreffend Wohnraum und [[Kindschaftssache|Kindschafts-]], [[Unterhalt (Deutschland)|Unterhalts-]] und [[Familiensache (Recht)|Familiensachen]] zuständig. Das Amtsgericht wird auch als [[Vollstreckungsgericht]], in Verfahren der [[Zwangsversteigerung (Deutschland)|Zwangsversteigerung]] oder [[Zwangsverwaltung]], als [[Insolvenzgericht]] in [[Insolvenzrecht (Deutschland)|Insolvenzverfahren]] sowie als [[Nachlassgericht]] und als [[Betreuungsgericht]] tätig, ebenso in [[Wohnungseigentum (Deutschland)|Wohnungseigentumssachen]] und in [[Freiheitsentziehung]]ssachen (zum Beispiel [[Abschiebehaft]]). Für [[Staatshaftungsrecht (Deutschland)|Staatshaftung]]sfälle ist das Amtsgericht allerdings selbst dann nicht zuständig, wenn der Streitwert unter 5.000&nbsp;Euro liegt ({{§|71|GVG|dejure}} Abs.&nbsp;2 Nr.&nbsp;2 GVG).

Beim Amtsgericht sind Gerichtsvollzieher-Verteilerstellen eingerichtet, über die man den zuständigen [[Gerichtsvollzieher (Deutschland)|Gerichtsvollzieher]] beauftragen kann.

=== Strafsachen ===
Nach {{§|24|GVG|juris}} Absatz 1 Nummer 2 GVG ist das Amtsgericht in [[Strafprozessrecht|Strafsachen]] zuständig, wenn eine [[Freiheitsstrafe]] nicht über vier Jahre zu erwarten und nicht mit einer Unterbringung des Beschuldigten in einem [[Maßregelvollzug|psychiatrischen Krankenhaus]] oder in der [[Sicherungsverwahrung]] zu rechnen ist. Abweichend davon obliegt die Entscheidung über die in {{§|74|GVG|juris}} Absatz 2 ([[Schwurgericht]]ssachen) und {{§|74a|GVG|juris}} sowie {{§|120|GVG|juris}} GVG genannten Straftaten (letzteres sind im Wesentlichen die politischen Straftaten) nach § 24 Absatz 1 Nummer 1 GVG stets dem [[Landgericht]] bzw. dem [[Oberlandesgericht]]. Außerdem kann die [[Staatsanwaltschaft]] gemäß § 24 Absatz 1 Nummer 3 GVG wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Klage beim Landgericht erheben.

Ist das Amtsgericht zuständig, besteht gemäß {{§|25|GVG|juris}} GVG die Zuständigkeit des [[Strafrichter]]s (Einzelrichter), wenn ein [[Vergehen]] angeklagt ist und keine höhere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist; er kann dann aber den ganzen Strafrahmen des Amtsgerichts ausschöpfen, also auch Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verhängen. Das bei den Amtsgerichten gebildete [[Schöffengericht]] nach {{§|28|GVG|juris}}, {{§|29|GVG|juris}} GVG ist bei den übrigen Strafsachen des Amtsgerichts zuständig, also wenn ein [[Verbrechen]] angeklagt oder eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und vier Jahren zu erwarten ist. Das Schöffengericht besteht aus dem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzendem und zwei [[Schöffe (ehrenamtlicher Richter)|Schöffen]] (§ 29 Absatz 1 GVG). Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann ein weiterer Richter beim Amtsgericht hinzugezogen werden, das sogenannte erweiterte Schöffengericht (§ 29 Absatz 2 GVG). Stellt sich heraus, dass eine längere Strafe oder Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus doch erforderlich ist, muss das Verfahren an das Landgericht verwiesen werden.

Zu den Strafsachen im weiteren Sinne zählen auch [[Bußgeldverfahren]] nach dem [[Gesetz über Ordnungswidrigkeiten]] (OWiG).

== Stellung des Amtsgerichts im Instanzenzug ==
Das Amtsgericht kann je nach Verfahrensgegenstand die erste Instanz sein, sonst ist es am konkreten Gerichtsverfahren unbeteiligt. Im Instanzenzug dem Amtsgericht übergeordnete Gerichte sind das Landgericht, das Oberlandesgericht und der [[Bundesgerichtshof]]. Das Nähere regeln die jeweiligen Prozessordnungen und das Gerichtsverfassungsgesetz.

== Präsidialamtsgerichte ==
Im [[Hessen|Land Hessen]] werden Amtsgerichte, die aufgrund der Größe hinsichtlich der organisatorischen Aufgaben Landgerichten gleich stehen, auch als ''Präsidialamtsgerichte'' bezeichnet.<ref name="hessen.de">{{Internetquelle |url=https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de |titel=Ordentliche Gerichtsbarkeit in Hessen |werk=hessen.de |hrsg=Land Hessen |abruf=2022-07-31}}</ref> Die Behördenleitung derartiger Amtsgerichte wird ''Präsident'' bzw. ''Präsidentin'' genannt. Das Land Hessen unterscheidet die Präsidialamtsgerichte von Amtsgerichten. Die Behördennamen der Präsidialamtsgerichte heißen dennoch ''Amtsgericht'' (z.&nbsp;B. ''Amtsgericht Frankfurt am Main''). Die sechs Präsidialamtsgerichte befinden sich in [[Amtsgericht Darmstadt|Darmstadt]], [[Amtsgericht Frankfurt am Main|Frankfurt am Main]], [[Amtsgericht Gießen|Gießen]], [[Amtsgericht Kassel|Kassel]], [[Amtsgericht Offenbach am Main|Offenbach am Main]] und [[Amtsgericht Wiesbaden|Wiesbaden]].

== Siehe auch ==
* [[Liste deutscher Gerichte]]

== Weblinks ==
{{Wiktionary}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Rechtshinweis}}

{{Normdaten|TYP=s|GND=4142304-5}}

[[Kategorie:Amtsgericht| ]]
[[Kategorie:Gerichtsverfassungsrecht (Deutschland)]]