Kurzschwinge
Mit Kurzschwinge oder Kurzarmschwinge bezeichnet man eine Bauart der Vorderradführung bei Motorrädern.[1]
Erste Kurzschwingen sind von FN (1904) bekannt.[2] Im Gegensatz zur Langarmschwinge befindet sich der Schwingendrehpunkt innerhalb des Raddurchmessers. Kurzschwingen haben den Nachteil der konstruktionsbedingt relativ kurzen Federwege, die im Bereich unter 100 mm liegen und damit größere Fahrbahnunebenheiten nicht ausgleichen können. Mit einer „halblangen Schwinge“ u. a. beim Modell Hercules K 125 BW versuchte man diesen Nachteil auszugleichen.[3]
Man unterscheidet die Bauarten hinsichtlich des Schwingendrehpunkts in Fahrtrichtung gesehen vor oder hinter der Radachse in:
- Gezogene Kurzschwingen (mit/ohne Hilfsgabel)
- Geschobene Kurzschwingen (mit/ohne Hilfsgabel)
Gezogene Kurzschwingen
Die erste gezogene Kurzschwinge mit Hilfsgabel und Blattfedern ist von der belgischen Firma Minerva (1905) bekannt.[4] In größeren Stückzahlen wurde die gezogene Kurzschwinge mit Hilfsgabel und Blattfedern bei Indian (1910–1946) und BMW (1923–1936) (siehe Blattfedergabel) gebaut. Vespa führte mit dem Modell Vespa 98 (1946) die gezogene einarmige Kurzschwinge beim Roller ein. Bis heute werden die Vespa und viele andere Motorroller mit der gezogenen Kurzschwinge als Vorderradführung gebaut.
Geschobene Kurzschwingen
Die erste geschobene Kurzschwinge (mit Hilfsgabel) wurde bei der FN-Four (1904) eingeführt. 1908 wurde die „Sager-Cushion-Gabel“ (eine geschobene Kurzschwinge mit Hilfsgabel) bei Harley-Davidson vorgestellt, die 1929 von Harley-Davidson eingeführte Springergabel blieb bis 1953 im Verkaufsprogramm. Brough Superior nannte die ab 1924 gebaute geschobene Kurzschwinge mit Hilfsgabel „Castle-Gabel“. Die geschobene Kurzschwinge (ohne Hilfsgabel) wurde 1949 bei den NSU Motorenwerken beim Modell NSU Fox eingeführt. Die geschobene Kurzschwinge wird bei aktuellen Motorrädern nicht mehr angeboten.
Vor- und Nachteile
Vorteile sind die einfache, preiswerte Konstruktion, sowie die Möglichkeit, die Schwinge platzsparend unterzubringen, weshalb sie bis heute bei Motorrollern mit kleinen Laufrädern Verwendung findet.
Der größte Nachteil ist der sehr begrenzte Federweg. Kurze Vorderradschwingen werden in aller Regel in Einzelteilen, d. h. zweiteilig als kurze Schwinghebel ausgeführt und nur durch Verschrauben der Vorderrad-Steckachse verbunden. Das kann eine gewisse Schwächung mit sich bringen und teils die Gefahr einseitigen Einfederns und somit einen Schieflauf zwischen Vorder- und Hinterrad auslösen, d. h., dass infolge einseitiger Querbelastung das Vorderrad mit einem anderen Winkel zur Lotrechten steht als das Hinterrad, da eine Versteifung „hintenherum“ um das Vorderrad mangels einteiliger Schwinge fehlt. Technisch ausgedrückt ist die Verdrehsteifigkeit um die Längsachse bei einer einteiligen Rohrschweißkonstruktion („U“) erheblich besser als bei zwei einzelnen kurzen Schwinghebeln („I I“). Zusätzliche Nachteile treten bei gezogenen Kurzschwingen wie bei der BMW R 42 auf. Bei dieser Vorderradführung verstärkt sich das Eintauchen beim Bremsen, während bei geschobener Vorderradschwinge ein gewisser Ausgleich der dynamischen Radlastverlagerung durch das aufrichtende Bremsmoment entsteht – die Vordergabel einer NSU Quickly hebt sich beim Bremsen sogar an den kurzen Hebelchen.
Bilder
gezogene einarmige Kurzschwinge einer frühen (Vespa)
Ansicht der einarmig gezogenen Kurzschwinge mit Stoßdämpfer einer Vespa 150 Sprint.
geschobene Kurzschwinge mit Hilfsgabel (Harley-Davidson Modell 4)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Helmut Werner Bönsch: Fortschrittliche Motorrad-Technik. Motorbuch Verlag Stuttgart, 1985, ISBN 3-613-01054-2. S. 224.
- ↑ S. Ewald: Enzyklopädie des Motorrads. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-142-2, S. 178.
- ↑ Helmut Werner Bönsch: Fortschrittliche Motorrad-Technik. Motorbuch Verlag Stuttgart, 1985, ISBN 3-613-01054-2. S. 225.
- ↑ Oskar Koch: Der heutige Stand der Motorfahrräder. In: Polytechnisches Journal. 321, 1906, S. 294–298.