Theatermotiv

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Tabulariummotiv in einer deutschen Palladio-Ausgabe von 1698

Das Theatermotiv, auch Theaterwandmotiv oder Tabulariummotiv genannt, ist das wichtigste Aufrissgliederungsschema der klassisch-römischen und der neuzeitlichen Architektur. Im Theatermotiv wird eine Säulen-Gebälk-Stellung (Kolonnade) vor eine Pfeiler-Bogen-Stellung (Arkade) gestellt. Pfeiler und Bogen sind dabei Teil des Tragwerks des Gebäudes, während Säule und Gebälk nur optisch gliedernde und selbsttragende Funktion haben. Der Begriff wird aus der ursprünglichen Verwendung des Motives für die Gliederung der Außenwände römischer Theater und Amphitheater abgeleitet, beispielsweise des Marcellustheaters oder des Kolosseums in Rom. Das Theatermotiv ist verwandt, aber nicht zu verwechseln mit dem Triumphbogenmotiv, das ebenfalls mit der Kombination von Bogen und Säulenstellung operiert.

Außenansicht des Kolosseums mit Theatermotivgliederung

Den Namen Tabulariummotiv hat dieses Architekturelement vom Tabularium in Rom (erbaut 80 v. Chr.), wo diese Bauform erstmals auftritt. Es stellte eine Erweiterung der Gliederungsmöglichkeiten der griechisch-antiken Architektur dar und bot die Möglichkeit, auch massive Wände mit den Mitteln der klassisch-griechischen Säulenordnung zu gliedern. Während die bauliche Struktur in der Pfeilerarkade besteht, dient die aufgeblendete Säulenordnung der Dekoration und Gliederung des Baukörpers.

Im Zusammenhang mit dem Theaterwandmotiv werden in der Regel Säulen verschiedener Ordnungen übereinander gestapelt. Dabei gilt in der Regel folgende Hierarchie für die Abfolge der Ordnungen (von unten nach oben): toskanisch oder dorisch, ionisch, korinthisch und komposit. Wichtige frühneuzeitliche Beispiele für dieses als Superposition bezeichnete Gestaltungsprinzip sind die Hauptfassaden des Palazzo Rucellai in Florenz und des Palazzo Barberini in Rom.

Marcellustheater, Rom, Gliederung der Fassade

Weite Verbreitung fand das Theatermotiv als Gliederungselement für neuzeitliche Architektur durch die an der römischen Antike orientierten Traktate der Renaissance. Für Alberti steht das Zwei-Schichten-Modell des Theatermotives im engen Zusammenhang mit seiner Definition von Schönheit (pulchritudo) und Ornament (ornamentum). Der Mauerwerkskörper, zu dem die Pfeiler-Bogen-Stellung gehört, ist, so Alberti, der eigentliche Träger der Schönheit. Er wird aus Wandscheiben zusammengesetzt, die durch Mauerwerksarkaturen, zusammengesetzt aus Pfeiler und Bogen, perforiert werden.

Da der Zustand absoluter Schönheit in der Wirklichkeit nicht erreichbar sei, bedürfe das Gebäude des äußerlich aufgebrachten Ornamentes, um seine Vorzüge zu unterstreichen und seine Schwächen zu verdecken. Der kostbarste Baustein des Ornamentes sei die Säule mit dem zugehörigen Gebälk. Aus der Kombination der Sphären von Schönheit und Ornament ergibt sich, dass Säulen-Gebälk-Stellungen als Ornamentschicht vor Pfeiler-Bogen-Stellungen stehen, wie dies exemplarisch im Theatermotiv demonstriert wird.

Bei Serlio wird das System der Arkaturgliederung durch vorgeblendete Säulen-Gebälk-Stellungen im vierten Buch im Kapitel über die toskanische Ordnung vorgestellt. Nach der systematischen Einführung stellt Serlio in den Grafiken zu den anderen Ordnungen eine breite Palette von Nutzungsmöglichkeiten für das Theatermotives vor.

In den nachfolgenden, auf Grafik basierten Traktaten von Palladio, Vincenzo Scamozzi und Vignola wird neben der reinen Säulen-Gebälk-Stellung der griechischen Architektur immer auch ein ordnungsgerechtes Theatermotiv als Modell für die Gliederung einer geschlossenen Wand abgebildet.

Weitere Illustrationen

Weblinks

  • Tabulariummotiv. In: Architektur der Renaissance und des Barock. Ulrich Fürst, Institut für Kunstgeschichte München

Literatur

  • Werner Müller, Gunther Vogel: dtv-Atlas zur Baukunst. 4. Aufl. Bd. 1, München 1982, S. 208–209.