Tiefengeothermie Kirchweidach

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Geothermiekraftwerk Kirchweidach
Kirchweidach im Hintergrund, links das Gewächshaus, im Vordergrund eine Photovoltaikanlage, dazwischen der Bohrplatz
Kirchweidach im Hintergrund, links das Gewächshaus, im Vordergrund eine Photovoltaikanlage, dazwischen der Bohrplatz
Lage
Tiefengeothermie Kirchweidach (Bayern)
Koordinaten 48° 5′ 57″ N, 12° 38′ 43″ OKoordinaten: 48° 5′ 57″ N, 12° 38′ 43″ O
Daten
Typ Geothermiekraftwerk
Primärenergie Geothermie
Eigentümer FG-Gruppe KBG
Betreiber FG-Gruppe
Projektbeginn Mai 2011 / 1. August 2013
Betriebsaufnahme 21. Dezember 2013
Website geoenergie-kirchweidach.de

Die Tiefengeothermie Kirchweidach ist ein Projekt zur Nutzung geothermischer Energie zur Wärmegewinnung in der oberbayerischen Gemeinde Kirchweidach. Durch die Anlage werden 200 Haushalte und ein Gewächshaus eines landwirtschaftlichen Großbetriebs mit Fernwärme aus dem Erdinneren versorgt. In Angriff genommen wurde das Geothermieprojekt Kirchweidach von der FG Geothermie GmbH aus Regensburg mit Unterstützung der Gemeinde Kirchweidach bzw. der eigens als Eigengesellschaft gegründeten Kirchweidacher Energie GmbH (KiwE). Im Mai 2015 wurde die Gewächshausanlage durch die bayerische Energieministerin Ilse Aigner eingeweiht.[1]

Hintergrund

Geologie

In Deutschland gilt der Voralpenbereich als neben dem Rheingraben und dem „Norddeutschen Becken“ eine der am besten geeigneten Regionen. In Bayern bestehen mehrere Pilotprojekte, insbesondere Unterhaching und seit 2013 Kirchweidach.

Aus den Ergebnissen der Suche nach Öl- und Gasvorkommen in der Umgebung von Kirchweidach in den 1950er und 1960er Jahren wurde vermutet, dass sich in einer Tiefe von 3.000 bis 4.000 m heißes Thermalwasser befindet. Umfangreiche seismische Messungen haben dies 2011 bestätigt. Im selben Jahr wurde das Projekt gestartet, um die Eignung der gesamten Region für diese Technologie nachzuweisen.

Energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen

Ziel des Projektes ist die Nutzung der Geothermie als unerschöpfliche und damit nachhaltige Energiequelle. In Kirchweidach wird bis 2014 überwiegend mit den fossilen Energieträgern Heizöl, Flüssiggas bzw. mit Holz geheizt. Durch die Wärmeversorgung mittels der grundlastfähigen Erdwärme soll eine regionale erneuerbare Energiequelle genutzt werden, um die Gemeinde umweltfreundlich und klimaschonend mit Wärme zu versorgen.

Geschichte

Mai 2011 1. Bohrung mit 3.800 m Tiefe und 4.900 m Länge, Temperatur ca. 125 °C
Dezember 2011 Injektionsbohrung bei 3.850 m Tiefe und 5.130 m Länge
1. August 2013 Beginn der ersten Projektphase
7. November 2013 Bürgerversammlung mit der Vorstellung der Planungen zur Fernwärmeversorgung
21. Dezember 2013 Beginn der Inbetriebnahme der Fördereinrichtung der KiwE und der Versorgung des Gewächshausbetriebes
17. Februar 2014 Beginn der Pflanzung von 5,6 ha Paprika und 6 ha Tomaten
Mai 2014 Inbetriebnahme der zusätzlichen Wärmelieferung aus der Abwärme einer benachbarten Biogasanlage
August 2014 Baubeginn des Bauabschnitts I des Fernwärmenetzes
Januar 2015 Inbetriebnahme des Bauabschnitts I des Fernwärmenetzes
Februar 2015 Baubeginn des Bauabschnitts II des Fernwärmenetzes
27. April 2015 Auszeichnung mit dem Special Award des Global District Energy Climate Award in Tallinn, Estland
8. Mai 2015 Einweihung des Fernwärmenetzes und Spatenstich zur ersten Erweiterung des Gewächshauses
Dezember 2015 Inbetriebnahme der Erweiterung des Gewächshauses auf 20 ha
Februar 2016 Anlagenerweiterung durch den Einbau einer größeren Unterwassermotorpumpe und größerer Wärmetauscher
September 2019 FG-Gruppe übernimmt nach jahrelangem Tauziehen den Hauptbetriebsplan für Kirchweidach und kann nun das Kraftwerk planen und die Baugenehmigung vorbereiten
Oktober 2019 FG-Gruppe verbaut neue Pumpe und errichtet modernsten Thermalwasserkreislauf in Kirchweidach
Februar 2020 FG-Gruppe reicht umfangreichen Bauantrag Kraftwerk Kirchweidach ein mit einer Gesamtkapazität von über 4 MW elektrischer Leistung
März 2020 Gemeinderat Kirchweidach genehmigt Bauantrag – FG Gruppe startet Wärmelieferung für die Gemeinde und den Gemüsebau

Verfahren

In Kirchweidach wird das Verfahren der hydrothermalen Geothermie angewendet: In einer Tiefe von ca. 3.500 bis 4.000 Metern unter der Gemeinde Kirchweidach befindet sich der Malmkarst, eine wasserführende Gesteinsschicht (Aquifer). Von dort wird das heiße Wasser zur weiteren Nutzung an die Oberfläche gepumpt. Zur Nutzung des Thermalwassers wurde eine Dublettenbohrung durchgeführt: Ein Bohrloch wird zur Förderung des Thermalwassers, welches in diesem Bereich fast Trinkwasserqualität hat, genutzt und das andere zu dessen direkten Rückführung in die gleiche Gesteinsschicht verwendet. Die Wärme wird aus dem heißen Thermalwasser über geschlossene Plattenwärmetauscher entnommen und direkt wieder in die Gesteinsschicht zurückgeführt.

Im ersten Projektschritt, in dem nur die Wärmekunden der Gemeinde versorgt werden, sollen bis zu ca. 56 l/s Thermalwasser bei bis zu 125 °C gefördert werden. Dadurch werden der größte Kunde, ein Gemüseanbaubetrieb und das Ortsnetz beliefert. Aktuell werden dort Tomaten, Paprika und Erdbeeren für bis zu 1.000.000 Personen produziert. Für das Gewächshaus mit ca. 20 ha Fläche werden bis zu 80 l/s Thermalwasser gefördert. Im zweiten Projektabschnitt voraussichtlich ab dem Jahr 2016 ist geplant, die Förderung auf ca. 125 l/s Thermalwasser bei 125 °C zu erweitern um zusätzlich ein Geothermiekraftwerk zur Stromerzeugung zu betreiben.

Nutzung der Fernwärme

Fernwärmenetz

Das Fernwärmenetz im Gemeindegebiet wird in zwei Bauabschnitten errichtet. Im Jahr 2014 wurden zunächst ca. 12,6 Trassenkilometer Fernwärmeleitungen verlegt. Das Heizmedium ist das heiße aufbereitete Fernwärmewasser, welches über einen Wärmetauscher vom heißen Thermalwasser erwärmt wird. Da Geothermie jederzeit und ohne Schwankungen genutzt werden kann, wird die Grundlast ausschließlich durch Geothermie gedeckt. In geplanten und ungeplanten Ausfallzeiten hingegen wird die Versorgung durch zwei Erdgasbefeuerte Reserveheißwassererzeuger und einem Wärmespeicher auf dem Gelände der Gemüsebaufirma sichergestellt.

An das Fernwärmenetz in Kirchweidach werden 300 Haushaltskunden mit einer installierten Gesamtleistung von ca. 9 MW angeschlossen werden. Unter Berücksichtigung der Witterung und diverser Gleichzeitigkeitsfaktoren bedeutet das für das Ortsnetz, dass ca. 5,1 MW thermische Leistung verfügbar sein müssen.

Temperatur Thermalwasser ca. 120 °C
Wärmeleistung Thermalwasser für Fernwärmenetz ca. 5 MW
Vorlauftemperatur Fernwärmenetz (außentemperaturabhängig) max. 90 °C
Rücklauftemperatur Fernwärmenetz ca. 60 °C

Gemüsebau

Der bisher größte Kunde des geplanten Fernwärmenetzes von Kirchweidach ist eine Gemüsebaufirma. Hier wurde im Jahr 2013 und im Jahr 2015 eine ca. 20 Hektar große Gewächshausanlage gebaut, welche durch Wärme aus Tiefengeothermie beheizt wird. Der prognostizierte Wärmebedarf der Gewächshausanlage wird bis auf etwaige Reparatur- oder andere technische Ausfallzeiten komplett durch die geförderte Energie aus Tiefengeothermie gedeckt.

In dem Gewächshaus werden Tomaten, Paprika und Erdbeeren angepflanzt. Laut Betreiberangaben können damit im Vergleich zum konventionellen Tomatenbau aus Spanien oder den Niederlanden durch den Gemüsebau mehr als 6,5 Mio. Liter Heizöl und 21,5 Mio. kg CO2 eingespart werden. Zusätzlich sollen, da sich der Großteil der Abnehmer überwiegend in der Nähe befindet, mehr als 1.400.000 LKW-Kilometer eingespart werden.

Weitere Informationen und Besonderheiten in der Projektumsetzung

Die KiwE rechnet für die Thermalwasserförderung, die Wärmeentnahme in der ersten und zweiten Projektphase und das Fernwärmenetz mit bis zu 13 Mio. Euro Investitionsvolumen.

Das Fernwärmeprojekt der Gemeinde wird mit Fördermitteln aus dem Marktanreizprogramm der Bundesrepublik Deutschland in Form von Tilgungszuschüssen[2] und Zuschüssen aus dem „Programm zum verstärkten Ausbau von Tiefengeothermie-Wärmenetzen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie über die LfA Förderbank Bayern mit einem Gesamtvolumen von über zwei Mio. Euro gefördert. Im Jahr 2015 wurde eine größere Unterwassermotorpumpe erworben und die Anlage damit erweitert. Diese Arbeiten wurden mit einem Tilgungszuschuss aus dem KfW-Programm Erneuerbare Energien "Premium Tiefengeothermie" gefördert.

Für die Ausschreibung der Planung des Fernwärmenetzes und der Errichtung des Fernwärmenetzes inkl. Hydraulik, Wärmetauscherstation, EMSR-Technik und der Hausübergabestationen wurden drei EU-weite Vergabeverfahren durchgeführt.

Für die zweite Projektphase wurde ein gleitender Preis für das Thermalwasser vereinbart, der sich an den Opportunitätskosten durch die entgangenen Stromeinnahmen beim Lieferanten orientiert. Der Preis ändert sich somit je nach Außentemperatur und in dem durch die Fernwärme entnommenen Volumen. Die eigentliche Festlegung der Preise für die Phase erfolgt erst nach den Probeläufen der Anlage. Die Tarifgestaltung wurde auf dem Praxisforum geothermie.bayern unter dem Titel Chancen und Risiken eines Wärmebezugsvertrags in der Praxis vorgestellt.[3][4]

Die Preisgleitklauseln sowohl für den Wärmebezug aus Tiefengeothermie und Fernwärme als auch für die Fernwärmekunden sind sehr stabil. Die Preise für die Endkunden sind zu 60 bis 75 % fixiert bzw. an die Entwicklung der Investitionskosten gebunden, nur zu 5 % orientieren sie sich an den Kosten in der Landwirtschaft (Biogas-Wärme) und dem Strom. Auf den Einbezug der Kostenentwicklung von Heizöl oder Gas wurde hierbei verzichtet.

Der Wärmevertrag, der in Branchen Medien als innovativ bezeichnet wurde, ist seit dem März 2020 im Einverständnis der Vertragsparteien Gemeinde Kirchweidach – KiwE und FG Gruppe aufgehoben worden. Hintergrund ist ein jahrelanger Streit über die Konditionen und Fehler des Vertrages.

Auszeichnungen

Am 27. April 2015 wurde das Projekt in Tallinn durch den Europäischen Fernwärmeverband mit dem Global District Energy Climate Award in der Kategorie Special Award ausgezeichnet.[5][6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Energiewende in Bayern: Aigner weiht Geothermie-Projekt ein. In: IWR, 8. Mai 2015. Abgerufen am 10. Mai 2020.
  2. Marktanzreizprogamm der Bundesrepublik Deutschland
  3. Praxisforum geothermie.bayern (Memento des Originals vom 5. Mai 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.praxisforum-geothermie-bayern.de
  4. Vortrag vom Geothermiekongress 2014: Innovative Wärmelieferung aus Tiefengeothermie
  5. http://www.districtenergyaward.org/deep-geothermal-energy-kirchweidach/
  6. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 20. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.euroheat.org