Hossein Kazemeyni Borudscherdi

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Hossein Kazemeyni Borudscherdi

Sayyed Hossein Kazemeyni Borudscherdi (auch: Boroujerdi; * 1957 in Teheran; persisch سيد حسين كاظمينی بروجردی, DMG

Seyyed Ḥoseyn-e Kāẓemeynī-e Borūǧerdī

) ist ein iranischer Ajatollah und Autor zahlreicher Bücher und Abhandlungen, die sich mit dem Koran, Spiritualität und ethischen Fragestellungen beschäftigen. Borudscherdi ist 1957 in Teheran geboren und wuchs in Qom auf.

Position

Als Anhänger der im Iran zur Staatsreligion erhobenen Zwölferschia setzt sich Borudscherdi für die Trennung von Religion und Staat ein. Damit steht er in der langen quietistischen Tradition von schiitischen Religionsgelehrten, die allein den Verborgenen Imam als legitimen Herrscher anerkennen. Mit dieser Position steht Borudscherdi den herrschenden politischen Verhältnissen im Iran ablehnend gegenüber. Er ist daher im Iran der Verfolgung durch offizielle Stellen ausgesetzt. In einem Brief an den Papst, die Europäische Union und den UNO-Generalsekretär Kofi Annan[1] beschrieb er die mysteriösen Umstände des Todes seines Vaters Ayatollah Seyyed Mohammad Ali Kazemeyni Borudscherdi 2002 und die nachfolgende Beschlagnahmung der Moschee seines Vaters sowie weitere Schikanen durch Regierungsstellen.

Borudscherdi kritisiert die Art und Weise des im Iran geübten Konzepts der Statthalterschaft des Rechtsgelehrten (persisch ولایت فقیه, DMG

Welāyat-e Faqīh

) und begründet dies u. a. damit, dass die Iraner müde seien der politischen Sprüche, wohl aber auf den Fundamenten der Religion und der Mission Mohammeds stünden. Die Iraner hätten aber genug von der Politisierung der Religion und die Ausnutzung der Religion durch Gruppen, die nichts mit ihr zu tun hätten. Der Islam sei die Religion der Toleranz, der Duldsamkeit und des Mitleids. Der Koran unterstreiche, dass es keinen Zwang in der Religion geben dürfe.[2]

Navid Kermani vergleicht diese schiitische Strömung mit

jenen ultra-orthodoxen Juden, die den Staat Israel ablehnen […] verwerfen sie alle menschlichen Versuche, die göttlich-gerechte Ordnung auf Erden zu errichten. […] Bis dahin hängen sie einem strikten Quietismus an; da in Abwesenheit des Mahdi jegliche politische Herrschaft illegitim sei, sollten die Theologen sie den Laien überlassen, um sich nicht zu beschmutzen. Eine von Menschen geschaffene, „Islamische“ Republik ist für diese Traditionalisten Ketzerei.[3]

Inhaftierungen

Borudscherdi wurde 1995,[4] 2000[4] und erneut 2006 zusammen mit vielen Anhängern am 8. Oktober 2006[5][6] (nach anderen Quellen bereits am 20. September[4][7]) in Teheran inhaftiert, nach einem Zusammenstoß zwischen der Polizei und hunderten seiner Anhänger. Iranische Offizielle werfen Borudscherdi vor, dass er behauptet hätte, ein Vertreter des Verborgenen Imam zu sein, der dem schiitischen Glauben zufolge zurückkehren wird, um das islamische Weltreich zu regieren. Borudscherdi hat diese Behauptungen zurückgewiesen.[5] Die iranische Regierung verfügte nach der Verhaftung Borudscherdis 2006 dessen Überführung in das Evin-Gefängnis. Im Evin-Gefängnis kam es in der Vergangenheit mehrfach zu bis heute unaufgeklärten Todesfällen. Ende 2008 wurde Ayatollah Sayed Hossein Kazemeyni Boroudscherdi in das Zentralgefängnis von Yazd verlegt.[8][9] Seit 27. Januar 2009 sitzt er dort in Einzelhaft.[8] In dem Gefängnis in Yazd wurde er am 5. Mai 2009 mit Schlägen traktiert, nachdem er sich in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gewandt hatte. Nach der Aufhebung der Besuchserlaubnis[10] für Familie und Anwalt unternahm er einen Hungerstreik[10] und wurde daraufhin in das Gefängniskrankenhaus des Zentralgefängnisses verlegt. Amnesty International befürchtete damals, dass er dort keine ausreichende Behandlung erfahre[10]. Aus diesem Grund rief Amnesty International erneut eine Urgent Action aus.[8]

Demonstrationen 2006

Vor dem Haus Borudscherdis in der Nähe des Azadi-Platzes (Freiheitsplatz) kam es zu lang anhaltenden Schutzdemonstrationen durch Anhänger Borudscherdis, die eine Verhaftung verhindern wollten. Nach Angaben der Zeitschrift Der Spiegel[4] soll General Morteza Talaie, der Chef der Ordnungskräfte von Teheran, in einem geheimen, aber später im Internet veröffentlichten Brief an die Teheraner Verantwortlichen mit Rücktritt gedroht haben, würde Borudscherdi verhaftet werden. Inzwischen ist Talaie ohne Angabe von Gründen zurückgetreten.

Bei der Verhaftung Borudscherdis 2006 wurden nach Augenzeugenberichten Spezialeinheiten, Panzer, Hubschrauber und Tränengas eingesetzt. Ebenfalls auf Augenzeugenberichte stützen sich die Angaben, dass sechs Menschen, darunter die Mutter von Borudscherdi, im Rahmen der Festnahme ums Leben kamen. Zusammen mit Borudscherdi sollen 500 Personen verhaftet worden sein, von denen noch 120 im Gefängnis sind. Das Haus Borudscherdis soll inzwischen von Baufahrzeugen dem Erdboden gleichgemacht worden sein.[4][6]

Todesstrafe

Nach unbestätigten Blog-Berichten wurde Ajatollah Borudscherdi aufgrund von 30 Anklagepunkten, darunter der Missbrauch von Kleidungsstücken für Kleriker, zusammen mit 17 Anhängern von einem 1987 von Ajatollah Chomeini eingerichteten Sondergericht für die Geistlichkeit zum Tode verurteilt.[11] In einem im März 2007 ausgestrahlten Bericht im iranischen Staatsfernsehen aus dem Evin-Gefängnis war der körperlich geschwächte und offensichtlich gefolterte Borudscherdi bei einem angeblichen Geständnis gefilmt worden.[11] In ihrer Machart erinnerten die Umstände der Filmaufnahmen und des Geheimprozesses an den Slánský-Prozess in der stalinistischen Tschechoslowakei. Ebenfalls im März 2007 hatten Augenzeugen des Auftretens von Borudscherdi vor dem Spezialgericht für Kleriker (SCC) einen durch den Hungerstreik seit Februar geschwächten Borudscherdi gesehen.[11][12] Nach Angaben von Amnesty International, das bereits mehrfach so genannte Urgent Actions für Borudscherdi gestartet hatte, wird Borudscherdi eine ärztliche Behandlung im Evin-Gefängnis nicht gestattet, obwohl er an Parkinson-Krankheit, an Diabetes, hohem Blutdruck und Herzbeschwerden leide.[7] Während der Verhandlung soll er Blut gespuckt haben.[7] Das Sondergericht für die Geistlichkeit in Teheran wollte nach dem 14. Juni 2007 ein Urteil über ihn und 80 Anhänger fällen. Die Anklageschrift, die mehrere hundert Seiten umfasste, warf Borudscherdi, der sich selbst als unpolitischen Menschen sieht, u. a. Gefährdung der Sicherheit des Landes, Unruhestiftung sowie Infragestellung der islamischen Ordnung unter Ajatollah Chamenei vor. In der Schrift forderte die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe für ihn und 17 seiner Anhänger.[6] Allerdings wurde kein Urteil veröffentlicht und Anhänger von Borudscherdi gehen davon aus, dass die ursprünglich verhängte Todesstrafe in eine elfjährige Haftstrafe, von der er zehn Jahre im Gefängnis von Yazd verbringen muss, umgewandelt wurde.[13]

Offener Brief an die Vereinten Nationen

Ayatollah Boroujerdi schrieb am 27. September 2010 einen offenen Brief an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und forderte die UNO auf, jene Verstöße zu untersuchen, die im Iran und im Nahen Osten als Konsequenz des Eingreifens der Religion in die Politik geschehen, und damit den Weg für eine Resolution zu bereiten, welche die Trennung von Staat und Religion unterstützt.[14]

Urgent Actions durch Amnesty International

Amnesty International rief im September 2006, nach den Verhaftungen am 28. September 2006 eine so genannte Urgent Action für Borudscherdi, Nader Khodadad und Nazim Nourbaksh sowie weiteren 40 Gefangen aus,[7] die – so Amnesty International – in der Abteilung 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses festgehalten würden. Das Evin-Gefängnis gilt neben dem Ghasar-Gefängnis und dem Towhid-Gefängnis schon seit Schah-Zeiten aber auch unter der religiösen Führung Chomeinis und Chamene'is als Foltergefängnis. Amnesty International setzt sich in der Urgent Action von 2007 ebenfalls für Borudscherdis Sohn Sayed Mahdi Kazemeyni Boroujerdi sowie für die Mollas Massoud Samavatiyan, Alireza Montazer Sa’eb, Ali Shahrabi Farahani, Habib Qouti, Ahmad Karimiyan, Majid Alastiein ein.[7] Gleichfalls setzt sich Amnesty International für den Studenten Kianoosh Sanjari von der iranischen Studentengruppierung Vereinigte Studentenfront ein, der verhaftet wurde, nachdem er für Artikel in seinem Weblog über die Verhaftung Borudscherdi recherchieren wollte und schon vorher – 1999 – gegen das Verbot der Zeitung Salām demonstriert hatte.[15][16][17] Im November 2010 wurden weitere Anhänger Borudscherdis – laut Amnesty International – willkürlich verhaftet, die Angehörigen werden systematisch von den Sicherheitskräften im Unklaren gelassen, wo die Arretierten sich aufhalten: die Lehrerin Tayabeh Hosseini, der Betriebswirt Narges Ghaffarzadeh, der Student Forough Hematyar, die Literaturwissenschaftlerin Maryam Azimi, die Chemie-Professorin Roya Eraqhi, der Informatiker Mohammad Reza Sadeghi sowie der Bauingenieur Mohammad Mehmannavaz. Der Letztgenannte wurde nach Kautionsstellung und nach Folterung in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran wieder auf freien Fuß gesetzt.[18]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Brief von Borudscherdi an den Generalsekretär des Europarats, Javier Solana (Memento des Originals vom 16. August 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.irancpi.net (auf persisch)
  2. Ayatollah Borujerdi: Iranians Are ‘Opposed to the Politicization of Religion and its Exploitation by a Group That Has Nothing to Do With True Islam’ (MEMRI, 13. Oktober 2006; Übersetzung von: إطبع هذه الصفحة (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive) )
  3. Navid Kermani: Jenseits der roten Linie (PDF bei navidkermani.de)
  4. a b c d e Nasrin Bassiri: Regimekritischem Ajatollah droht die Todesstrafe Spiegel Online, 12. Juni 2007
  5. a b Sadeq Saba: Iran arrests controversial cleric (englisch), BBC News. 8. Oktober 2006. 
  6. a b c Navid Kermani: Jenseits der roten Linie, In: Sueddeutsche Zeitung, 2007, Nr. 138, S. 13
  7. a b c d e Amnesty International: Willkürliche Festnahmen / Mögliche Gewaltlose politische Gefangene Iran
  8. a b c Amnesty International, 14. Mai 2009: Urgent Action: Geistlicher in Haft misshandelt@1@2Vorlage:Toter Link/www.iranhr.ch (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  9. Bameazadi Öffentliche Galerie von Bameazadi mit Fotos von Borudscherdi (Memento vom 5. Mai 2016 im Internet Archive)
  10. a b c Amnesty International, 19. Mai 2009: Mangelnde medizinische Versorgung
  11. a b c Blog-Bericht eines englisch-iranischen Bloggers vom Freitag, 15. Juni 2007 (Memento des Originals vom 28. September 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mideastyouth.com
  12. Bameazadi: Fotos von Hossein Kazemeyni Borudscherdi (Memento vom 5. Mai 2016 im Internet Archive)
  13. mardaninews@1@2Vorlage:Toter Link/mardaninews.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. 24. Juni 2009 (englisch)
  14. Borujederdis Offener Brief an den Menschenrechtsrat, (englisch: Boroujerdi's Open Letter to the UN Human Rights Council), mit Foto Boroujerdis
  15. Amnesty International, Urgent Action: Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amnesty.de
  16. Weblog von Kianoosh Sanjari (farsi)
  17. بند ۲۰۹ زندان اوین بر من چه گذشت؟، کیانوش سنجری (dt. Was mir im Evin-Gefängnis passiert ist)@1@2Vorlage:Toter Link/www.autnews.net (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (farsi)
  18. Amnesty International, Urgend Action im Dezember 2010: Willkürliche Festnahmen, Iran, UA-255/2010, Index: MDE 13/112/2010